Masterplan für eine attraktive Allgemeinmedizin

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Die Allgemeinmedizin hat mit einem Ärztemangel zu kämpfen. In einem Schulterschluss haben daher Hausärzte, Jungärzte, Ärztekammer und Universitäten gemeinsam den „Masterplan Allgemeinmedizin“ entwickelt.

Redaktion: Sophie Niedenzu

In den kommenden Jahren gehen bis zu 60 Prozent der Allgemeinmediziner in Pension. Gleichzeitig entscheiden sich viele Ärzte in Ausbildung bewusst gegen die Allgemeinmedizin, weil die Rahmenbedingungen nicht attraktiv sind. „Seit zehn Jahren sagen wir, dass es vor allem am Land einen Hausärztemangel geben wird, aber politisch geschieht außer müden Floskeln nichts“, sagt der Allgemeinmediziner Edgar Wurtscher, Obmann Bundessektion Allgemeinmedizin der Österreichischen Ärztekammer.

Schulterschluss für Masterplan Allgemeinmedizin

Nun haben die Österreichische Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM) und die Junge Allgemeinmedizin Österreich (JAMÖ) gemeinsam mit der Bundessektion und unterstützt von der universitären Allgemeinmedizin den „Masterplan Allgemeinmedizin“ erarbeitet. Dieser sei als Argumentarium für weitere Gespräch mit gesundheitspolitischen Verantwortungsträgern zu lesen. Die Maßnahmen sind umfassend und gliedern sich folgende sechs Teilbereiche:

  • Universitäre Ausbildung
  • Fachausbildung (Facharzt Allgemeinmedizin)
  • Niederlassung
  • Niedergelassene Tätigkeit
  • Strukturelle Aufwertung
  • Ökonomische Wertschätzung

Ziel ist es, die Rahmenbedingungen für Hausärzte wieder attraktiver zu machen. „Das Fach muss wieder lebbarer werden, damit der Beruf des Hausarztes so ausgeübt werden kann, wie er eigentlich ist“, sagt Susanne Rabady, Projektkoordinatorin und Präsidentin der Niederösterreichischen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (NÖGAM). Befragungen haben gezeigt, dass die inhaltliche Breite, der individuelle Zugang zu den Patienten, die Kontinuität durch Langzeitbeziehungen und die Gestaltungsfreiheit dieses Fach so beliebt machen.

Medizinstudierende haben Interesse am Fach

Der Hausärztemangel besteht, doch das Potential für den Ärztenachwuchs in der Allgemeinmedizin ist vorhanden: Unter allen Studierenden wollen 86 Prozent mehr vom Fach Allgemeinmedizin im Studium verankert haben, gleichzeitig fühlen sich nur 15 Prozent auf den Hausarztberuf vorbereitet. Das sind alles Zahlen, die Stephanie Pottenburg vom Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung der Medizinischen Universität Graz (IAMEV) zusammengetragen hat. Eine der wesentlichen Säulen des Masterplans ist nämlich, dass er auf einer evidenzbasierten, wissenschaftlichen Grundlage entstanden ist. Neben den Studierenden wurden auch Hausärzte nach ihrer Situation online befragt. „Wir haben uns best-practice-Beispiele vor Ort angeschaut, ebenso die Probleme, etwa durch die Nachtdienstbelastung am Land“, sagt Sebastian Huter von der Jungen Allgemeinmedizin Österreich (JAMÖ).

Der Masterplan befasst sich stark mit der universitären Ausbildung: Es geht um die Implementierung von Lehrstühlen an allen medizinischen Universitäten, um Ressourcen für Lehre und Forschung und eine möglichst frühe Verankerung von Praxiskenntnissen ins Curriculum. Ein Beispiel: An der MedUni Wien kommen eineinhalb Lehrkräfte auf 660 Studierende pro Jahr, in Graz gibt es eine Stelle für Lehre und Forschung. Letztere sei aber nicht unabhängig finanziert, kritisiert Poggenburg. Der Masterplan beinhaltet neben verpflichtenden Ausbildungen über Famulaturen am Land und in der Stadt auch eine Vereinheitlichung des klinisch-praktischen Jahrs.

Facharzt für Allgemeinmedizin

Masterplan Allgemeinmedizin Was die Arztausbildung betrifft, ist im Masterplan auch die jahrelange Forderung nach einem Facharzt für Allgemeinmedizin implementiert. Österreich ist hier Schlusslicht, denn in fast allen europäischen Ländern ist der Facharzt für Allgemeinmedizin umgesetzt. Ein entsprechender Facharzt in Österreich sei also nicht nur notwendig, um wettbewerbsfähig zu bleiben, sondern würde die Allgemeinmedizin insgesamt aufwerten. Im Rahmen der neuen Ärzte-Ausbildungsordnung sei diese Forderung nicht erfüllt worden, weil die Zeit nicht reif gewesen sei und nicht verstanden wurde, warum das Fach wichtig sei, so Rabady: „Mittlerweile gibt es dafür mehr Unterstützung bei Entscheidungsträgern“, sagt sie.

v.l.n.r.: Dr. Susanne Rabady, Projektkoordinatorin & NÖGAM-Präsidentin, Dr. Maria Wendler (JAMÖ/ÖGAM) mit Nachwuchs, Dr. Sebastian Huter, Obmann der JAMÖ, Dr. Stephanie Poggenburg (IAMEV), Dr. Christoph Fürthauer (BSAM)

Jungärzten sollte außerdem ein leichterer Einstieg möglich sein: Einerseits sollte die Unterstützung bei der Gründung von Hausarztpraxen verstärkt werden, andererseits auch flexible Einstiegsformen und Zusammenarbeiten wie etwa durch das Job-Sharing-Modell möglich sein.

Anpassung des Leistungskatalogs für Hausärzte

Ein weiterer Punkt im Masterplan befasst sich mit der Anpassung und Modernisierung des Leistungskatalogs für Allgemeinmediziner. Dieser solle unabhängig von der Organisationsform bundesweit einheitlich gestaltet werden, um internationalen Standards in der Versorgung gerecht zu werden. Das betrifft beispielsweise Leistungen wie Sonografie, Point-of-Care-Diagnostik und Funktionsuntersuchungen, die vom Hausarzt erbracht werden können, aber von den Kassen nicht bezahlt werden. Schickt der Hausarzt allerdings seinen Patienten in die Ambulanz, um diese Untersuchungen durchzuführen, erhöhten sich die Kosten um den Faktor 10 bis 50. Ein Honorarsystem, das Hausärzte unterstützt, diese Untersuchungen in der Praxis durchzuführen, würde daher sogar Kosten einsparen. „Das Problem ist die kurzfristige Politik: Wenn wir das Honorarsystem jetzt reformieren und eine qualitativ hochwertige Hausarztmedizin umsetzen, dann verursacht das den heutigen Entscheidungsträgern kosten. Die Rendite ist erst in zehn, 15 Jahren sichtbar“, sagt ÖGAM-Präsident Christoph Dachs. Dennoch und aufgrund des Hausärztemangels gebe es klare Signale, dass bei den Entscheidungsträgern ein Umdenken stattfinden. „Der Mangel öffnet nun viele Türen“, sagt Dachs. (Sophie Niedenzu, 10.8.2018)

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