Aktivierende Hilfestellungen anbieten

Furcht kann uns zur Flucht oder zum Kampf motivieren. Menschen in Angst zu versetzen, ist daher – von der ethischen Komponente einmal abgesehen – ein zwei­schneidiges Schwert. So verwundert es nicht, dass sozialpsychologische Untersuchungen bezüglich der Wirkung von Furchtappellen zu widersprüchlichen Ergebnissen kom­men. Einerseits steigen mit der Stärke des Furchtappells die Aufmerksamkeit der Rezi­pienten und deren Interesse an der Botschaft. Dies kann eine Steigerung der Handlungs­absicht bewirken – zumeist das Ziel einer Awareness-Kampagne. Andererseits löst der Appell jedoch ab einer bestimmten Stärke auch Vermeidungsverhalten aus – ein klassi­scher Mechanismus zur Angstreduktion. So verringert sich mit Zunahme des Appells die angestrebte Wirkung. Wann der Furchtap­pell diese Grenze überschreitet, ist vom sub­jektiven Erleben der Zielpersonen abhängig und somit kaum voraussehbar.

Sehen, verstehen, sich betroffen fühlen

Awareness-Kampagnen – sei es zum Thema Impfen, HIV oder Vorsorgeuntersuchungen – sind ein wichtiges Instrument, um Menschen zum Handeln zu motivieren. Die FSME-Kampagnen der letzten Jahr­zehnte haben den Österreichern eine hohe Durchimpfungsrate beschert. Bei Influenza sieht die Lage hingegen anders aus. Wie motiviert man Menschen dazu, sich impfen zu lassen, regelmäßig zu diversen Vorsor­geuntersuchungen zu gehen und zwecks HIV-Prävention „Safer Sex“ zu praktizie­ren? Ist Angst hier ein adäquates Mittel? Oder geht es mehr um Besorgnis und Be­troffenheit?  Durch eine Aufklärungskampagne Angst zu schüren, sei im Pharmabereich rechtlich gar nicht erlaubt, betont Mag.a Renée Gallo-Daniel, Präsidentin des Österreichischen Verbandes der Impfstoffhersteller (ÖVIH), auch „Versprechen“ wie „dieser Impfstoff wirkt zu 100%“ seien juristisch nicht er­laubt. Als Gesundheitspsychologin hat sie in den letzten 20 Jahren viele Awareness-Kam­pagnen zum Thema Impfen umgesetzt. Ihr Ansatz dabei ist, Aufklärungskampagnen als Aufmerksamkeitskampagnen zu sehen. „Die Menschen müssen die Botschaft sehen, ver­stehen und sich betroffen fühlen. Das ist der Punkt, an dem etwas subjektiv erlebbar wird. Durch diese Betroffenheit bringt man Menschen dazu, nachzudenken und aktiv zu werden. Es geht bei Aufklärungskampag­nen darum, die Empfänger zu informieren und auch zum Handeln zu motivieren, also beispielsweise zum Arzt zu gehen und sich bezüglich einer Impfung zu erkundigen. Wer den Sinn einer Impfung nicht versteht, kann die Entscheidung pro Impfen für sich nicht treffen“, erklärt Gallo-Daniel.  Em. o. Univ.-Prof. Dr. med. Michael Kunze, Zentrum für Public Health der Medizini­schen Universität Wien, sieht dies ähnlich: „Pures Angst Erzeugen ist der falsche Weg, unter anderem auch deswegen, weil Angst ein schlechter Ratgeber ist. Es geht darum, ein Problembewusstsein zu schaffen und dann Lösungen anzubieten. Denn wenn je­mand keine Lösung sieht, blendet er Fakto­ren, die ihn ängstigen, aus – dadurch er­reicht man gar nichts.“

Mit Fakten aufklären

Auch Mag. Bernhard Prager, Generalsekre­tär des ÖVIH und Leiter des Impfbereiches bei Sanofi Österreich, betont, dass das Arz­neimittelgesetz es verbiete, Angst schürende Werbung zu machen. „Während beispiels­weise zum Thema Verkehrssicherheit durchaus Werbung mit Angst machenden Effekten passiert, müssen wir uns im Pharmabereich immer fragen, was innerhalb un­seres Ermessensspielraums zulässig ist. Mei­ner Ansicht nach muss man dabei zwischen Fakten, die rational und real sind, und Ängsten, die irrational sind, unterscheiden“, erläutert Prager. Bei Awareness-Kampagnen, die evidenzbasierte Fakten präsentieren, könne daher kaum von Angstmachern ge­sprochen werden, ist der Impfspezialist überzeugt. Man dürfe, betont er weiter, nicht vergessen, dass das Unterdrücken von Fakten genauso eine Manipulation sei wie die falsche Darstellung von Fakten. „Es geht bei Awareness-Kampagnen darum, Tatsa­chen darzustellen – auch wenn diese für manche eventuell beängstigend sein kön­nen. Die Darstellung an sich darf jedoch nicht darauf abzielen, Angst zu erzeugen“, fasst Prager zusammen. Seiner Meinung nach ist die Pharmaindustrie in der Darstel­lung der Fakten jedoch oft zu zurückhal­tend: „Die irrationalen Impfgegner werden wir nicht erreichen. Aber wir können jene erreichen, die unentschlossen sind, ob sie sich selbst bzw. ihre Kinder impfen lassen sollen. Dafür braucht es eine offene Infor­mation über die Vor- und Nachteile von Impfungen. Das ist der Auftrag an uns als Industrie, und dafür brauchen wir die Un­terstützung des Gesundheitssystems, spezi­ell der Krankenkassen.“ Dabei müssen Informationen vermittelt werden, mit denen der Laie selbst zu einer Entscheidung kommen kann. Hier spielen nach wie vor die Ärzte eine wesentliche Rol­le, um die Menschen aufzuklären und zu beraten. Kunze ergänzt: „Bei den Masern ha­ben fast alle vergessen, dass es sich eben nicht um eine harmlose Kinderkrankheit handelt. Hier muss man kommunizieren: Eine Masernerkrankung ist ein Problem, das gesundheitlich gefährlich werden kann. Die Lösung ist die Impfung. Diese Botschaft gilt es wohldosiert zu vermitteln, damit es gera­de bei ängstlichen Typen nicht zu einer Ab­wehrreaktion kommt. Bei Influenza wird das Problem von den meisten ausgeblendet – hierbei greifen verschiedene psychologi­sche Blockaden.“

Lösungen anbieten

Für Mag. Wolfgang Wilhelm, Obmann der Aids Hilfe Wien, schafft Besorgnis bzw. Angst die Grundlage für eine Motivation zur Veränderung: „Man darf die Menschen aber nicht mit der Angst allein lassen, sondern muss ihnen konkrete Lösungen in Form von Handlungsempfehlungen anbieten. Im Fall von HIV heißt diese Safer Sex und die Benutzung von Kondomen.“  Auch Erich Bergmann, Geschäftsführer der Kommunikationsagentur „Denken hilft!“, hält Furchtappelle für zielführend, wenn sie nicht übertrieben werden: „Die Men­schen dürfen nicht in Schock versetzt wer­den, dann blenden sie aus und blocken ab. Bis zu einem gewissen Grad sind Furchtap­pelle aber erforderlich, um eine Reaktion zu erreichen. Daher ist es sehr wichtig, dass ich mich vorab damit auseinandersetze, wie hoch bzw. wie niedrig der Angstlevel mei­ner Zielgruppe ist.“ Es sei notwendig, so Bergmann weiter, über die Konsequenzen eines Nicht-Handelns zu informieren: „Beim Thema Zecken und FSME hat man jahrelang die Folgen einer Infektion in den Fokus gestellt – die Durchimpfungsrate liegt heute in Österreich bei 82%. Beim Thema Influenza ist es hingegen bisher nicht gelungen, die möglichen Konsequen­zen eines Nicht-Geimpftseins zu vermitteln – die Durchimpfungsrate von 6% spricht für sich.“ Prager sieht das genauso: „Die Angst machende FSME-Werbung der frü­heren Jahre ist allen Älteren noch ein­drucksvoll im Gedächtnis und motiviert uns noch immer, die Auffrischungen nicht zu vergessen. Angst ist offenbar ein wichti­ger Faktor, heute aber in der Aufklärung verboten und oftmals geächtet.“

Betroffene zu Beteiligten machen

Em. o. Univ.-Prof. Dr. Thomas Alfred Bauer, Institut für Publizistik und Kommunikati­onswissenschaft, Universität Wien, nähert sich dem Thema von einem etwas anderen Gesichtspunkt: „Der psychologische An­satzpunkt ist, jemanden in einen Zustand – z.B. Betroffenheit – zu versetzen, um da­durch eine Handlung zu erreichen. In der Kommunikationswissenschaft folgen wir ei­nem etwas anderen Menschenbild: Wir ver­suchen, Betroffene zu Beteiligten zu machen und Beteiligte zu Betroffenen. Wenn man diesem Ansatz folgt, müssten bei Aufklä­rungskampagnen Betroffene am Diskus be­teiligt werden, das heißt, die Kampagne müsste unter Einbindung der Betroffenen entwickelt werden.“  Die entscheidende Frage zu Beginn eines solchen Prozesses wäre laut Bauer, wo die Betroffenen selbst ihre Probleme sehen. In weiterer Folge gehe es nicht darum, die Menschen in einen Unsicherheitszustand zu versetzen, sondern vielmehr um Stärkung des eigenen Verantwortungsgefühls: „Jeder Mensch ist in jeder Situation der Experte seiner Situation – eine Aufklärungskampag­ne dient von diesem Gesichtspunkt aus be­trachtet dazu, aktivierende Hilfestellung zu bieten. Beim Beispiel Impfkampagne würde das bedeuten, dass die Rezipienten einge­bunden und dadurch in die Lage versetzt werden, selbst Verantwortung für sich und andere zu übernehmen“, erklärt Bauer. Die­se Einbindung würde, so der Kommunikati­onswissenschafter weiter, auch verhindern, dass Abwehrmechanismen in Gang gesetzt würden. „Aussagen wie ‚Ist mir noch nie passiert‘ oder ‚Betrifft mich eh nicht‘ sind ja nichts anderes als innere Fluchtwege, mit denen Menschen einer unangenehmen Situ­ation ausweichen. Sie in einen solchen Zu­stand zu versetzen, wäre kontraproduktiv, da dies nur Abwehr und keine Handlung in Gang setzt“, betont Bauer.  Genau hier sieht auch Bergmann einen we­sentlichen Ansatzpunkt: „Die wichtige Bot­schaft ist ‚Es könnte auch dich treffen!‘ – da­mit wird Betroffenheit hergestellt. Dann geht es darum, die Folgen aufzuzeigen – beim Beispiel FSME neurologische Schäden bis hin zur Lebensgefahr. Das heißt, man muss den jeweiligen Level treffen, ab dem sich die Zielgruppe betroffen fühlt und han­delt, aber noch keine Reaktanz zeigt.“

Zustand der Besorgnis nutzen

Laut Bauer führt die immer komplexer wer­dende Welt dazu, dass ein „Zustand der Be­sorgnis“ zum Menschsein dazugehöre. „Das kann man bei Aufklärungskampagnen na­türlich nutzen, aber nicht, indem man die Besorgnis erhöht, sondern indem man zum Diskurs einlädt. Die Lösung liegt meiner Ansicht nach in einem dialektischen Modell mit dem Ansatz: ‚Weil ‚weil du anders denkst als ich, bist du ein interessanter Ge­sprächspartner für mich.‘ Das verlangt ein höheres Maß an Kommunikationskultur als ein autoritätsbesetztes Modell, bei dem Be­troffenheit über Angst statt über Verantwor­tung erzielt werden soll, berücksichtigt aber die Verantwortungsbereitschaft des Einzel­nen“, erläutert Bauer.  Für den Kommunikationsexperten wäre es der richtige Weg, kurzfristig starke Appelle zu setzen, während langfristig versucht wird, einen Dialog aufzubauen. „Das länger­fristige Ziel sollte sein, die Menschen einzu­binden, sie zu Stakeholdern zu machen. Als Sender einer Botschaft sollte ich mir vor Au­gen halten, dass Dinge immer anders gese­hen werden können, als ich das selbst tue. Wenn ich die anderen Meinungen berück­sichtige und darauf eingehe, erreiche ich eine Vertiefung des Themas und baue Ver­trauen auf. Das Beispiel Masern und Impfen zeigt, dass es an Vertrauen mangelt. Würde man dieses herstellen, könnte – langfristig betrachtet – eine gesellschaftliche Haltung mit der Prämisse ‚Meine Gesundheit hängt davon ab, was ich selbst und was andere tun, um sich gesund zu erhalten‘ entstehen. Diese Haltung kann man aber nicht erzwin­gen“, sagt Bauer.

Risikoeinschätzung individuell unterschiedlich

Univ.-Doz. Dr. Ingrid Kiefer, Leiterin der Abteilung Risikokommunikation der AGES – Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH, erklärt, dass die Risikobewertung eines Individu­ums von der individuellen Wahrnehmung abhänge und das subjektiv eingeschätzte Ri­siko unabhängig von der messbaren Ein­trittswahrscheinlichkeit sei: „So fühlen sich beispielsweise laut unserer Studie ‚Risikoba­rometer Umwelt & Gesundheit‘ zwei Drittel der Befragten zum Thema Fehl- und Über­ernährung gut informiert und stufen das Ri­siko als niedrig ein – objektiv betrachtet ist das Risiko aber durchaus höher.“ Daher gehe es, so Kiefer weiter, zunächst einmal darum, Bewusstsein zu schaffen. Gerade beim Thema Impfen bestünden zudem star­ke Gegenpositionen, die sehr von Emotio­nen geprägt seien. In der Vergangenheit wurde, so Kiefer, oft versucht, vehemente Gegner zu überzeugen; diese erreiche man aber nie.  „Es ist sehr schwierig, emotionale Haltun­gen durch Fakten zu widerlegen. Informati­onen werden eher dann wahrgenommen, wenn sie die eigene Meinung bestätigen. Tun sie das nicht, entsteht der sogenannte Backfire-Effekt, bei dem Fakten mit Abwehr begegnet wird. Wir sollten uns auf jene kon­zentrieren, die unsicher und besorgt bzw. beunruhigt sind. Diese anzusprechen kann etwas bewirken. Bei emotional aufgelade­nen Themen wäre es vermutlich zielfüh­rend, die Kampagnen ebenfalls emotional zu gestalten und ‚Risikostorys‘ zu erzählen“, so Kiefer. Und Prager ergänzt: „Ziel einer Awareness-Kampagne ist ein ,aufgeklärtes Verantwortungsbewusstsein‘. Daraus soll eine eigenständige, individuelle Bewertung erfolgen können, unter Einbeziehung der persönlichen Risikowahrnehmung.“

Zusammenspiel von Text und Bild

Die Grenze zwischen „zu wenig Betroffen­heit und gar kein Effekt“ und „zu viel Betrof­fenheit und Abwehr“ ist auch laut Gallo- Daniel nicht leicht zu ziehen: „Die Wort-Bild-Kombination muss hier optimal zusammenspielen. Die verbale Aufforde­rung muss durch starke Bilder unterstützt werden, die aber nicht aggressiv sein soll­ten.“  Ein Bereich, in dem abschreckende Bilder zum Einsatz kommen, sind Zigarettenpa­ckungen. Aber halten die „Schockbilder“ wirklich vom Rauchen ab? „Die Bilder wur­den vor der Einführung getestet und haben dabei durchaus abschreckende Effekte er­zielt – interessanterweise vor allem jenes mit der kehlkopflosen Person“, berichtet Kunze. Bei den meisten abhängigen Rauchern, so der Raucherentwöhnungsexperte weiter, würden die Bilder jedoch nur einen kurz­fristigen Schock auslösen, danach kämen Abwehrmechanismen in Gang. „Die Abbil­dungen führen wohl vor allem dazu, dass Raucher Hüllen für ihre Zigarettenpackun­gen verwenden. Gibt es allerdings Kinder in der Familie, die die Bilder sehen und die Texte dazu lesen und dann die Mutter/den Vater darauf ansprechen (‚Stimmt das, dass du wegen des Rauchens sterben musst?‘), kann dies aber durchaus etwas auslösen“, ist Kunze überzeugt. Aus diesem Grund hält er die Schockbilder auf den Zigarettenpackun­gen zwar für sinnvoll, ein wesentlicherer Aspekt wäre für ihn jedoch eine entspre­chende Preispolitik.

Zielgruppe klar definieren

Wie bei jeder Werbe- oder PR-Kampagne muss auch bei Aufklärungskampagnen im Gesundheitsbereich die Zielgruppe genau definiert werden. „Um beispielsweise über onkologische Erkrankungen zu informieren und aufzuklären, muss man anders kom­munizieren als über Präventionsmaßnah­men wie etwa Impfungen. Es geht immer darum, die Menschen dort abzuholen, wo sie stehen, also z.B. einem COPD-Betroffe­nen zu kommunizieren: ‚Für dich ist eine Pneumokokken-Impfung besonders wich­tig, da deine Lunge bereits von einer Er­krankung betroffen ist‘“, macht Gallo-Daniel die Problematik deutlich. Es mache auch keinen Sinn, im Bereich der Impfaufklä­rungskampagnen alle Altersgruppen pau­schal und gleichzeitig anzusprechen – „alle 50+-Jährigen“ seien eine zu heterogene Ziel­gruppe, warnt die Expertin. Ihre Empfeh­lung: Exponierte Gruppen, für die eine Impfung besonders wichtig und auch emp­fohlen ist, sollten definiert werden, d.h. man sollte eruieren, für wen wo ein beson­deres Risiko besteht. „Dort kann ich Men­schen abholen, bei solchen Aspekten reagie­ren sie sensibel und ich erhalte ihre Aufmerksamkeit“, weiß Gallo-Daniel aus der Praxis.  Ähnlich sieht dies Wilhelm: „Beim Thema HIV haben wir heute zwei Gruppen: die eine, die bei den Bildern der 1980er-Jahre hängen geblieben ist und immer noch glaubt, Aids sei eine todbringende Seuche; und die andere, die denkt, Aids sei mittler­weile so gut behandelbar, dass man sich nicht mehr schützen müsse. Beide Gruppen haben unrecht, müssen aber komplett an­ders angesprochen werden.“ Die Differen­zierung der Zielgruppen geht für Wilhelm aber noch weiter: „Die österreichische Aids Hilfe macht schon seit Langem keine breiten Kampagnen mehr. Wir stellen uns als Erstes immer die Frage, mit wem wir es zu tun ha­ben. Ein Aids-Phobiker muss völlig anders informiert werden als eine Sexarbeiterin. Es geht bei diesem Thema schließlich auch um die generelle Einstellung eines Menschen zur Sexualität. Das ist individuell so unter­schiedlich, dass wir mehr auf Einzelbera­tungen setzen als auf breite Aufklärungs­kampagnen.“  Bergmann betont, dass Frauen tendenziell ängstlicher bzw. weniger risikobereit seien als Männer. „Für das Thema Gesundheit sind aber oft die Frauen zuständig. In die­sem Fall sollte der Furchtappell eher sanfter ausfallen und mehr bei der Besorgnis ange­setzt werden, denn Frauen sorgen sich sehr, dass etwas passieren könnte. Sind klar Män­ner Adressaten der Kampagne, kann der Furchtlevel auch etwas höher liegen“, so der Werbeexperte.

Verhalten in kleinen Schritten ändern

Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist für Gallo-Daniel der Absender der Botschaft: „Für den Rezipienten muss klar erkennbar sein, wer hinter der Kampagne steht – z.B. ein Experte, ein Testimonial oder eine Ge­sellschaft. Der Absender sollte auf jeden Fall vertrauenswürdig und fachkundig sein.“  Grundsätzlich sei es kontraproduktiv, mit Verboten zu agieren, ist Kiefer überzeugt; man müsse die Menschen mitnehmen und in kleinen Schritten zu Verhaltensänderun­gen motivieren. „Wir setzen gerade gemein­sam mit dem Sozial- und dem Sportministe­rium eine Kampagne gegen Fehl- und Überernährung um. Dabei versuchen wir die Menschen dazu zu bewegen, jede Chan­ce zu nutzen. Das heißt, wir verbieten nicht generell fettiges Essen und Süßigkeiten, sondern motivieren dazu, bei jeder Mahlzeit auch Obst und Gemüse auf dem Teller zu haben. In kleinen Schritten voranzugehen ist sinnvoller, da die Menschen bei zu gro­ßen Schritten ihre Verhaltensänderung oft­mals rasch wieder abbrechen“, so Kiefer ab­schließend.

 

Em. o. Univ.-Prof. Dr. med. Michael Kunze

Die Menschen müssen informiert werden,
damit sie ein Problembewusstsein entwickeln.

 

Mag.a Renée Gallo-Daniel

Es geht bei Awareness-Kampagnen darum, Aufmerksamkeit und Betroffenheit zu erzeugen – sonst gibt es keine Reaktion.

 

Mag. Wolfgang Wilhelm

Man muss die Menschen individuell abholen, Besorgnis und Betroffenheit erzeugen und ihnen Lösungen anbieten.

 

Mag. Bernhard Prager

Es braucht ein Bewusstsein über die Fakten,
denn auch das Verschweigen von realen Gefahren ist unethisch und manipulativ.

 

Erich Bergmann

Man muss die Konsequenzen des Nicht-Handelns in den Fokus stellen, um eine Verhaltensänderung zu erreichen.

 

Em. o. Univ.-Prof. Dr. Thomas Alfred Bauer

Der Mensch trägt selbst die Verantwortung für sein Leben, daher muss er in den Diskurs eingebunden werden.

 

Univ.-Doz. Dr. Ingrid Kiefer

Es geht darum, Bewusstsein zu schaffen und die Menschen schrittweise zu einer Verhaltensänderung mitzunehmen.