Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Markus Zeitlinger ist Leiter der Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie an der MedUni Wien sowie Vizepräsident der GPMed, der Österreichischen Gesellschaft für pharmazeutische Medizin. Im Interview berichtet er, wie der Forschungsstandort Österreich gestärkt werden könnte, welche Herausforderungen es derzeit gibt und was er sich von der Zusammenarbeit mit Pharmaunternehmen wünscht.
Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Markus Zeitlinger, Leiter der Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie der MedUni Wien und Vizepräsident der GPMed; © MedUni Wien – feelimage
Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Markus Zeitlinger: Dass die Zahl der klinischen Studien in Österreich rückläufig ist, stimmt. Das betrifft alle Phasen klinischer Studien und hat mehrere Gründe. Einer davon sind die immer komplexer werdenden regulatorischen Anforderungen. Hierfür sind nicht die österreichischen Behörden verantwortlich, sondern die aktuelle EU-Pharma-Legislation. So ist CTIS, das Clinical Trials Information System, gerade bei akademischen Studien sehr herausfordernd. Klinische Studien können aufgrund von CTIS nur noch an spezialisierten Zentren durchgeführt werden, da sonst die Komplexität, auch bezüglich Timeline, gar nicht mehr machbar ist. Akademische Forscher:innen bzw. Forschungseinrichtungen müssen zudem in Österreich die Kosten für die CTIS-Einreichung selbst tragen – das haben andere Länder anders gelöst. Leider hat zudem die Förderlandschaft hierzulande noch nicht auf diese veränderte Kostensituation reagiert. Zusammenfassend kann man sagen, dass die EU die neue Regelung für klinische Studien erlassen hat, um eine Vereinheitlichung zu erreichen. Das macht auch durchaus Sinn, nur das System, wie es umgesetzt wurde, ist nicht zielführend.
Ein weiterer Grund für die Rückläufigkeit der klinischen Studien in Österreich ist der steigende Wettbewerb, auch zwischen den europäischen Ländern. Beispielsweise haben die Niederlande und Belgien die Timeline beim CTIS bereits verkürzt – Österreich arbeitet noch daran. Das schafft einen Nachteil für uns. Österreich hat es als kleines Land generell schwerer, klinische Studien ins Land zu holen. Daher bräuchte gerade Österreich – so wie es Deutschland bereits umgesetzt hat – eine Pharmastrategie, und diese müsste ein großes Maßnahmenpaket beinhalten, wie klinische Forschung in Österreich gehalten werden kann. Denn letztendlich konkurrieren wir international mit Ländern wie den USA und Indien – das heißt, Österreich bzw. auch Europa braucht dringend regulatorische Bedingungen, die es uns ermöglichen, mithalten zu können.
An erster Stelle: Abbau von Bürokratie! Daran wird auch bereits gearbeitet. Zudem sollte akademische Forschung bei CTIS-Einreichungen von den Kosten befreit werden. Auch Netzwerkbildung wäre wichtig, denn Forschungsnetzwerke könnten Österreich als Forschungsstandort attraktiver machen. Nischenbildung wäre ebenfalls ein zielführender Ansatz.
Wir sind eine internationale, interdisziplinäre klinische Forschungs- und Lehreinrichtung mit starkem Fokus auf die Planung, Durchführung und Auswertung von klinischen Studien. Forschung und Lehre gehen dabei Hand in Hand. Wir haben mittlerweile über 1.000 Studien abgewickelt und haben Erfahrung in allen Phasen der klinischen Forschung, von der Erstanwendung am Menschen bis zu pivotalen Zulassungsstudien. Unsere Arbeit richtet sich stets nach den höchsten ethischen, wissenschaftlichen und rechtlichen Standards und wir pflegen eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen klinischen Abteilungen und anderen Kliniken.
Derzeit sehen wir uns mit folgenden Problemen konfrontiert:
Gerade hinsichtlich der Kosten befinden wir uns in einer Spirale, die sich nach oben schraubt. In meinen Augen stellt sich hier die Frage, wie lange wir noch kompetitiv bleiben können. Dazu kommt noch der immer engere Zeitplan – der dadurch entstehende Zeitdruck ist ebenfalls etwas, das uns sehr belastet.
Die GPMed ist ein wissenschaftliches Forum für Ärzt:innen, Wissenschafter:innen und Gesundheitsberufe aus Akademie, Industrie, Behörden und anderen Institutionen. Es sind Privatpersonen und keine Institutionen als Mitglieder dabei. Diskutiert werden verschiedene Themen rund um klinische Forschung in Österreich. Natürlich widmen wir uns auch den Rahmenbedingungen klinischer Studien auf EU- und nationaler Ebene und versuchen, Informationen zu verbreiten, die unsere Mitglieder bei der Abwicklung klinischer Forschung unterstützen. Zudem weisen wir auch in Richtung der anderen Player auf Verbesserungspotenziale hin.
Mir ist wichtig, dass Forscherinnen und Forscher frühzeitig eingebunden werden, denn ich sehe mich nicht als Dienstleister, sondern als Partner. Daher ist mir Vertrauen sehr wichtig und deswegen sind mir wenige Partner, die ich gut kenne, lieber als viele verschiedene, die ich weniger gut kenne. Aus diesem Grund bevorzuge ich längerfristige Kooperationen mit Pharmaunternehmen, bei denen man gemeinsam strategisch agiert. Zudem ist mir Transparenz wichtig. Bei der Zusammenarbeit mit Pharmaunternehmen möchte ich beispielsweise gerne wissen, warum meine Klinik ausgewählt wurde bzw. warum man sich für Österreich entschieden hat oder eben nicht.
Derzeit befindet sich das neue Gebäude noch in der Bauphase – wenn es fertiggestellt ist, bietet es 2.000 m2 ausschließlich für Forschung. Das ist einzigartig in Österreich. Laut Plan können wir bereits nächstes Jahr beginnen, das Gebäude in Betrieb zu nehmen. Das neue Forschungszentrum wird mit einer Brücke mit dem AKH verbunden sein und ist somit baulich, aber natürlich auch fachlich bzw. organisatorisch an das größte Krankenhaus Europas angeschlossen.
Mein Ziel ist es, die richtigen Patientinnen und Patienten zu den richtigen Studien zu bringen. Durch die Entwicklung moderner Medikamente profitieren alle: die Betroffenen, die Angehörigen, die Forschenden, die Pharmaunternehmen, das Gesundheitswesen und letztlich die gesamte Gesellschaft.
Vielen Dank für das Gespräch!