Im Mai 2025 wurde Dr. Pavol Dobrocky, Generaldirektor Boehringer Ingelheim Regional Center Vienna, zum Präsidenten der PHARMIG, dem Verband der pharmazeutischen Industrie in Österreich, gewählt. Ihm ist es ein großes Anliegen, als PHARMIG gemeinsam mit der Politik und den anderen Partner:innen im Gesundheitswesen die Life-Science-Strategie für Österreich mitzugestalten. Welche Aspekte ihm als PHARMIG-Präsident besonders wichtig sind, erläutert er im Interview mit PHARMAustria.
Dr. Pavol Dobrocky plädiert als neuer Präsident der PHARMIG für eine integrierte Standortpolitik, welche die Bereiche Forschung, Produktion und Marktzugang berücksichtigt und so den Wirtschaftsstandort Österreich stärkt, aber auch das Gesundheitswesen positiv beeinflusst.; © Marion Carniel
Dr. Pavol Dobrocky: Ich bin seit über 30 Jahren in der pharmazeutischen Industrie tätig. Unsere Branche trägt wesentlich zur Gesundheitsförderung und zur Verbesserung der Lebensqualität von Menschen bei. Dieses Wissen, dass wir Patientinnen und Patienten helfen können und dadurch letztendlich die ganze Gesellschaft positiv beeinflussen, motiviert mich.
Wir befinden uns aktuell in herausfordernden Zeiten. Es gilt Maßnahmen zu setzen, damit die Pharmabranche ein Wachstumsmotor des österreichischen Wirtschaftsstandorts bleibt. Das gemeinsame Ziel muss sein, die Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems zu erhalten und gleichzeitig Innovationskraft und Versorgungssicherheit zu stärken – dazu will die PHARMIG beitragen. Ich sehe es als meine Aufgabe als Präsident bzw. als unsere Aufgabe als Verband, in einem konstruktiven Dialog mit Politik und Verwaltung Lösungen zu finden, die sowohl die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten als auch die Anforderungen unserer Branche berücksichtigen.
Die PHARMIG ist sehr breit aufgestellt und vertritt forschende Unternehmen ebenso wie Generikahersteller, klein- und mittelständische Familienbetriebe sowie internationale Großkonzerne. Diese Vielfalt möchten wir als Basis für den Dialog nutzen, um so Verantwortung zu übernehmen: für die Patientinnen und Patienten, für den Gesundheitsstandort Österreich und für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung.
Weiters sehe ich es als Aufgabe der PHARMIG, die Bedeutung unserer Industrie für das Gesundheitssystem, aber auch für den Wirtschaftsstandort Österreich nach außen zu kommunizieren – in Richtung der anderen Stakeholder, aber auch in Richtung der breiten Öffentlichkeit. Denn die Pharmaindustrie ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und schafft zahlreiche Arbeitsplätze. In Österreich arbeiten fast 19.000 Menschen in unserer Branche, und sie erwirtschaften eine direkte Wertschöpfung von fast 5 Mrd. Euro. Zudem sind wir eine innovative Industrie: In Forschung und Entwicklung werden jedes Jahr mehr als 300 Mio. Euro investiert. Die pharmazeutische Industrie ist somit wichtig für den Wirtschaftsstandort Österreich – und natürlich wichtig für die Gesundheit der Bevölkerung. Gemeinsam müssen wir uns daher für einen starken Pharmastandort Österreich einsetzen.
In meinen Augen ist einer der wichtigsten Punkte eine integrierte Standortpolitik, die drei Bestandteile berücksichtigen muss: Forschung, Produktion und Marktzugang. Denn wir sehen am Beispiel anderer Länder, dass dort, wo günstige Preis- und Erstattungsregeln herrschen, die eine rasche Marktzulassung ermöglichen, die Unternehmen auch in ihre dortigen Forschungsaktivitäten und – falls vorhanden – in ihre Produktion vor Ort investieren.
Die USA sind der größte Pharmamarkt der Welt und das Preisniveau ist höher als beispielsweise in Europa. Deswegen wird dort jetzt über Arzneimittelpreise diskutiert. Dies hat aber auch eine Diskussion über den Wert von Pharmazeutika in Gang gesetzt – und das ist das Positive an der derzeitigen Situation. Die entscheidende Frage ist doch, was innovative Medikamente für Patientinnen und Patienten bringen. Dieser Wert sollte sich auch im Preis widerspiegeln. Eine Anerkennung des Wertes von Innovation ist wichtig, damit Patientinnen und Patienten weiterhin Zugang zu neuartigen Therapien haben. Europa muss sich entscheiden, wie es Medikamente zukünftig betrachten will: als Kostenfaktor oder als Investition in die Gesundheit der Menschen. Wie diese Entscheidung ausfallen wird, beeinflusst die Zukunft des Forschungs- und Produktionsstandorts Europas – und auch Österreichs.
Wir begrüßen es natürlich, dass die Life-Science-Strategie im österreichischen Regierungsprogramm berücksichtigt wurde. Wichtig erscheint mir dabei, dass eine integrierte Strategie geplant und umgesetzt wird, die – wie bereits erwähnt – die drei Bereiche Forschung, Produktion und Marktzugang berücksichtigen muss. Und wir leisten gerne einen Beitrag zu dieser Life-Science-Strategie: Die PHARMIG hat daher 60 Maßnahmen zusammengestellt, die wir derzeit intensiv mit unseren Partnerinnen und Partnern im Gesundheitswesen besprechen. Dabei geht es um diverse Maßnahmen, u.a. zur Erleichterung regulativer Prozesse, zur Stärkung der Infrastruktur, zur Intensivierung von Forschung und Produktion in Österreich, zur Förderung eines einfacheren Marktzugangs etc.
Zudem möchte ich in diesem Zusammenhang erwähnen, dass es wichtig ist, dass das österreichische Gesundheitswesen effizient arbeitet. Hier sehe ich Potenzial im Bereich Digitalisierung, indem z.B. Patientendaten digitalisiert und Steuerungsprozesse optimiert werden. Dies würde Ressourcen generieren und das System entlasten.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Life-Science-Strategie, den ich ebenfalls hervorheben möchte, sind die Fachkräfte. Wir müssen uns dafür engagieren, dass mehr Forscherinnen und Forscher nach Österreich kommen. All dies sind wesentliche Aspekte, um den Pharmastandort Österreich und das österreichische Gesundheitswesen zukunftsfit zu machen.
Vielen Dank für das Gespräch!