Die Bevölkerung wird immer älter, und die Zahl der Erwerbstätigen nimmt ab: Erkrankungen nehmen zu, Beitragszahler:innen sinken. ÖGK und AMS zeigten nun ihre Lösungsansätze.
Es war ein ungewöhnlicher Termin am Freitag, den es so in den vergangenen Jahren im Gesundheitswesen noch nie gegeben hat: Arbeitsmarktservice (AMS) und Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) traten gemeinsam vor die Presse. Der Grund sind harte und für die künftige Versorgung besorgniserregende Fakten: Die Bevölkerung wird immer älter, und die Zahl der Erwerbstätigen – und damit der ÖGK-Beitragszahler:innen – nimmt ab. AMS und ÖGK spüren die Auswirkungen unmittelbar und müssen in ihrer Arbeit dementsprechend darauf reagieren. Die ÖGK teilte zuletzt wie berichtet mit, dass man bis 2028 weitere Verluste schreiben wird. Für AMS-Vorstand Johannes Kopf und Bernhard Wurzer, Generaldirektor ÖGK, ist klar: „Wir müssen die Chancen steigern, damit die Menschen fit für den Arbeitsmarkt und fit für das Leben sind und bleiben“.
Kopf betonte: „Die Bevölkerung in Österreich wird älter. Zur Sicherung unseres Sozialsystems und Bekämpfung des Arbeitskräftemangels in Österreich ist es notwendig die vorhandenen Potenziale an Arbeitsfähigen künftig besser als bisher zu nutzen. Wir müssen in Zukunft länger gesund arbeiten, Zugewanderte schneller für den Arbeitsmarkt fit machen, Ganztageskinderbetreuungsangebote flächendeckend zu Verfügung stellen.“ Während die Erwerbsquote in den vergangenen 20 Jahren von 70 % auf 78 % gestiegen sei, stagniert das Einkommenswachstum aufgrund des Anstiegs von Teilzeitbeschäftigungen – insbesondere bei Frauen. Um eine Trendwende einzuläuten, müssen daher mehr Frauen, aber auch Geflüchtete, niedrig qualifizierte und ältere Arbeitnehmer:innen besser in den Arbeitsmarkt integriert werden. Aber auch das werde noch nicht genug sein. Neben gezielter Fachkräftezuwanderung brauche es auch Investment und Bemühungen im Bereich Bildung und Qualifizierung, eine Senkung der Arbeitslosigkeit und Steigerung der Produktivität durch Digitalisierung, Automatisierung und KI.
Unmittelbar bemerkbar ist die Altersstruktur nicht nur bei steigenden Kassendefiziten, sondern auch bei den Arztbesuchen. Allein in den vergangenen vier Jahren gab es eine Frequenzsteigerung bei Arztbesuchen um fast 20 Prozent. Auch Langzeitkrankenstände häufen sich in späteren Arbeitsjahren, rechnete Wurzer vor. Notwendig sei daher eine sinnvolle Patient:innensteuerung. Als Erfolgsmodell hätten sich dabei Primärversorgungseinheiten herausgestellt, die gerade bei der Versorgung chronisch Kranker und älterer Personen mit einem umfassenden Leistungsangebot und längeren Öffnungszeiten entscheidende Vorteile bringen. Wurzer: „Eine Person soll nicht zu sieben Ärzt:innen gehen bevor sie eine Diagnose bekommt, sondern dabei Unterstützung erhalten, sich im System zurechtzufinden – damit dann sieben Patient:innen zu einem Arzt gehen können. Deswegen bauen wir das Case-Management aus.“
Auch die Ärztekammer macht sich, wie sie schreibt Sorgen um den „Fortbestand unseres solidarischen Gesundheitssystems“. Eine allen Bürger:innen zugängliche soziale Gesundheitsversorgung sei alles andere als gesichert. Die demografische Entwicklung mit einer wachsenden und älter werdenden Bevölkerung, der Ärzt:innenmangel im öffentlichen Bereich, die negativen Auswirkungen von Kostendämpfungspfaden sowie die mit solchen Entwicklungen einhergehende sinkende Attraktivität des öffentlichen Gesundheitswesens seien Herausforderungen, denen sich die österreichische Gesundheitspolitik stellen müsse. „Werden seitens der Politik und der ÖGK nicht rasch und entschlossen geeignete Maßnahmen getroffen, gerät unser bewährtes solidarisches Gesundheitssystem in eine gefährliche Schieflage mit rasch abnehmender Versorgungsqualität und -sicherheit.“ Die Österreichische Ärztekammer will deshalb am kommenden Mittwoch erneut ihr „Gesundheitsprogramm“ vorlegen und Vorschläge und Forderungen für ein gut ausgestattetes Gesundheitssystem präsentieren. (rüm)