Aufregung nach ÖGK-Vorschlag zu Wahlärzten

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Andreas Huss, Arbeitnehmer-Vertreter und aktuell Vizeobmann der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), rüttelt erneut am System der Wahlärzte. Die Ärztekammer zeigt sich ablehnend.

Huss plädiert dafür, auf das deutsche System umzustellen, wo es entweder Ärzte im Kassensystem oder reine Privatärzte gebe. „Ich würde das System der Wahlärzte abschaffen – das passt nicht mehr“, sagte Huss. Er will damit den wachsenden Schwierigkeiten bei der Nachbesetzung offener Kassenstellen gegensteuern. Eingeführt worden seien Wahlärzte zu einer Zeit, als es mehr Mediziner als offene Stellen gab: „Da hat man gesagt: Bevor ausgebildete Ärzte Taxi fahren müssen, sollen sie lieber als Wahlarzt tätig sein.“ Das habe sich mittlerweile radikal geändert. „Wir haben zu wenige Mediziner im öffentlichen Gesundheitssystem“, sagte der Vizeobmann der ÖGK.

Patienten, die in Deutschland einen Privatarzt besuchen, bekommen laut Huss keinerlei Kostenersatz von der Sozialversicherung. Bei Wahlärzten in Österreich erstatten die gesetzlichen Krankenkassen den Patienten 80 Prozent des üblichen Kassentarifes. „Wenn Ärzte sich entscheiden, nur ihre eigenen Patienten zu behandeln, dann sollen sie auch bei uns keine Zahlungen mehr aus dem öffentlichen Gesundheitssystem beziehen“, bezog er sich auf dieses Vorbild: „Wenn wir das so ändern, werden wir auch genügend Ärzte im Kassensystem haben.“ Andernfalls werde die Zahl der Wahlärzte weiter zunehmen, die Zahl der Kassenärzte weiter abnehmen: „Dann haben wir irgendwann nur noch Wahlärzte.“

Die Ärztekammer reagierte erwartbar kritisch: „Auch Wahlärztinnen und Wahlärzte haben eine eminent wichtige Funktion in unserem Gesundheitssystem – in ländlichen Bereichen etwa, in denen es keinen Kassenarzt mehr gibt, sind sie oft die einzige Option für die Menschen dort für den niederschwelligen Zugang zum Gesundheitsversorgung“, betonte Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer. „Der starke Trend hin zum Wahlarztbereich ist Ausdruck dafür, dass es im Kassenbereich Probleme gibt. Ärztinnen und Ärzte wollen sich Zeit für ihre Patientinnen und Patienten nehmen können, sie wollen Familie und Beruf unter einen Hut bekommen können. Das sind die Punkte, bei denen die ÖGK herzlich eingeladen ist, endlich Verbesserungen zu schaffen, anstatt zu versuchen, einen Keil in die Ärzteschaft zu treiben“, kommentierte Szekeres.

„Das Abschaffen der Wahlärztinnen und Wahlärzte wird überhaupt nichts bringen“, sagte auch Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte. „Die jungen Ärztinnen und Ärzte zeigen dem System die kalte Schulter, weil dieses völlig veraltet und verstaubt ist. Es braucht dringend bessere Möglichkeiten der Zusammenarbeit, flexiblere Anstellungsmöglichkeiten, eine Kombination von Wahl- und Kassenarztmöglichkeit, weniger Bürokratie, und vieles mehr. Da soll die ÖGK zuerst einmal aufräumen, bevor sie einen ganzen freien Berufszweig abschaffen will. Das haben wir der ÖGK auch schon x-mal ausgerichtet. Aber die einzige Antwort, die wir von der ÖGK zu den Problemen im kassenärztlichen Bereich bekommen, ist immer nur die Attacke auf die Wahlärztinnen und Wahlärzte. Diese Platte hat schon einen gehörigen Sprung“, konstatiert Steinhart. Er empfehle zudem einen Blick in das scheinbare kassenärztliche Vorzeigeland Deutschland: Dort werden Studien zufolge bis zum Jahr 2035 ungefähr 11.000 Hausärzte fehlen. (red)