Aufregung um mehr Kompetenzen für Apotheken

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Das Gesundheitsministerium plant eine Reform des Apothekengesetzes. Es soll auch mehr Kompetenzen bei Testungen geben. Die Ärztekammer läuft Sturm.

Nach knapp 40 Jahren soll das Apothekengesetz grundlegend reformiert werden. Der Gesetzesentwurf wurde am Freitag vom Gesundheitsministerium in Begutachtung geschickt. Damit sollen Apotheken künftig mehr Kompetenzen erhalten. Sie dürfen Medikationsanalysen und einfache Gesundheitstests wie Blutdruckmessungen durchführen. Außerdem werden die Öffnungszeiten deutlich flexibilisiert. Die Einrichtung von ausgelagerten Abgabestellen und Filialapotheken wird erleichtert. Das soll die Versorgung der Bevölkerung im ländlichen Bereich verbessern. „Die österreichweit 1400 Apotheken sind für viele Menschen erste Anlaufstelle in Gesundheitsfragen. Mit dem neuen Gesetz können wir die hohe Kompetenz der Mitarbeiter:innen noch besser nützen“, betont Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne). Das Gesetz soll Anfang nächsten Jahres in Kraft treten. Offen ist bei all den Punkten allerdings die Finanzierung, für die wohl Kassenverträge nötig sein werden.

Wesentlicher Eckpunkt der Novelle ist die Möglichkeit, einfache Gesundheitstests in Apotheken anzubieten. So sollen etwa Blutdruck- oder Blutzuckermessungen, aber auch Analysen von Harnproben und weiteren körpereigenen Stoffen durchgeführt werden. Wie etwa die Abgabe von Harnproben in der Praxis in Apotheken durchgeführt werden soll, ist noch offen. Klargestellt wird außerdem, dass Apotheker:innen auch Medikationsanalysen für die Patient:innen durchführen dürfen. So sollen mögliche Wechselwirkungen von Medikamenten aufgezeigt werden.

Der Gesetzesentwurf sieht außerdem eine deutliche Ausweitung und Flexibilisierung der Öffnungszeiten vor. Die zulässige Gesamtöffnungszeit wird von 48 auf maximal 72 Stunden pro Woche angehoben. Apotheken können werktags zwischen 6 und 21 Uhr und samstags zwischen 6 und 18 Uhr öffnen. Apotheken können künftig auch Abgabestellen mit eingeschränktem Angebot und Öffnungszeiten betreiben, wenn es in ihrem Versorgungsgebiet Ortschaften ohne eigene Apotheke oder ärztliche Hausapotheke gibt. Die Zahl der Filialapotheken wird zudem von eine auf maximal drei erweitert. Nicht im Paket enthalten ist offenbar die von der Apothekerkammer geforderte Möglichkeit zur Impfung in Apotheken und die Erweiterung des Notfallparagraphen zur Abgabe bei Medikamenten bei Lieferproblemen.

Die Regierung hofft, dass der niedergelassene Bereich durch das Angebot entlastet wird. „Apotheken sind oft die erste Anlaufstelle bei gesundheitlichen Problemen. Sie bieten kompetente Beratung, spontan und ohne Termin. In der Pandemie haben wir gesehen, was sie leisten: Die Apotheken haben in kürzester Zeit ein landesweites Netz für Testungen aufgebaut, das die Bevölkerung gut annahm. Die Erweiterung der Kompetenzen ist ein logischer Schritt und ein großer Gewinn für die wohnortnahe Versorgung – gerade am Land“, sagt Rauch.

Die Österreichische Ärztekammer sieht das naturgemäß anders. „Anstatt die wohnortnahe, ärztliche Versorgung tatsächlich zu stärken, soll also nun vieles an die Apotheken ausgelagert werden“, kritisiert Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer: „Das ist aber der falsche Weg, ein Pharmazeut ist kein Arzt, der seine Patienten nun einmal am besten kennt und daher bestens versorgen kann“, betont der ÖÄK-Präsident. „Alleine diese Gesundheitstests durch nicht-ärztliches Personal als Verbesserung für die wohnortnahe Versorgung zu bezeichnen, ist entlarvend“, unterstreicht Steinhart. Als positiv beurteilt er die geplante Ausweitung der Apotheken-Öffnungszeiten: „Das ist ein Schritt in die Richtung besserer Serviceleistungen.“

„Die Entlastung des niedergelassenen Bereichs erfolgt nicht über die Kompetenzerweiterung bei Apotheken, sondern über den Ausbau der öffentlichen Gesundheitsversorgung im niedergelassenen Bereich, der bis heute offenbar ein bloßes Lippenbekenntnis ist“, kritisiert Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte. Zudem zeigt sich Wutscher davon irritiert, dass die Ärztinnen und Ärzte in die Reformüberlegungen nicht involviert wurden: „Beim gemeinsamen Ziel, die öffentliche Gesundheitsversorgung zu stärken, sollte eigentlich klar sein, dass die Ärztinnen und Ärzte bei entsprechenden Gesprächen und Überlegungen mit an Bord sind“, sagt Wutscher. Um die öffentliche Gesundheitsversorgung gerade im ländlichen Raum zu stärken, müsste auch ein Umdenken bei den ärztlichen Hausapotheken stattfinden. „Ärztliche Hausapotheken sind gerade im ländlichen Bereich die optimale Lösung für die wohnortnahe Versorgung, aber sie werden weiter aktiv reduziert“, kritisiert Wutscher. „Den Ärztinnen und Ärzten die Möglichkeit zu nehmen, gerade im ländlichen Raum ihre Patienten direkt, etwa bei einem Hausbesuch, mit den Medikamenten zu versorgen, aber gleichzeitig ausgelagerte Abgabestellen und Filialapotheken auszubauen, das ist definitiv der falsche Weg“, warnt Wutscher. (rüm)