Das beste Gesundheitssystem der Welt?

© Tanzer

Die Diskussionen der vergangenen Wochen im Gesundheitswesen zeigen, dass wir noch immer nicht bereit sind, uns den wirklichen Problemen zu stellen. Stattdessen wird weiter versucht, das System schönzureden.

Nichtlieferbare Medikamente, fehlende Ärzt:innen, Apotheker:innen und Pflegekräfte, Chaos in Arztpraxen, überfüllte Notaufnahmen, Krankenhausstationen am Limit, Pflegenotstand – im Gesundheitssystem herrschen dramatische Zustände, die man vor der Pandemie noch nicht für möglich gehalten hat. Oder besser gesagt: man hat sie zwar geahnt, sie aber einfach schöngeredet.

Österreich, so hörte man seit Jahren und hört es auch jetzt noch, habe „das beste Gesundheitssystem der Welt“. Das darf angesichts der zunehmend sichtbar werdenden Problem mehr als nur bezweifelt werden. Oder anders gesagt: Die Aussage ist schlicht falsch. Und sie wird auch durch Wiederholung nicht besser, nur peinlicher. Betrachten wir die Daten im Detail so zeigt sich – abgesehen davon, dass wir über wenig wirkliche Informationen verfügen – dass wir nicht nur weltweit nicht an der Spitze liegen, sondern auch nicht europaweit.

Das ist nicht Schuld der Beschäftigten im System, sie bemühen sich mit Kräften. Und genau hier liegt das Problem, denn das System honoriert genau das nicht. Weder Zuwendung, noch Aufklärung oder Menschlichkeit und schon gar nicht die Patient:innen stehen im Zentrum der Struktur des Gesundheitswesens, sondern das Geld. Einerseits weil alle – Bund, Länder und Krankenversicherungen – angehalten sind, die Ausgaben nur minimal steigen zu lassen, andererseits weil alle versuchen privatwirtschaftlich zu agieren und damit versuchen, die Gewinne zu maximieren. Wohin es führt, wenn man einerseits versucht die Ausgaben einzudämmen und andererseits die Profite zu erhöhen, sehen wir jetzt: Es geht auf die Kosten der Beschäftigten und der Versorgung der Menschen.

Die Rezepte, die wir allerdings hören, lauten nicht neue Beitragsquellen zu finden oder die Einnahmen insgesamt zu erhöhen, sondern nur dass das System noch effizienter werden soll. Oder anders formuliert: mit noch weniger Geld noch besser auszukommen. Und damit niemand auf die Idee kommt, das in Frage zu stellen, transportieren Expert:innen, Berater:innen und wirtschaftsliberale Politiker:innen das Dogma, dass das Gesundheitswesen zu teuer und unfinanzierbar ist. Das Gegenteil ist das Fall: Vor der Pandemie stagnierte der BIP-Anteil der Gesundheitsausgaben jahrelang konstant bei rund 11%. Die Beitragssätze in der sozialen Krankenversicherung wurden über Jahrzehnte nicht erhöht, sondern sogar leicht gesenkt. Wenn wir das System reformieren wollen, müssen wir uns als Gesellschaft fragen, welche Leistungen wir haben wollen. Und wir müssen uns fragen, wie viel uns Gesundheit und die Arbeit der Menschen im System wert sind. (rüm)