Das schlagen Experten im Umgang mit Corona-Fake News vor

Wer von Fake News so verunsichert ist, dass er sich vor der Covid-19-Impfung fürchtet, solle sich von seinem niedergelassenen Arzt beraten lassen, schlägt Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres vor. Auch andere Vorschläge gegen Desinformation werden präsentiert.

Für Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres ist es enttäuschend, dass „der einzige Schlüssel, um die Pandemie einzudämmen“, – nämlich die Impfung – so inkonsequent genutzt wird. In Dänemark könne man dank einer Durchimpfungsrate von über 80 Prozent die Covid-19-Maßnahmen zurücknehmen, in Österreich müsse man die Restriktionen wegen der geringen Impfbereitschaft wieder hochfahren. „Ich verstehe gar nicht, wieso es so schwierig ist, die Menschen zu überzeugen“, sagt Szekeres. Als Hauptgrund für die Impfskepsis ortet er Fake News. „Zum Beispiel Unsinn, wegen der Impfung keine Kinder mehr bekommen zu können, oder dass man davon impotent wird“, erklärte er: „Es muss uns gelingen, die Leute besser aufzuklären.“

Aus seiner Sicht sollten die niedergelassenen Mediziner dabei eine große Rolle spielen. Da die Covid-19-Impfungen weltweit milliardenfach verabreicht wurden, gäbe es kaum eine Behandlung, bei der man so viele Daten und Erfahrung habe, sagt Szekeres. „Wenn Sie Zweifel haben, gehen Sie zum Arzt ihres Vertrauens, er wird ihnen erklären, wie die Situation ist“, rät der Präsident der Österreichischen Ärztekammer den Menschen. „Viele Leute haben auch persönlichen Kontakt mit Menschen aus Gesundheitsberufen, sie sollten die Gelegenheit nutzen, um sie zu fragen, wie das mit der Impfung so ist“, empfiehlt Gabriele Jaksch vom Dachverband der gehobenen medizinisch-technischen Berufe Österreichs (MTD-Austria). Brigitte Ettl von der Österreichischen Plattform Patientensicherheit schlägt vor, dass die großen Gesundheitsorganisationen „die Kanäle beobachten, wo viele unrichtige Sachen verbreitet werden, wie Facebook, Twitter und Co“. Sie sollten dort die Fakten professionell und einfach verständlich darlegen für Patienten, Nicht-Erkrankte und die verschiedensten Bevölkerungsgruppen.

Eine der häufigsten Taktiken, mit denen Impfkritiker die Ablehnung der Impfung zu rechtfertigen versuchen, ist das Absprechen der Wirksamkeit. Hier werden meist sämtliche wissenschaftlich bestätigten Erfolge der Corona-Vakzine ignoriert und einzelne Zahlen hervorgeholt, die dazu geeignet sind, ihre Ablehnung zu rechtfertigen. So ist es etwa schlüssig, wenn sich mit einer hohen Impfrate in der Bevölkerung auch der Anteil der Geimpften unter den Hospitalisierungen erhöht. Impfgegner verweisen aber häufig rein auf die absoluten Zahlen Geimpfter in Spitälern. Dass vonseiten der Wissenschaft immer wieder darauf hingewiesen wird, dass Impfungen einen sehr hohen, aber keinen hundertprozentigen Schutz bieten, wird zugunsten der Schlagkraft ihrer Falschbehauptungen verschwiegen.

Darüber hinaus wird oft mit der Angst der Menschen vor Langzeitfolgen gespielt. Diese entsteht dadurch, dass es derzeit noch niemanden gibt, der bereits vor Jahren eine Corona-Impfung erhalten hat. Der wissenschaftliche Konsens ist jedoch, dass sich lang anhaltende Nebenwirkungen von Impfungen höchstwahrscheinlich bereits Wochen nach der Impfung zeigen würden. Unsicherheit entsteht auch durch den erstmaligen massenhaften Einsatz von mRNA-Impfstoffen, deren Funktionsweise komplett anders ist wie bei anderen Impfstoffen. Während anfangs noch viele Menschen verunsichert waren und teilweise Falschbehauptungen kursierten, dass der Impfstoff die DNA ändern könnte, konnten sich mRNA-Impfstoffe mit ihrer hohen Effektivität mittlerweile ein hohes Standing erarbeiten. Zudem werden oft Impfreaktionen mit Impfschäden gleichgesetzt. Bis jetzt wurde in Österreich überhaupt nur ein Todesfall kausal mit der Corona-Impfung in Zusammenhang gebracht.

Sehr aufgeheizt ist die Stimmung, wenn es um Impfungen für Kinder geht. Hier beharren Impfgegner auf einem durchaus schlagkräftigen Argument, denn das Verhältnis zwischen Risiko und Nutzen ist bei Kindern tatsächlich anders zu bewerten als bei anderen Altersgruppen. Gerade in Österreich ist das Risiko auf schwere Verläufe oder sogar Todesfälle bei Kindern aufgrund der guten medizinischen Versorgung und einer guten Diagnostik sehr gering. Dennoch wäre eine hohe Impfquote unter Kindern für das Pandemiegeschehen vermutlich hilfreich, da Kinder das Virus natürlich an Ältere weitergeben können. Diese ethische Diskussion um gesamtgesellschaftliche Vorteile durch Impfungen bei Kindern wird meist polemisch hinter dem Argument des individuellen Kindeswohles versteckt.

Ein anderes Thema ist das Problem mit der Entscheidungsfreiheit: Die Corona-Impfung ist für jeden Menschen eine freie Entscheidung. Tatsächlich wählt man hier aber nicht zwischen Impfen und Nicht-Impfen, sondern zwischen Impfen und Corona-Infektion. Virologinnen und Virologen warnen nämlich, dass sich beinahe jeder früher oder später mit dem Virus infizieren wird und damit für Ungeimpfte im Vergleich zur Impfung viel höhere Risiken zu tragen wären. Impfgegner erkennen dieses Dilemma nicht oder verharmlosen es. So wird nach wie vor damit argumentiert, dass Covid-19 nur eine Grippe sei oder gar nicht existiere. Impfgegner werden aber auch nicht müde, darauf zu verweisen, dass für Geimpfte die Pandemie doch noch nicht vorbei ist. So teilen sie oft mit Häme Berichte, dass in einigen Fällen dennoch Masken- oder Testpflicht gilt. Für Aufsehen sorgte auch die äußerst kuriose, aber dennoch weitverbreitete Theorie, dass Geimpfte den Impfstoff wie ein Virus durch Kontakt mit anderen Menschen weitergeben können – eine Vorstellung, die bei vielen Impfkritikern Besorgnis auslöste.

In den Fokus rückte auch der beschleunigte Zulassungsprozess. Zwar stimmt es, dass viele Phasen in der Herstellungsphase, die normalerweise Monate dauern würden, angesichts der drängenden Pandemie-Lage schneller abgewickelt wurden. Allerdings wurden alle notwendigen Schritte auch in der gleichlangen Zeit durchgeführt wie sonst und die Sicherheit der Impfstoffe abgeklärt – nur wurden einige Schritte parallel und nicht hintereinander gesetzt. Studiendaten wurden etwa fortlaufend an die Zulassungsbehörden gemeldet und nicht am Ende der Studie. Übersehen wird auch der der Fakt, dass an Coronaviren seit Jahren geforscht wird und auch dadurch eine schnelle Produktion von Impfstoffen möglich gewesen ist.

Teilweise nahmen Behauptungen rund um Impfstoffhersteller auch skurrile Ausmaße an, beispielsweise als Unternehmensnamen falsch übersetzt und interpretiert wurden, um den Konzernen böse Absichten unterstellen zu können. Der Name des britisch-schwedischen Konzerns AstraZeneca wurde etwa dem Lateinischen zugeschrieben und in verschiedenen Versionen mit „Sterne töten“ oder „Eine Waffe, die tötet“ übersetzt, was das Unternehmen dazu bewog, seine Namensherkunft offen zu legen. Auch die Impfstoffhersteller Biontech und Moderna waren von Fehlinterpretationen ihrer Namen betroffen. (red/APA)