Debatte über Krankenstände geht weiter

@ Elisabeth Mandl ÖGB

Der Gewerkschaftsbund weist Wirtschaftskanner-Forderungen nach strengeren Kontrollen zurück: „Kranke gehören ins Bett – nicht unter Verdacht!” Der Wirtschaftskammer wird „Irreführung“ vorgeworfen.

Die Debatte über vermeintlich hohe Krankenstandszahlen geht weiter. „Die Forderung der Wirtschaftskammer nach strengeren Krankenstandskontrollen ist ein inakzeptabler Versuch, Millionen Arbeitnehmer:innen pauschal zu verurteilen“, betont Claudia Neumayer-Stickler, Leiterin des gesundheitspolitischen Referats im ÖGB und Co-Vorsitzende des Dachverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger. „Wer krank ist, soll die Zeit haben gesund zu werden. Mit pauschalem Misstrauen erreicht man nichts, außer dass Menschen noch häufiger krank in die Arbeit gehen“, so die Gewerkschafterin.

Das eigentliche Problem heiße Präsentismus – also Arbeiten trotz Krankheit. Befragungen zeigen, dass etwa 60 Prozent der Beschäftigten in Österreich krank in die Arbeit gehen. „Das ist brandgefährlich und kann volkswirtschaftlich teurer kommen als Krankenstände“, warnt Neumayer-Stickler. Denn damit werden nicht nur Krankheiten verschleppt und langfristige Schäden riskiert, sondern in vielen Fällen auch Kolleg:innen angesteckt. Besonders betroffen sind Branchen mit starkem Zeitdruck und schlechten Arbeitsbedingungen wie Handel, Tourismus oder Gesundheit und Soziales.

„Statt Beschäftigte unter Generalverdacht zu stellen, muss die Politik dort ansetzen, wo die Probleme oftmals entstehen: bei den Arbeitsbedingungen“, fordert Neumayer-Stickler abschließend: „Wir brauchen Gesundheitsschutz statt Kontrolldruck und Respekt statt populistischer Parolen. Wer krank ist, soll gesund werden dürfen – alles andere ist unsozial und gefährlich.“

Die Gewerkschaft vida fährt noch härtere Kritik auf. Sie hat sich auch an das Wirtschafts- und Arbeitsministerium mit der Bitte gewandt, ein aufsichtsbehördliches Verfahren gegen die WKÖ einzuleiten. Auslöser ist ein Bericht der Tageszeitung „Der Standard“ vom 1. Oktober, wonach die Wirtschaftskammer vorrechnet, dass missbräuchliche Krankenstände der Wirtschaft jährlich bis zu 8,5 Milliarden Euro an Wertschöpfungsverlusten kosten würden. Für die vida ist der Fall klar: „Dieses Vorgehen der WKÖ erfüllt den Tatbestand der bewussten Irreführung der Öffentlichkeit und der WKÖ-Mitglieder“, schreibt sie am Donnerstag in einer Aussendung. „Diese Zahl ist nachweislich falsch im Kontext des Missbrauchs. Die 8,5 Milliarden Euro stammen laut WIFO-Fehlzeitenreport für das Jahr 2023 und beziehen sich auf die Gesamtkosten, die durch alle gemeldeten Krankenstände – also sowohl durch die berechtigten als auch durch die unberechtigten – entstehen“, so vida-Vorsitzender Roman Hebenstreit in dem Offenen Brief. Hebenstreit fordert darin, ein aufsichtsbehördliches Verfahren gegen die WKÖ einzuleiten, „um die Umstände dieser Falschmeldung zu klären“. Er begründet dies damit, dass “die vorsätzliche oder grob fahrlässige Verbreitung unwahrer Tatsachen durch eine Körperschaft öffentlichen Rechts” dem Gebot der Gesetzmäßigkeit widerspreche. (red)