Forschung: Lichtblicke für neurodegenerative und Stoffwechselerkrankungen

Eine Wiener Forschungsgruppe hat ein neues, RNA-modifizierendes Enzym in der Zelle entdeckt. Es könnte eine wichtige Rolle bei zellulären Stressreaktionen spielen. Diese sind bei verschiedenen neurodegenerativen und Stoffwechselerkrankungen von Bedeutung.

Forschende der Gruppe von Javier Martinez an den Max Perutz Labs, ein Joint Venture der Medizinischen Universität Wien und der Universität Wien, haben eine einzigartige chemische Reaktion am Ende von RNA-Molekülen zum ersten Mal in menschlichen Zellen nachgewiesen. Diese Reaktion war bisher nur in Bakterien und Viren bekannt. Auf der Suche nach deren Ursprung in Tausenden von Proteinen sind die Forschenden dem Enzym „ANGEL2“ auf die Spur gekommen. Die im Top-Journal „Science“ veröffentlichte Studie zeigt, dass „ANGEL2“ eine wichtige Rolle bei zellulären Stressreaktionen spielen könnte. Diese sind bei verschiedenen neurodegenerativen und Stoffwechselerkrankungen von Bedeutung.

Ribonukleinsäure (RNA) kann beispielsweise die im Erbgut enthaltene genetische Information in Proteine, die Arbeitspferde der Zelle, umwandeln. RNA besteht aus einer Kette von Bausteinen, sogenannten Nukleotiden, die auch Zuckergruppen enthalten. In der letzten Zuckergruppe einer RNA-Kette befinden sich chemische Modifikationen, die für eine Vielzahl von zellulären Prozessen von entscheidender Bedeutung sind. Das Team von Javier Martinez untersuchte zunächst, wie eine dieser Modifikationen, eine zyklische Phosphatgruppe, gebildet wird. Später identifizierten die Forscher aber eine Reaktion in menschlichen Zellen, die diese Modifikation entfernt. Das für diese Reaktion verantwortliche Enzym war jedoch bislang unbekannt. Mithilfe von Proteinreinigungstechniken begaben sich die Wissenschaftler der Max Perutz Labs auf die Spur dieses mysteriösen Enzyms, erklärt die Doktorandin und Erstautorin Paola Hentges Pinto. Schließlich identifizierte sie, zusammen mit Co-Autor Stefan Weitzer, „ANGEL2“ als das gesuchte Enzym. Nach der Klärung der Funktionsweise im Rahmen einer Zusammenarbeit mit Martin Jinek und Alena Kroupova an der Universität Zürich konnten die Forscher die „ANGEL2“-Menge in Zellen experimentell verändern. Auf diese Weise konnten sie wichtige Hinweise auf dessen biologische Funktion gewinnen. „ANGEL2“ ist an einer Stressreaktion beteiligt, der sogenannten UPR (Unfolded Protein Response). „Wir konnten letztendlich zeigen, dass ‚ANGEL2‘ die UPR reguliert. Das ist eine bedeutende Erkenntnis, da Störungen der UPR bei neurodegenerativen und Stoffwechselkrankheiten eine Rolle spielen“, schlussfolgern die Forschenden. Diese Erkenntnis liefert auch die Grundlage für einen möglichen therapeutischen Ansatz bei Erkrankungen, die im Zusammenhang mit der UPR stehen. (red)

Zur Studie:

https://science.sciencemag.org/cgi/doi/10.1126/science.aba9763