In den kommenden drei Wochen ist RELATUS MED in den Bundesländern unterwegs und fragt, welche Herausforderungen es jeweils im ärztlichen Bereich gibt und wie versucht wird, ihnen zu begegnen.
Peter Niedermoser, Präsident der Ärztekammer Oberösterreich, erklärt im RELATUS-Interview, wie man junge Mediziner:innen wieder für den Beruf begeistern kann.
Welche Themen beschäftigen die oberösterreichischen Ärzt:innen derzeit am meisten? Dieselben wie auch den Kolleg:innen in den anderen Bundesländern. Wir haben zweieinhalb Jahre Corona hinter uns, was uns in den Spitälern und im niedergelassenen Bereich sehr gefordert hat. Da ist man in gewissen Bereichen erschöpft. Die andere Thematik ist der Pflegemangel. Abteilungen können deshalb nicht in der Art und Weise bespielt werden, wie man es sich wünscht. Im ärztlichen Bereich muss für viele Dinge eingesprungen werden, auch wegen der höheren Ausfallsraten innerhalb der Kolleg:innenschaft. Das ist natürlich unsere Aufgabe, aber nach zweieinhalb Jahren Höchstbelastung und einer nicht passenden Personalstruktur schlägt sich das nieder, da fehlt die Energie. Das spürt man und das hört man auch von Kolleg:innen.
Was sollte man Ihrer Meinung nach jetzt tun, um dem entgegenzuwirken? Die Frage ist, woher wir die Ärzt:innen bekommen. Ich bin Pathologe und dieses Fach ist, gelinde gesagt, nicht überrannt, da geht es vielen Fächern so. Man muss klar und deutlich sagen, dass es in dieser Art und Weise nicht mehr die Leistung geben wird, die wir gewohnt sind. Das ist nichts Neues, da sind in den vergangenen Jahren schon Fehler begangen worden. Die Akademisierung der Pflege wurde von der Ärztekammer immer bemängelt, weil es dadurch zu einem Pflegemangel kommen wird, und das sehen wir jetzt. Die Pflegereform, die vor Kurzem vorgestellt wurde, setzt mit einer finanziellen Unterstützung eine gute Maßnahme, um Späteinsteiger:innen zu motivieren. Aber es braucht mehr innovative Ideen, um mehr Menschen in die Pflege zu bekommen. Es macht keinen Sinn, immer darüber zu reden, wie schlimm alles ist – so bekommt man keine Leute. Man muss herausstreichen, wie schön der Beruf des Arztes, der Ärztin und der Pflege sein kann. Natürlich ist er anstrengend, aber der Beruf hat immer Zukunft. Es ist anstrengend, es ist eine Leistung, aber man braucht uns. Das muss gesagt werden und ganz klar: Es müssen auch die Rahmenbedingungen verbessert werden.
Wie zum Beispiel? Man könnte sich zum Beispiel die Zugangsbeschränkungen zur Medizin ansehen. Wir haben viele angehende Ärzt:innen, sollten aber in Vollzeitäquivalenten rechnen. Keiner will noch am Freitag um sieben Uhr in der Früh in die Arbeit gehen und am Montag erst wieder rauskommen. Das wird von älteren Kolleg:innen heldenhaft geschildert, war aber ein Blödsinn. Die Jungen wollen das anders und das ist auch verständlich. Da braucht es mehr Leute, um die gleiche Arbeitslast zu tragen. Das muss in die Planung miteinberechnet werden. Hier gibt es auch ganz klar Versäumnisse von der Politik, wir wissen seit Jahren, wer wann in Pension geht und wie viele Leute wir ausbilden müssen.
Zurück nach Oberösterreich: Die Anti-Coronamaßnahmen-Partei MFG hat es in hier zum ersten Mal in einen Landtag geschafft. Wie konnte das passieren? Gibt es in Oberösterreich wirklich so viele Impf- und Maßnahmengegner:innen? Dass eine Partei im Landtag ist, ist Demokratie. Das sehe ich sehr entspannt, es ist wie es ist. Die Oberösterreichische Ärztekammer hat während der Pandemie immer dazu aufgerufen, impfen zu gehen. Es gibt viele Kolleg:innen, die sehr viel in diesem Bereich gearbeitet haben. Natürlich gibt es, wie in allen Ländern, solche, die davon abraten. Das hat möglicherweise auch mit Parteizugehörigkeiten zu tun, es hat ja doch eine Partei gegeben, die dem kritisch gegenübergestanden ist. Wir haben auch jene kennengelernt, die davon abgeraten haben oder gegen Masken waren. Da konnte man mit den gesetzlichen Vorschriften arbeiten. Ich selbst habe Impfen immer unterstützt, auch die Impfpflicht.
Würden Sie auch jetzt noch eine Impfpflicht unterstützen? Jetzt ist es eine Erkrankung, die eine Impfpflicht aufgrund der Gefährdung durch die Krankheit und Gesetzeslage nicht unterstützen würde. Ich denke, es ist am besten sich impfen zu lassen. Ich bin deshalb auch dafür, dass manche Impfungen verpflichtend sein sollten, für die Einschulung beispielsweise. Wenn ich vom Staat Geld bei der Mutter-Kind-Untersuchungen haben möchte, gibt es nun mal bestimmte Regeln.
Expert:innen haben erst kürzlich vor großen Impflücken in der österreichischen Bevölkerung gewarnt. Dahinter steckt einerseits oft fehlendes Wissen, andererseits auch Wissenschaftsfeindlichkeit. Was kann man dagegen tun? Wissenschaft ist immer eine Entwicklung, es ist kein endgültiger Punkt. Da arbeiten Leute, die ehrlich darum ringen, etwas zu verbessern. Und genau das muss man den Menschen klar und deutlich zeigen. Soziale Medien sind hier Gift. Irgendwer nimmt ein Youtube-Video auf und andere glauben das Gesagte, ohne es zu hinterfragen. Die Menschen, die in der Wissenschaft arbeiten, müssen hier ein Vorbild sein. Das sollte auch in den Schulen gezeigt werden, dass man mehrere Informationen einholen muss, dass die Wissenschaft dem jetzigen Stand entspricht und sich immer weiterentwickelt. Dass Wissenschafter:innen viel Zeit und Herzblut in ihre Arbeit stecken und sich in ihrem Fach auskennen. Und wenn es zwei Meinungen gibt, dann muss konstruktiv diskutiert werden. (Das Interview führte Katrin Grabner)