Kommentar: Prinzip Hoffnung reicht nicht, man muss was tun

Martin Rümmele ist Chefredakteur von Relatus.

Es war nicht nur die Politik, die den Sommer verschlafen hat. Eigentlich haben wir alle insgeheim gehofft, dass die Pandemie vorbei ist. Warnungen der Experten wollten die meisten nicht hören. Wir müssen lernen, dass Hoffnung kein guter Ratgeber ist. Die Politik tut das nicht.

Nach Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) hat sich am Freitagabend auch Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) bei den Österreichern für Fehler im Management der Corona-Pandemie entschuldigt. „Leider sind auch wir als Bundesregierung hinter unseren Ansprüchen zurückgeblieben. Ich möchte mich dafür entschuldigen“, hatte Mückstein formuliert. Auch die beiden ÖVP-Landeshauptleute Thomas Stelzer (Oö) und Hermann Schützenhöfer (Steiermark) haben Fehler eingestanden. Der oberösterreichische Landeschef gestand zu, dass man früher handeln hätte müssen und sein steirischer Kollege sprach von einem „erbärmlichen“ Bild. Er stelle sich natürlich auch der Frage nach der politischen Verantwortung, betonte Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP). Zurücktreten will keiner.

Den Schuldeingeständnissen ist eigentlich wenig hinzuzufügen. Was zählt sind aber nicht die Worte, sondern die Taten. Die Frage wird also sein, ob jetzt die knapp dreiwöchige Lockdown-Phase genutzt wird. Und das scheint auf den ersten Blick leider nicht der Fall zu sein. Der Epidemiologe Gerald Gartlehner hat es auf den Punkt gebracht: Mit dem Lockdown könne die vierte Welle gebrochen werden, wenn die Politik wirklich umsetze, was sie angekündigt habe, „nämlich alles zu tun, dass geimpft wird – sowohl der dritte Stich als auch die noch nicht erfolgten Erststiche. Sonst haben wir im Jänner oder Februar sicher wieder die nächste Welle“, sagte der Experte für Evidenzbasierte Medizin von der Donau-Universität Krems. Im Vorjahr hat die Regierung etwa zur gleichen Zeit ebenfalls einen dreiwöchigen harten Lockdown bis 6. Dezember verhängt, wenige Wochen später musste am 26. Dezember im dritten Lockdown erneut das öffentliche Leben völlig heruntergefahren werden.

Das Prinzip der Politik dabei, wie auch im Sommer: Hoffnung. Mit dem Vorhandensein von ausreichendem Impfstoff sei man wohl zu hoffnungsfroh gewesen, dass die Menschen auch impfen gehen, sagte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) am Sonntag im ORF. Der Bundeskanzler betonte, dass es trotz monatelanger Überzeugungsarbeit nicht gelungen sei, genug Menschen von der Impfung zu überzeugen. Jetzt bitte man die Bevölkerung in den nächsten 20 Tagen, sich noch einmal zusammenzureißen, „und ich hoffe, dass wir mit diesem Appell nie wieder in seine solche Situation kommen“, sagte er. Ähnlich argumentiert Haslauer: Er hoffe, vor Weihnachten wieder aus dem strengen Lockdown herauszukommen, sagte er.

„Eines Tages wird alles gut sein, das ist unsere Hoffnung. Heute ist alles in Ordnung, das ist unsere Illusion“, formuliert einst der französische Philosoph Voltaire. Es wird nicht reichen, darauf zu hoffen, dass sich jetzt die noch Ungeimpften impfen lassen. Und bis zum Start der Impfpflicht im Februar wird es zu spät sein. Doch auch hier regiert die Hoffnung – nämlich, dass man den Schritt gar nicht setzen muss und sich doch noch alle vorher überzeugen lassen. Allerdings passiert außer Appellen wenig. Mehr noch: man setzt wieder falsche Signale. Die Seilbahnwirtschaft etwa hat durchgesetzt, dass man trotz Lockdown offenhalten darf. Es mag zwar Sinn machen, dass die Menschen an die frische Luft gehen und sich bewegen, aber dass ausgerechnet jene Branche, die in Ischgl halb Europa den ersten Corona-Schub gegeben hat, jetzt weiter Freude signalisiert, ist das denkbar falsche Signal. Es vermittelt weiterhin, dass eh alles halb so schlimm ist. Und es ist auch das falsche Signal für den Tourismusstandort Österreich. Der wirbt nämlich im Ausland mit Natur, mit Kultur und Erholung, was aber jetzt wahrgenommen wird, ist dumpfer Brachialtourismus, der selbst in der Pandemie nur daran interessiert ist, gute Geschäfte zu machen – um nicht zu sagen, Gäste abzuzocken. Nachtrag: Der Skibetrieb in Ischgl wird nun doch ab 3. Dezember aufgenommen – selbstverständlich mit allen Corona-Vorsichtsmaßnahmen. Noch Fragen? (rüm)