„Lieferengpässe bleiben uns erhalten“

Die AGES Medizinmarktaufsicht hat mit DI Dr. Günter Waxenecker einen neuen Leiter. RELATUS sprach mit ihm über Lieferengpässe und die Zulassung neuer Medikamente.

Wie groß ist das Problem der Lieferengpässe aktuell und wo sehen Sie die Ursachen dafür? Es ist ein großes Thema und es ist zu befürchten, dass es uns erhalten bleibt, weil die Ursachen komplex sind. Wir sehen ja im Vertriebseinschränkungsregister, welche Ursachen angegeben werden. Die Probleme sind vielfältig: nicht nur fehlende Wirkstoffe oder die Produktion in Asien, sondern auch bei der Herstellung in Europa etwa durch fehlende Hilfsstoffe oder Packungsmaterialien gibt es Engpässe. Wir haben auch im Arzneimittelbereich eine sehr ausgefeilte Logistik und Just-in-time-Produktion, wie in vielen anderen Wirtschaftsbranchen. Es macht aber einen Unterschied, ob ich sechs Monate auf ein neues Auto oder auf ein Arzneimittel warte.

Welche Lösungswege schlagen Sie vor? Es wird niemand alleine lösen können, es geht nur über ein konstruktives Zusammenarbeiten aller. Dazu kommt, dass wir von einem globalen Markt reden, der bedient wird. Deshalb gibt es bereits seit 2018 die Taskforce Lieferengpässe. Und wir haben das Vertriebseinschränkungsregister, wo auch ein Parallelexportverbot möglich gemacht wird. Zulassungsinhaber:innen sind verpflichtet, mitzuteilen, wenn mehr als 14 Tage nicht geliefert werden kann, oder die Verfügbarkeit mehr als vier Wochen eingeschränkt ist. Das hilft deshalb, weil ja dazwischen der Großhandel und die Apotheken sind, die teilweise noch Lager haben.

Die Wirtschaft fordert Preiserhöhungen. Deutschland ist vorgeprescht. Ist das eine Lösung? Als Zulassungsbehörde haben wir eine Abgrenzung zu Erstattung. Wir müssen uns um die Wirksamkeit, Sicherheit und die Qualität von Arzneimitteln kümmern. Es ist wichtig, eine europäische Lösung zu finden. Wir hoffen hier auf Änderungen in der Gesetzgebung, die sich eine bessere Versorgungssicherheit zum Ziel gesetzt hat. Wir benötigen jedenfalls eine breite Lösung. Gerade bei Generika gibt es auch großen Druck am Markt, wo man auch Lösungen finden muss, während bei innovativen Produkten die Versorgungslage generell gut ist. Für die europäische Gesetzgebung ist es gewissermaßen die Quadratur des Kreises hier die Versorgungssicherheit über die ganze Bandbreite an Arzneimitteln zu gewährleisten. Wir sehen hier ja auch einen Wendepunkt bei uns als Zulassungsbehörde, wo wir bislang lediglich die Verfahrenszahl – also die Anzahl der Zulassungen – zählen. Um vorsorglich Gegenmaßnahmen bei Lieferengpässen wahrnehmen zu können, benötigen wir aber Information über Marktanteile bzw. die dahinterliegenden Mengen an umgesetzten Packungen.

Was wird die AGES tun? Es geht auch um das Thema Informationsfluss. Wir als Medizinmarktaufsicht können ja keinen Wirkstoff herstellen, sondern nur den Informationsfluss verbessern und Schnittstellen zur Verfügung stellen, mit denen die Gesundheitsdienstanbieter arbeiten können. Ärzt:innen können direkt an unser Register über die Lieferengpässe und Liefereinschränkungen angebunden werden. Wir stellen bereits die EDV-Schnittstellen dafür zur Verfügung. Es wäre Sache der Ordinations-EDV-Programmhersteller, dies in ihre Software zu integrieren. Dann könnten die Ärzt:innen in die Lage versetzt werden, passende Präparate auch gemäß der Erhältlichkeit in den Apotheken zu verschreiben. (Das Interview führte Martin Rümmele)