Nationalrat beschließt umstrittene Änderung bei der Ärzteliste

© Parlamentsdirektion / Johannes Zinner

Ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs aus dem Vorjahr war primäres Motiv für einen von ÖVP und Grünen eingebrachten Entwurf auf Änderung des Ärztegesetzes, der vom Nationalrat mehrheitlich angenommen wurde. Die Ärztekammer sieht ihre Selbstverwaltung beschnitten.

Der VfGH erachtete im Ärztegesetz vor allem als unzulässig, die Ärztekammern in den Bundesländern mit der Führung der Ärzteliste zu betrauen, da sie Körperschaften öffentlichen Rechts im Rahmen der Landesvollziehung, jedoch keine dem Landeshauptmann unterstellten Landesbehörden sind. Neben der Reparatur dieser Bestimmung sieht die Novelle zudem auch vor, dass die Österreichische Ärztekammer aus Gründen des Patientenschutzes, der Qualitätssicherung und der Transparenz eine Website einzurichten hat. Darin wird ein Teil der für die Führung der Ärzteliste erforderlichen Daten öffentlich gemacht. Die Ärzteliste-Verordnung soll künftig wieder der Gesundheitsminister selbst erlassen, um eine bestmögliche Steuerung durch die oberste Verwaltungsbehörde sicherzustellen. Um die Reparaturfrist des VfGH einzuhalten, sollen die Gesetzesänderungen mit 1. September 2020 in Kraft treten.

Dazu brachten die Regierungsfraktionen auch einen mehrheitlich angenommenen Entschließungsantrag ein, in dem Gesundheitsminister Anschober ersucht wird, bis längstens 30. Juni 2021 eine datenschutzkonforme Regelung vorzulegen, die sich auf den Zugang von entsprechend zu definierenden Daten aus der Ärzteliste und der Ausbildungsstellenverwaltung der Österreichischen Ärztekammer bezieht. Man habe so Zeit, mit der Ärztekammer weitergehende Lösungen zu finden. Als Transparenzpaket bezeichnete der Gesundheitssprecher der Grünen, Ralph Schallmeiner, die eingebrachte Gesetzesänderung. Denn die Ärzteliste werde auf einer Homepage öffentlich gemacht, zudem soll auch transparent gemacht werden, wenn Ärzte von der Liste entfernt werden. Die Befristung begründete er mit einer Reihe an offenen Fragen, die es bis dahin vor allem mit der Ärztekammer zu klären gelte. Zustimmung erhielt die Änderung von SPÖ und FPÖ. SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher erklärte, er sei dankbar, dass es nun Zeit gebe, das Thema zu diskutieren. Gerhard Kaniak (FPÖ) bezeichnete die Datenbasis der Ärzteliste als notwendigen und überfälligen Reformschritt für die künftige Planung und Steuerung des Gesundheitswesens. Werner Saxinger (ÖVP) erklärte in der Debatte den Wunsch der Länder nach Daten aus der Ärzteliste zum Zweck der Planungssicherheit als legitim. Gleichzeitig äußerte er aber Verständnis für die Sorge der Ärztekammer, die Kompetenz für Ausbildungsstellen und die Ausbildungsqualifikation den Ländern zu übertragen.

Die Ärztekammer kritisierte, dass die Novelle ohne ernsthafte Gespräche mit ihr beschlossen wurde. „Einmal mehr wurden unsere Argumente nicht berücksichtigt – wieder wurde einfach drübergefahren“, kritisiert Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer. „Die ärztliche Selbstverwaltung wurde beschnitten, uns wurden Kompetenzen weggenommen, gleichzeitig bleiben aber die Kosten auch in Zukunft bei der Ärztekammer.“ Der Beschluss sei ein Angriff auf den freien Beruf des Arztes, sagt Harald Mayer, ÖÄK-Vizepräsident und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte. Es sei bedenklich, dass sich der Staat immer öfters einmische und Details steuere. Und Johannes Steinhart, ÖÄK-Vizepräsident und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, ergänzt: „Der politische Stil, der bei der Umsetzung dieser Novelle an den Tag gelegt wurde, wird von uns klar abgelehnt. Unsere immer wieder demonstrierte Gesprächsbereitschaft wurde nicht ernst genommen. Ganz offensichtlich ging es hier ausschließlich um eine Schwächung der Standesvertretung.“ (rüm)

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