Neue Debatte über Medizinstudierende

Beim heurigen Medizin-Aufnahmetest treten 15.400 Bewerber:innen für 1.850 Plätze an. Die Politik diskutiert indes darüber, wie viele Ausbildungsplätze es braucht.

Die Anmeldezahlen für den Medizin-Aufnahmetest sind nach dem Rekordjahr 2021 mit damals fast 18.000 Anmeldungen weiter leicht rückläufig: 15.400 Interessent:innen haben sich heuer für einen der diesmal 1.850 Plätze an den Medizinischen Universitäten Wien, Innsbruck und Graz sowie der Medizin-Fakultät der Uni Linz beworben, wie die Unis am Freitag per Aussendung mitgeteilt haben. Der Aufnahmetest wurde diesmal um Fragen zu „Emotionen Regulieren“ erweitert. Rückgänge gab es an allen Standorten außer der Uni Linz. Die Gewichtung der sozial-emotionalen Kompetenzen für das Gesamtergebnis blieb dabei unverändert. Ziel des Tests sei es immerhin, die Studierfähigkeit zu überprüfen, begründete Wolfgang Fleischhacker, Rektor der Medizin-Uni Innsbruck, bei einem Hintergrundgespräch den Fokus auf Wissen und kognitive Fähigkeiten.

„Er ist nicht dazu da, vorherzusagen, wer nach dem Studium eine gute Ärztin oder ein guter Arzt sein wird.“ Diese Aufgabe erfülle der Test auch, die Dropout-Quoten seien von 50 auf fünf Prozent gesenkt worden. Außerdem gebe es damit ein rechtssicheres, objektivierbares Verfahren ohne Elemente der Beliebigkeit, betonte Markus Müller, Rektor der Medizin-Uni Wien. Gleichzeitig seien soziale Kompetenzen unbestritten relevant für die Ärzteausbildung, so Fleischhacker. „Das lehren wir auch“. Die Rektoren orten bei ihren Studierenden jedenfalls hohe Sozialkompetenz. In der Coronapandemie etwa hätten viele von ihnen freiwillig große Leistungen für das Gesundheitssystem erbracht. Harald Mayer, Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte und Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) sieht das anders: „Wir brauchen auch gute Ärzte – und nicht nur gute Studenten! Mehr Fokus auf soziale Kompetenzen zu legen und diese auch höher zu bewerten, entspricht auch den aktuellen, realen Anforderungen an unsere Ärzte und deren Berufsbild.“

Die zunehmenden Versorgungsprobleme in manchen Spitälern bzw. Engpässe bei Kassenordinationen bestimmter Fachrichtungen haben für die Rektoren der Medizin-Universitäten nichts mit einem Ärztemangel, sondern mit einem Verteilungsproblem zu tun. Ein Ausbau der Studienplätze sei als Gegenmaßnahme deshalb sinnlos, würde aber die Qualität von Ausbildung und Studium und auch die Österreicher-Quote beim Aufnahmeverfahren gefährden, warnten sie. Die Versorgungsdichte in Österreich sei mit 5,5 Ärzt:innen pro 1.000 Einwohner:innen die zweithöchste in der OECD. Die Versorgungsmängel würden durch Probleme bei der Verteilung entstehen, etwa zwischen Stadt und Land oder Mangel in bestimmten Fachrichtungen. Gleichzeitig leide das System darunter, dass es deutlich weniger Pflegepersonal gebe als etwa in Deutschland oder der Schweiz. Ohne echte strukturelle Maßnahmen im System, die etwa die Abwanderung von Spitalsärzt:innen in das Wahlarztsystem stoppen, drohe allerdings ein „Erdbeben“, warnte Medizin-Uni-Graz-Rektor Hellmut Samonigg.

Auch der jüngste Vorstoß von Sozialversicherungs-Chef Peter Lehner ist für die Rektoren keine Lösung, um mehr Ärzte an versorgungswirksame Stellen zu bekommen. Dieser hat vorgeschlagen, dass Medizin-Studierende Studiengebühren bezahlen und erst refundiert bekommen, wenn sie im solidarischen Gesundheitssystem arbeiten. Es sei zwar nachvollziehbar, dass man aus einem öffentlich finanzierten Gratis-Studium eine Verpflichtung ableite. Hier gebe es aber Einschränkungen durch EU- und Verfassungsrecht, erklärte Meinhard Lukas, Rektor der Uni Linz. (red)