© Nudphon - stock.adobe.com Die heimischen Sozialversicherungsträger haben ihre Gebarungsvorschau veröffentlicht. Der Dachverbandsvorsitzende Peter McDonald ortet angesichts der hohen Zahlen „Handlungsbedarf systemischer Natur“.
Die heimischen Krankenkassen erwarten für heuer zusammengerechnet ein Minus von 583,3 Millionen Euro. Der Großteil davon entfällt mit 546,6 Millionen Euro auf die ÖGK. Die Österreichische Gesundheitskasse prognostiziert auch für die nächsten Jahre weiter dreistellige Millionenverluste. Die ÖGK-Prognose ist damit weit von der noch im Frühjahr als Ziel ausgegebenen „schwarzen Null“ für 2026 entfernt. Während für 2026 mit einem Defizit von 459,6 Millionen Euro gerechnet wird, sollen es 2029 797,7 Mio. Euro sein. Peter McDonald, aktuell Vorsitzender im Dachverband der Sozialversicherungsträger und gleichzeitig Vize-Obmann der ÖGK, sieht einen „Handlungsbedarf systemischer Natur.“
Bei der Gebarungsvorschau im August war man noch von einem Gesamt-Bilanzverlust von 591 Millionen Euro für 2025 ausgegangen, dieser hat sich um knapp acht Millionen verringert, teilte der Dachverband mit. Alle drei gesetzlichen Krankenversicherungsträger kommen 2026 gemeinsam auf ein Minus von 438,3 Millionen Euro und 2029 auf ein Minus von 926,9 Millionen. Bei der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB) beträgt das Minus heuer 105,7 Millionen. Im Plus ist in diesem Jahr nur die Sozialversicherungsanstalt der Selbstständigen (SVS) mit 69,1 Millionen. Die SVS sorgt damit auch hauptsächlich für die leichte Verbesserung beim heurigen Gesamtdefizit.
Angesichts der neuen Zahlen drängte McDonald auf systemische Maßnahmen. Es brauche eine Finanzierung aus einer Hand, „wo das Geld der medizinischen Leistung folgt.“ Viel anfangen kann er deshalb auch mit dem Vorschlag der Salzburger Landeshauptfrau Karoline Edtstadler (ÖVP), die gesamten Gesundheitsagenden an den Bund zu übertragen. Auch die Bevölkerung übe nun Druck auf die Politik aus, dazu kämen Finanznöte in den Bundesländern, so McDonald. „Das befeuert meine Hoffnung, dass man zu einem großen Schritt bereit sein könnte.“
Medizinische Notwendigkeit solle zudem vermehrt in den Fokus rücken, McDonald nannte als Beispiel, CT- und MRT-Untersuchungen „stärker an die wissenschaftliche Evidenz“ zu koppeln. Ärzt:innen sollten beispielsweise nicht jede Person weiterüberweisen; auch die Patient:innenen müssten wieder mehr Eigenverantwortung übernehmen. Dafür schweben McDonald Anreizmodelle für mehr Vorsorge vor. „Wir merken, dass die Architektur des Gesundheitswesens bröckelt, es braucht mehr Innovation und Selbstverantwortung“, betonte er. Es gebe fünf große Herausforderungen – dazu zählt etwa die demografische Entwicklung. In den nächsten 25 Jahren würde die Zahl der Über-65-Jährigen von 1,8 auf 2,7 Millionen ansteigen. Diese Gruppe würde doppelt so viele medizinische Leistungen brauchen wie Jüngere. Sinken würden zugleich die Zahl der Personen, die Beiträge zahlen können, sowie die geleisteten Arbeitsstunden. Zudem seien aufgrund rasanten medizinischen Fortschritts „tolle Medikamente in der Pipeline“, die aber auch zusätzliche Kosten mit sich bringen würden.
Auch dass das Wirtschaftswachstum „nicht mehr in die Höhe sprudelt“, wie beispielsweise in den 2000er-Jahren, sieht McDonald als Herausforderung. „Da entwickelt sich eine Schere aus stärker steigenden Ausgaben für Behandlungen und nicht gleich stark steigenden Einnahmen.“ ÖGK-Obmann Andreas Huss wirft in diesem Zusammenhang einen Blick nach Deutschland. „Hier steigen die KV-Beiträge jährlich. Bei uns glaubt man bei einer älter werdenden Bevölkerung, mehr medizinischen Möglichkeiten, immer neuerer und teuerer Medikamente mit den selben Ausgaben wie bisher auszukommen. Das drängt die Menschen in die Privatmedizin, die sich viele nicht leisten können. Neben strukturellen Änderungen braucht es daher auch mehr öffentliche Mittel und weniger private Zuzahlungen im System“, schreibt er in einem Social Media-Beitrag. Der Beitragssatz in der Krankenversicherung ist nach wie vor so hoch, wie zu Beginn der Nuller Jahre.
Die Österreichische Ärztekammer fordert angesichts der Kassendefizite eine Entflechtung der Finanzströme im Gesundheitswesen. „Besonders die Finanzierung der ambulanten Versorgung aus einer Hand würde zu einer nachhaltigen Verbesserung beitragen“, heißt es in einer Aussendung. Die Österreichische Ärztekammer stehe für eine klare Versorgungspyramide, an deren Eintritt im Idealfall immer eine Arztpraxis stehen sollte. „Die Verbesserung und Vereinheitlichung der Patientenlenkung hat das Potenzial, durch klare Zuständigkeiten die Finanzierung des Gesundheitssystems abzusichern und gleichzeitig für die Patientinnen und Patienten den optimalen Weg zum ‚Best point of Service‘ zu erleichtern. (rüm)