Parkinson: Wann Zittern gefährlich wird

Nicht jeder Tremor bedeutet gleich Parkinson. Die Österreichische Parkinson Gesellschaft erklärt, wann Zittern krankhaft ist und welche Therapien es gibt.

Ein zuckender Daumen, eine zitternde Hand – die im Alltag am häufigsten wahrgenommene Bewegungsstörung ist ein Tremor der Hände. Neben den Händen können auch andere Körperteile wie Kopf, Zunge, Gaumen oder Kehlkopf betroffen sein. Ein Tremor kann unterschiedliche Ursachen haben und in jedem Alter, auch im Kindes-, Jugend- und jungen Erwachsenenalter, auftreten. Aber vor allem ältere Menschen sind häufig betroffen, Studien zufolge etwa 15 Prozent aller Menschen über 50 Jahre. Das Zittern kann Zeichen einer Parkinson-Krankheit sein, viele Betroffene leiden jedoch unter einer anderen Tremor-Störung wie zum Beispiel einem essenziellen Tremor. Weil eine Diagnose im frühen Stadium oft zu spät gestellt wird und in Vorbereitung für den World Movement Disorders Day am 29. November, klärt die Österreichische Parkinson Gesellschaft (ÖPG) über gängige Mythen rund ums Zittern auf.

Laut der ÖPG sollte jeder Tremor neurologisch abgeklärt werden. „Ein Tremor ist keine Krankheit, sondern ein Symptom mit vielen möglichen Ursachen. Zittern kann wirklich jede und jeden treffen, egal welchen Alters oder welchen Geschlechts. Ein Tremor muss in jedem Fall neurologisch abgeklärt werden. Bei einer frühen Diagnose lässt sich dieser in vielen Fällen sehr gut, meist medikamentös behandeln, aber auch neuere Methoden erzielen ein gutes Ergebnis“, erklärt Regina Katzenschlager, Präsidentin der Österreichischen Parkinson Gesellschaft (ÖPG), Leiterin der Abteilung für Neurologie, Klinik Donaustadt. Entscheidend sei die genaue Beobachtung des Zitterns, denn genau genommen, so Katzenschlager, „wird jede Muskelaktivität von einem Zittern begleitet. Es ist jedoch so mild, dass es nicht wahrgenommen wird.“ Die drei häufigsten Formen des Tremors sind der physiologische, der essenzielle und der Parkinson-Tremor.

Der physiologische Tremor kann durch Aufregung, Angst, Kaffeegenuss, hormonelle Störungen und viele Medikamente verstärkt werden. Ein mit freiem Auge wahrnehmbarer Tremor wird in der Regel als störend empfunden und hat, sofern er nicht nur vorübergehend besteht, Krankheitswert. Diese Tremorform kann vorübergehend durch Medikamente wie Psychopharmaka, Asthma- oder Epilepsiemittel ausgelöst werden. Auch eine Schilddrüsenüberfunktion, Diabetes oder eine Nierenerkrankung kann diesem zugrunde liegen. Es ist auch richtig, dass hoher Alkoholkonsum einen Tremor der Hände hervorrufen kann und Menschen mit fortgeschrittener Alkoholkrankheit häufig unter einem Tremor leiden.

Der Umkehrschluss, dass einem Tremor oft Alkoholkonsum oder eine Alkoholkrankheit zugrunde liegt, ist aber völlig falsch. Ein physiologischer Tremor macht sich vor allem durch einen Haltetremor von Händen und Fingern bemerkbar, kann aber auch andere Körperteile betreffen. Ein milder, feinschlägiger Händetremor, der erkennbar durch akute Belastungen oder Medikamenteneinnahme (zum Beispiel bestimmte Asthmamedikamente, Cortison) erklärbar ist, muss nicht neurologisch abgeklärt werden.

Der Parkinson-Tremor und der essenzielle Tremor unterscheiden sich dadurch, dass zu den typischen Symptomen der Parkinson-Krankheit neben einem Ruhetremor (Zittern eines Körperteils in Ruheposition) auch eine Muskelsteifigkeit (Rigor) und Bewegungsverlangsamung (Bradykinese) gehören, wobei Letztere nahezu immer vorhanden ist. Menschen mit Parkinson leiden zusätzlich meist unter nicht-motorischen Symptomen wie einem reduzierten Geruchssinn, Schlafstörungen, Verstopfung, Ängstlichkeit und depressiver Verstimmung. Beim essenziellen Tremor (eine meist langsame, über Jahre fortschreitende Funktionsstörung des Kleinhirns) zeigt sich immer ein Zittern der Hände. Allerdings sind häufig auch andere Körperteile wie Kopf oder Stimme betroffen. Typisch ist ein symmetrisches Zittern bei Aktivität, also beim Hochheben, Halten von Gegenständen und beim Bewegen der Hände.

Im höheren Lebensalter leiden jeweils etwa 3 Prozent der Bevölkerung unter einem der drei häufigsten Tremorformen physiologischer Tremor, essenzieller Tremor und Parkinsonismus. Daneben gibt es eine Vielzahl von selteneren Tremor-Störungen. Dazu zählen Tremorformen, die nur bei bestimmten Handstellungen oder -tätigkeiten auftreten (zum Beispiel beim Schreiben), der dystone Tremor (unwillkürliche, anhaltende Muskelkontraktionen, die zu oft repetitiven, verzerrenden Bewegungen oder zu abnormen Haltungen führen), Tremor infolge von Kleinhirnerkrankungen (zerebellärer Tremor, organische, zum Teil erbliche Ursache), der orthostatische Tremor (ein Beintremor, der nur beim Stehen auftritt und zu einer unangenehmen Standunsicherheit führt) und der funktionelle Tremor (funktionelle Störung des Nervensystems ohne klare organische Ursache). Beim essenziellen Tremor und beim seltenen dystonen Tremor sind häufig auch andere Familienmitglieder betroffen. Geistige Leistungsfähigkeit und allgemeine Beweglichkeit bleiben unbeeinträchtigt. Die Erkrankung kann bereits in der Jugend oder erst im hohen Alter beginnen. Ein eindeutig auslösendes Gen ist noch nicht gesichert.

Die gute Nachricht: Für die meisten Tremorformen gibt es etablierte wirksame Therapien. Bei fast allen Tremor-Syndromen führen geeignete Medikamente zu einer Symptomlinderung – ausschlaggebend ist die richtige Diagnosestellung. Vor allem beim Kopftremor können auch Botulinumtoxin-Injektionen hilfreich sein. Sollten die medikamentösen Therapien versagen, können bei bestimmten stark ausgeprägten Tremores auch chirurgische Eingriffe zum Einsatz kommen. Die größte Rolle hier spielt die tiefe Hirnstimulation, bei der über implantierte Stimulationselektroden im Gehirn Stromimpulse abgegeben werden, was zu einer Tremor-Reduktion beim essenziellen Tremor, Parkinson-Tremor und dystonen Tremor führt. Vor allem beim essenziellen Tremor kommt aber auch eine neue Methode, die Magnetresonanz (MR)-gesteuerte hochfokussierte Ultraschall (MRgFUS)-Therapie, zum Einsatz. Dabei handelt es sich um ein neu entwickeltes Verfahren, bei dem ohne Eröffnung der Schädeldecke (nicht invasiv) gezielt eine sehr kleine (aber bleibende) thermische Läsion in einem bestimmten Kerngebiet im Gehirn bewirkt wird, was wiederum zur Tremorreduktion führt.

Neuigkeiten gibt es außerdem in der Behandlung des essenziellen Tremors. Die genaue Ursache und Entstehungsmechanismen dieses Zitterns sind noch nicht vollständig geklärt. Es gibt aber zunehmend neue Hinweise auf neurodegenerative Veränderungen im Kleinhirn. Ein besseres Verständnis der Entstehungsmechanismen führte laut ÖPG auch zur Entwicklung neuer Substanzen, deren Wirksamkeit in der Behandlung des essenziellen Tremors derzeit überprüft wird. Einer dieser Arzneimittelkandidaten ist SAGE-324. Es handelt sich um ein kleines Molekül, das auf Modulation des GABAA-Rezeptors (ligandengesteuerter Chloridkanal) abzielt. Eine Phase-2a-Studie führte zu 36-prozentiger Reduktion des Armtremors, mit besserer Wirkung bei stärkerem Tremor. Müdigkeit und Schwindel waren sehr häufige Nebenwirkungen. Eine Phase-2b-Studie, die derzeit in den USA läuft, soll aus drei Dosierungen jene mit dem besten Profil in Bezug auf Wirkung und Nebenwirkungen identifizieren. (red)