Penninger ortet bei Schmerzmitteln Aufholbedarf

Josef PenningerMedUni Wien/Diesner

Der Genetiker Josef Penninger, neuer Professor für Personalisierte Medizin an der MedUni Wien, erklärt im RELATUS-Sommergespräch, warum Präzisionsmedizin viel, aber nicht alles, kann und welche Rolle die Klimakrise dabei spielt.

Herr Penninger, Sie haben mit 1. Juli offiziell die Professur für Personalisierte Medizin an der MedUni Wien übernommen. Welche Schwerpunkte haben Sie sich für Ihre Arbeit hier gesetzt? Der Schwerpunkt liegt natürlich auf Präzisionsmedizin, wobei die Erforschung von Krebs und Herzerkrankungen eine besondere Rolle spielen wird. Wichtig dabei ist, dass es bei Präzisionsmedizin nicht nur um die Therapie, sondern auch um die Prävention geht. Ich freue mich auf jeden Fall sehr, die jungen Ärzt:innen hier sind super ausgebildet. Ich bin überzeugt davon, dass die Förderung junger Talente ein zukunftsweisender Weg ist. Ziel wäre es, ihnen eine Top-Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Ich hoffe, dass ich mit meiner jahrelangen Erfahrung dabei helfen kann, das neue Eric Kandel-Institut zu einem Weltklasse-Institut zu machen.

Welche Vorteile hat personalisierte Medizin und gibt es auch Nachteile? Wir Menschen sind alle ein bisschen anders, sehen anders aus, haben andere Anfälligkeiten. Nicht jede Person erkrankt auf die gleiche Art und Weise, nicht jede Person reagiert gut auf ein Medikament. Bei Schmerzen gibt es noch immer nur ein paar wenige Wirkstoffe und Arzneimittel. Das ist ein Punkt, wo man ansetzen kann: Jeder Schmerz ist anders, so wie auch die Menschen, die Schmerzen haben. Da gibt es noch viel aufzuholen. Schmerzmittel sind jedoch nicht nur medizinisch, sondern auch gesellschaftlich ein brisantes Thema: Wie wichtig ein sorgsamer Umgang mit diesen ist, zeigt die Opioid-Krise in den USA: Fentanyl-Intoxikation wurde zur häufigsten Todesursache bei US-Amerikanern in der Altersgruppe der 18-45-Jährigen. Im Bereich der Präzisionsmedizin können aber mithilfe neuer Technologien und Medikamente bestimmte Krebsmutationen heute schon sehr gut individuell behandelt werden. Schwieriger wird es bei akuten Infektionskrankheiten, weil es da vor allem schnell gehen muss. Wenn wir uns aber darauf konzentrieren, über Bluttests bestimmte Biomarker zu identifizieren, können wir auch bei Infektionskrankheiten vorhersagen, ob eine Person die Erkrankung gut wegstecken wird oder wir genauer hinschauen müssen.

Das Gesundheitssystem wird dadurch also inklusiver, richtig? Absolut. Das fängt schon bei Geschlechterunterschieden an. Bei Frauen sind zum Beispiel 20 Prozent der in der Bauchspeicheldrüse produzierten Proteine anders als bei Männern. Solche Unterschiede wurden und werden aber bei der Medikamentenproduktion oft ignoriert. Bei aktuellen Forschungsprojekten ist es mein Anspruch, dass geschechtsspezifische Unterschiede immer mitgedacht werden, und zwar von Anfang an und nicht erst im Nachhinein als Randbemerkung.

Wird es in Zukunft bestimmte Krankheiten dank personalisierter Medizin nicht mehr geben? Versprechen kann man das seriöserweise nicht, aber ich denke, dass vor allem seltenere und genetische Erkrankungen gut behandelbar sind oder vielleicht sogar ausgerottet werden können. Wenn eine bestimmte Genmutation eine Krankheit auslöst, können Verfahren wie die Genschere ansetzen und eine Erkrankung verhindern. Alterserkrankungen wie Krebs, unterschiedliche Demenzen oder Herzprobleme  werden vermutlich aber bleiben. Woran die Forschung hier beispielsweise erfolgreich arbeitet, ist eine Verlängerung der mobilen Lebensjahre.

Welche Rolle spielt die Klimakrise in Ihren Forschungen? Sie spielt eine sehr wichtige Rolle. Die Klimakrise verändert unsere Umwelt nachhaltig. Wir werden in den nächsten Jahrzehnten mit Infektionskrankheiten zu tun haben, die es seit Jahrhunderten nicht mehr in Europa gegeben hat. In Südeuropa wurde in den vergangenen Jahren erstmals eine bestimmte Zeckenart entdeckt, die ein Virus überträgt, das tödlicher und häufiger als Ebola ist. Diese Faktoren müssen wir unbedingt ernst nehmen. Durch Abholzung kommen außerdem Fledermäuse immer näher an den Lebensraum der Menschen heran. Da ist es nicht überraschend, wenn Viren ausgetauscht werden. All das ist der menschengemachten Klimakrise geschuldet, das kann man nicht leugnen. Ich glaube, dass wir in diesem Zusammenhang in der Forschung viel von Überlebenskünstlern wie Bakterien und Pilzen lernen können. In diesem Zusammenhang halte ich es für wichtig, dass sich Universitäten besser vernetzen und gemeinsam forschen. Es sollte auch unbedingt das Potenzial von Künstlicher Intelligenz genutzt werden, die bei der Auswertung von großen Datenmengen eine enorme Unterstützung für Expert:innen ist. Ich hoffe, dass hier die Infrastruktur noch weiter ausgebaut wird. (Das Interview führte Katrin Grabner.)