Politik stellt Ärztekammer ins Abseits  

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Bund und Länder sind derzeit nicht gerade gut auf die Standesvertretung der Ärzt:innen zu sprechen. Das könnte sich auch bei den geplanten Reformen auswirken.

Bund, Länder und Sozialversicherung verhandeln derzeit bekanntlich über den Finanzausgleich und damit auch eine Reform des Gesundheitswesens. Fixiert werden soll dabei auch eine stärkere Steuerung über Zielsteuerungskommissionen von Ländern und Krankenkassen, ist zu hören. Die Ärztekammer soll dabei weiter beschnitten werden. Auch bei der Gründung von Primärversorgungseinheiten, soll die Kammer nur noch begrenzt mitreden dürfen. Zuletzt richteten Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖV) und Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) der Ärztekammer sogar beim Kongress der Apotheker aus, dass man sie als Bremser im System sieht.

Jetzt legt auch der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) in ungewohnter Schäfte nach. Der Hintergrund: In Wien steht ein Arbeitskampf im Gesundheitsbereich bevor. Nachdem zuletzt in Ordensspitälern gestreikt wurde, ist nun die Zentrale Notaufnahme (ZNA) in der Klinik Ottakring an der Reihe. Am 30. Juni wird es dort zu einem einstündigen Warnstreik des ärztlichen Personals kommen. Kritisiert werden die Arbeitsbedingungen im Gesundheitsbereich. Gefordert werden mindestens 20 Prozent mehr ärztliches Personal für die Abteilung oder auch eine „deutliche Anhebung“ der ZNA-Zulage, „um die psychisch und physisch belastende Arbeit in einer Notaufnahme adäquat abzugelten“, wie es hieß. Verlangt wird auch eine Erhöhung der Bruttogrundgehälter um 30 Prozent, eine Rückkehr- und Bleibeprämie in der Höhe von 24.000 Euro (netto und sozialversicherungsfrei) sowie eine „deutliche“ Anhebung der Nacht-, Wochenend- und Feiertagsentschädigung. „Der Warnstreik an der Klinik Ottakring ist erst der Anfang. Die Kolleg:innen haben es satt, dass die untragbaren Zustände in den Wiener Spitälern seit Monaten von der Politik ignoriert und kleingeredet werden“, stellte Stefan Ferenci, geschäftsführender Vizepräsident und Obmann der Kurie angestellte Ärzte in der Wiener Kammer, weitere Aktivitäten in Aussicht.

Im Wiener Gesundheitsverbund zeigte man sich verwundert, weil man sich bereits in Gesprächen mit der Personalvertretung über Reformen befinde. Allerdings ist dort die Ärztekammer nicht dabei. „Wir haben heute aus den Medien von der Ankündigung einzelner Ärzt:innen erfahren. Eine Streikankündigung seitens der Personalvertretung ist uns weder bekannt, noch liegt uns eine vor“, hieß es in einer Stellungnahme. Streiks, so gab man zu bedenken, könnten nur von der Gewerkschaft beziehungsweise der Personalvertretung durchgeführt werden. Dass die Ärztekammer über Streiks nachdenkt, hatte zuletzt auch für Unmut bei der Gewerkschaft gesorgt. Nicht zuletzt, weil man sich Anfang 2020 mit der Ärztekammer in der „Offensive Gesundheit“ zusammengetan hatte, um Maßnahmen abzustimmen und gemeinsam aufzutreten.

All das mag man als politisches Geplänkel abtun, doch am Dienstag ließ Gesundheitsstadtrat Hacker (SPÖ) aufhorchen: Er erläuterte im Landtag die Situation bei den Beschäftigten vor Ort. Von mehr als 20 Dienstposten für Oberärzt:innen in der ZNA-Ottakring seien nur sechs mit Personen besetzt, die Vollzeit beschäftigt sind. Es stelle sich die Frage, warum der ärztliche Direktor so viele Nebenbeschäftigungen seiner Mitarbeiter:innen genehmigt habe. Er sei „vollkommen solidarisch“ beim Kampf um bessere Arbeitsbedingungen. Wenn man vor Ort einen Mangel erkenne, werde es wohl aber auch Sinn machen, wenn man über die Nebenbeschäftigungen spreche, formulierte er. Spannend sieht Hacker auch den Umstand, dass ein Sprecher des Streikkomitees bei der Ärztekammer sowie in einem nicht-städtischen Spital tätig ist – und derzeit gar nicht in der Klinik Ottakring. Sein Fazit: „Ein Teil der Kammer hat beschlossen, in einem persönlichen Kriegszustand mit dem Wiener Gesundheitsverbund zu ziehen.“ Mit der Personalvertretung gebe es hingegen „hervorragende Gespräche“.

Dass nun versucht werde, die streikbereiten Ärzt:innen persönlich zu desavouieren, sei nicht überraschend, aber substanzlos, wehrt sich umgekehrt das Streikkomitee und fordert Hacker zu „Sachlichkeit“ auf. Die Ärztekammer Wien ortet sogar eine „inakzeptable Entgleisung des Gesundheitsstadtrats“, der sich auf einzelne engagierte Ärzte einschieße, um diese persönlich zu diffamieren. Wer auch immer hier wen im Visier hat – Politik oder Kammer – die Zeichen stehen nicht unbedingt auf Entspannung und konstruktive Lösungsbemühungen. (rüm)