Postvirale Erkrankungen: Jetzt tut sich was

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Eine Stakeholder-Konferenz bringt erste konkrete Ergebnisse für ME/CFS-Betroffene: Die Regierung richtet ein Nationales Referenzzentrum ein.

Nach konservativen Schätzungen, basierend auf internationalen Studien, sind in Österreich derzeit mehr als 100.000 Menschen von schweren postviralen Erkrankungen wie ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis/ Chronisches Fatigue-Syndrom) oder Long-Covid betroffen. Doch es mangelt an geeigneten, flächendeckenden Betreuungs- und Unterstützungsangeboten. Man geht zudem davon aus, dass die Corona-Pandemie die Zahl der Erkrankten im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie verdoppeln wird. Genaue Zahlen und Daten, die dringend notwendig wären, um diese Krankheitsbilder und deren Häufigkeit zu erfassen, fehlen in Österreich derzeit noch. Ebenso mangelt es an klinischen Anlaufstellen für diese komplexen Multisystemerkrankungen, an Therapieangeboten sowie an ausreichender sozialer Unterstützung.

Eine von der Bäcker-Familie Gabriele und Gerhard Ströck aufgrund der Betroffenheit von zwei, ihrer drei Söhne ins Leben gerufene Stiftung (WE&ME) hat einen Arbeitsprozess zur Verbesserung der Situation initiiert. In der Zwischenzeit findet der Prozess breite Unterstützung und umfasst Teilnehmer:innen wie das Gesundheitsministerium, die ÖGK, die Stadt Wien, die MedUni Wien, die Selbsthilfeorganisation ÖG ME/CFS, die PVA sowie die Wiener Ärztekammer. Eine Stakeholderkonferenz erarbeitet nun einen Aktionsplan, der im Detail festlegt, welche Maßnahmen erforderlich sind, um die Betreuung und Unterstützung der Betroffenen zufriedenstellend sicherzustellen. Die WE&ME Stiftung hat bereits mehrere Forschungsprojekte mitfinanziert, darunter die Anschubfinanzierung für die Einrichtung einer ME/CFS-Biobank an der MedUni Wien, den „Johadamis-Grant“ für ein gemeinsames Forschungsprojekt zwischen der Klinik Favoriten und der Cornell University in den USA, die Unterstützung eines internationalen neurologischen Webinars an der MedUni Wien und die Einladung eines international anerkannten Harvard Neuroscience Forschers zu der FENS Satellite ME/CFS-Veranstaltung.

Das Gesundheitsministerium gab in der Folge am Wochenende bekannt, dass die Regierung für die Errichtung eines Nationalen Referenzentrums für postvirale Erkrankungen ein Budget von bis zu 1 Million Euro zur Verfügung stellt. Es soll als zentrale Drehscheibe für die Forschung dienen und den Austausch zwischen Theorie und Praxis vorantreiben. Damit soll die medizinische Versorgung auf Basis neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse für die Betroffenen verbessert werden. Die Ausschreibung wird bis Ende März veröffentlicht, die Vergabe soll wie geplant im Sommer erfolgen. „Die Versorgung von Menschen mit chronischen Krankheiten ist eindeutig eine soziale Frage. Sie haben langfristig mit gesundheitlichen Einschränkungen zu leben, sind oft auch nicht voll arbeitsfähig“, sagt Gesundheits- und Sozialminister Johannes Rauch (Grüne). red