PVA hat keinen Überblick zu ME/CFS-Anträgen   

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Die Zahl der von der Pensionsversicherung abgelehnten Anträge zu ME/CFS-Fällen ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Auch die Begutachtungspraxis zeigt Mängel. 

Wurde 2019 in nur 16 Anträgen auf Berufsunfähigkeits- und Invaliditätspension oder Rehageld die Hauptdiagnose ME/CFS gestellt, waren es 2024 bereits 288 – ein Plus von 1.700 Prozent. Gleichzeitig stieg die Zahl der Ablehnungen deutlich. Laut einer parlamentarischen Anfragebeantwortung von Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ) wurden 2022 rund 57 Prozent der Anträge abgelehnt, 2024 bereits 66 Prozent. Wie viele Anträge insgesamt von ME/CFS-Betroffenen eingereicht wurden, bleibt unklar. Die Pensionsversicherung (PVA) erfasse nicht, mit welchen Vorbefunden Antragsteller:innen kommen, sondern nur die von eigenen Gutachter:innen vergebenen Diagnosen.

Zur Frage, welche Leitlinien die PVA für die Begutachtung von ME/CFS verwende, erklärte das Gesundheitsressort, die Gutachter:innen würden „eigenständig“ handeln, „im Rahmen der einschlägigen berufsrechtlichen Gesetze und Regulative“. Spezielle Schulungen für Gutachter:innen gebe es nicht. Maßnahmen zu einheitlichen Standards seien nicht geplant.

Laut dem Wiener Neurologen und ME/CFS-Spezialisten Michael Stingl spiegeln diese Äußerungen ein aus der Praxis bekanntes Problem wider. Es sei mit ME/CFS „extrem schwer, Rehageld bewilligt zu bekommen“. Das stehe im Widerspruch zu der „oft hochgradigen Beeinträchtigung“ der Betroffenen und entspreche nicht dem wissenschaftlichen Kenntnisstand. Der grüne Gesundheitssprecher Ralph Schallmeiner, der die parlamentarische Anfrage verfasst hatte, kritisiert vor allem die fehlende Qualifikation der Gutachter:innen: „Es gibt keine Kontrolle darüber, ob die Sachverständigen befähigt sind das zu tun, was sie machen.“

Eine gemeinsame Recherche von APA, ORF und Dossier hatte bereits im Mai gezeigt, dass 79 Prozent der Anträge von ME/CFS- oder Post-Covid-Betroffenen abgelehnt oder Leistungen wieder entzogen wurden. In mehr als der Hälfte der Gutachten seien die ursprünglichen Diagnosen der Antragsteller:innen negiert, in rund 40 Prozent in psychische Diagnosen umgewandelt worden. (APA/tab)