Rechnungshof: Patienten-Milliarde war ein Fake

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Der Rechnungshof hat die Fusion der Sozialversicherungsträger unter die Lupe genommen. Details wurden am Dienstag im Parlament diskutiert.

Der Rechnungshof hat sich in einem neuen Bericht der 2018 von der ÖVP-FPÖ-Regierung beschlossenen Fusion der Sozialversicherungsträger gewidmet. Prüfungsziele waren die Beurteilung der angestrebten Reduktion des Verwaltungsaufwands, der Fortschritte zur Harmonisierung von Leistungen und der organisatorischen Integration. Zudem wurde die finanzielle Lage der fusionierten Sozialversicherungsträger unter besonderer Berücksichtigung der COVID-19-Pandemie analysiert. Der überprüfte Zeitraum umfasst die Jahre 2018 bis 2020. Die Ergebnisse sind ernüchternd.

Die Verbreiterung der Risikogemeinschaft und das Ziel, die Handlungsfähigkeit der Sozialversicherungsträger zu erhöhen sowie Synergien zu nutzen, wären grundsätzlich positiv zu beurteilen, resümieren die Prüfer:innen. Das Vorhaben einer Einsparung von 1 Mrd. € wäre jedoch nicht ausreichend begründet, um es der Steuerung der Sozialversicherungsträger zugrunde zu legen. Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker formulierte das im Rechnungshofausschuß des Nationalrates so: die 2018 von der damaligen Bundesregierung angekündigten 30 % an Einsparungen bei Personal und Sachaufwand bzw. die Senkung der Kosten um einer Milliarde („Patientenmilliarde“) sei von vornherein nicht plausibel gewesen. Kraker sprach von einem „falsch aufgesetzten Erwartungsmanagement“ der damaligen Bundesregierung. Die Sozialversicherungsträger hätten zudem keinerlei Einsparungsziele gesetzt und so seien auch im Überprüfungszeitraum eher Mehraufwendungen als Einsparungen zu verzeichnen gewesen. Angesichts des Auseinanderfallens der tatsächlichen Entwicklung des Verwaltungsaufwands und der Prognosen gemäß Sozialversicherungs-Organisationsgesetz (SV-OG) empfiehlt der Rechnungshof, andere Maßnahmen zur Zielerreichung zu setzen oder die Ziele zu adaptieren.

Der Integrationsfortschritt sei je nach Themenbereich und Träger unterschiedlich ausgefallen und die Fusionsbemühungen hätten zur Zeit der Gebarungsprüfung noch angedauert, so der Bericht. Auch ein bundeseinheitlicher Gesamtvertrag im ärztlichen Bereich sei noch nicht absehbar. Im Falle einer Nichteinigung regt der Rechnungshof eine Umgestaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen an. Aufgrund des SozialversicherungsOrganisationsgesetzes (SV-OG) fehlten zudem Kontrollgremien für die Sozialversicherungsträger und den Dachverband. Die Prüfmaßstäbe für die ab Jänner 2020 eingeführte Wirtschafsprüfung seien hinter jenen der 2019 abgeschafften Kontrollversammlungen zurück geblieben, kritisiert der Rechnungshof. Er regt die gesetzliche Verpflichtung zur Einrichtung solcher Kontrollgremien an. Zudem spricht sich das Prüforgan unter anderem für eine klare Zielsetzung insbesondere zu allfälligen Einsparungen und zum weiteren Vorgehen sowie eine nachvollziehbare Erfassung von Kosten und Nutzen aus.

Kritik kam von SPÖ-Klubobmann Philip Kucher: Der „vernichtende Bericht des Rechnungshofs zur schwarz-blauen Krankenkassenzerschlagung entlarvt jedes einzelne Versprechen von ÖVP und FPÖ. Statt eine Milliarde einzusparen, fallen jährlich enorme Mehrkosten an. Statt einer Leistungsharmonisierung gibt es ein Fortschreiten der Zwei-Klassen-Medizin. Statt einer zusätzlichen Milliarde für Patient:innen gibt es heute ein Gesundheitssystem, in dem es an allen Ecken und Enden kracht.“ Kucher warnt vor drohenden Konsequenzen für Millionen Versicherte: „Die verpfuschte Kassenzerschlagung darf nicht dazu führen, dass jetzt Patient:innen für das politische Versagen von ÖVP und FPÖ zur Kasse gebeten werden.“ (rüm)

Service: Rechnungshofbericht