Resistenzen: Bis 2030 soll es bis zu vier neue Antibiotika geben

Die Weltgesundheitsorganisation WHO begrüßt eine neue Pharma-Initiative und bezeichnet Resistenzen gegen existierende Antibiotika als „langsamen Tsunami“. Bis 2030 sollen zwei bis vier neue Antibiotika auf den Markt kommen.

Ein Zusammenschluss vor allem von Pharmafirmen und Stiftungen will mit insgesamt fast einer Milliarde US-Dollar die Entwicklung neuer Antibiotika vorantreiben. Ziel ist es, bis 2030 zwei bis vier neue Antibiotika bereitzustellen. Das geschieht vor dem Hintergrund, dass immer mehr Erreger Resistenzen gegen existierende Antibiotika entwickeln. Die nun in Berlin und Washington verkündete Kooperation nennt sich AMR Action Fund. AMR steht für Antimicrobial resistance.

AMR stelle eine sich abzeichnende globale Krise dar, die das Potenzial habe, COVID-19 in Bezug auf Todesfälle und wirtschaftliche Kosten in den Schatten zu stellen, teilte der Fund mit, der ab dem vierten Quartal dieses Jahres mit seiner eigentlichen Arbeit loslegen will. Schon jetzt würden jedes Jahr rund 700.000 Menschen weltweit an AMR sterben. Die alarmierendsten Szenarien gingen davon aus, dass es bis 2050 jährlich bis zu zehn Millionen Menschen das Leben kosten könnte. „AMR ist ein globales Thema“, sagte Hubertus von Baumbach in Mainz. Er ist Vorsitzender der Unternehmensleitung der Pharmakonzerns Boehringer Ingelheim, der Teil des Funds ist. Mit von der Partie sind 23 Partner, darunter Bayer, Merck, die Schweizer Konzerne Novartis und Roche, die US-Firmen Eli Lilly, GlaxoSmithKline, Johnson & Johnson, Pfizer oder die Europäische Investitionsbank (EIB). WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus sagte, AMR sei „ein langsamer Tsunami, der ein Jahrhundert des medizinischen Fortschritts zunichtezumachen droht.“

Dass sich bei der Entwicklung neuer Antibiotika zu wenig tut, liegt nach Einschätzung von Baumbachs daran, dass es für diese Mittel keinen funktionierenden Markt gebe. Biotechunternehmen bekämen am Kapitalmarkt keine Finanzierung für ihre Antibiotika-Projekte. Das liege etwa daran, dass Ärzte bei Behandlungen oft erst ältere Antibiotika verschrieben. Erst wenn diese nicht wirkten, griffen sie sinnvollerweise zu neueren mit weniger Risiko für Resistenzen. Adäquate Einnahmen seien aber nötig, sagte von Baumbach. Sonst sei niemand bereit, das Investitionsrisiko einzugehen. Auf lange Sicht müsse die Politik Veränderungen herbeiführen.

„Mit dieser Initiative setzt die pharmazeutische Industrie weltweit einen wichtigen Schritt, um die Versorgung zu verbessern“, erklärte Alexander Herzog, Generalsekretär der Pharmig. Der neue AMR Action Fund ist eine Initiative der IFPMA (International Federation of Pharmaceutical Manufacturers & Associations) und wird finanzielle Mittel sowie technische Ausrüstung bereitstellen, um pharmazeutischen Unternehmen bei der Entwicklung neuer Antibiotika zu unterstützen. Die Überwachung der Antibiotika-Pipeline übernimmt ein wissenschaftliches Beratungsgremium, das sich aus Expertinnen und Experten der Bereiche öffentliches Gesundheitswesen, Antibiotika-Forschung und -Entwicklung, Herstellung, Zulassung und Infektionskrankheiten zusammensetzt und Empfehlungen für Investitionen aussprechen wird. (red/APA)