Die Kritik an der Zusammenlegung der Krankenkassen wächst. Ärzt:innen warnen vor weiteren Verschlechterungen und orten auch interne Kritik.
Die Kritik an der Zusammenlegung der neun Landeskassen zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) nimmt zu – nach Ansicht der Ärztekammer auch innerhalb der Organisation selbst. Nach Aussendungen mehrerer Landesärztekammern meldete sich nun auch die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) zu Wort: Präsident Johannes Steinhart fordert eine sofortige Korrektur der Kassenreform. Die aktuelle Diskussion zeige, dass weder Politik noch Ärzt:innen und Versicherte mit dem Ergebnis zufrieden sind. Steinhart betont, dass auch ehemalige hochrangige Kassenfunktionär:innen die derzeitige Führung stark kritisieren, was die Dringlichkeit einer Reform verdeutliche.
In einem Interview mit der „Kleine Zeitung” rechnet etwa der im Vorjahr ausgeschiedene steirische Landesstellenvorsitzende und Arbeitgeber-Vertreter Vinzenz Harrer mit der Fusion ab. Die Ziele seien richtig, die Umsetzung habe sich aber weit davon entfernt. Zudem seien Beraterhonorare im einstelligen Millionenbereich „versenkt” worden, zu deren Details es Verschwiegenheitsvereinbarungen gebe. Harrer fordert deshalb von der Zentrale eine Offenlegung der Beraterhonorare und ortet „Zeichen der Überforderung“. Zuletzt kritisierte auch Thom Kinberger, Vorsitzender des ÖGK-Landesstellenausschusses in Salzburg auf Dienstnehmerseite, in Social Media-Kanälen und einem ORF-Interview die eigene Kasse. Dienstposten würden hauptsächlich in den Bundesländern eingespart. „Der Dienst am Patienten“ müsse vor Ort passieren, nicht in der Wiener Zentrale, formuliert Kinberger: „Ein kleiner Kreis von parteipolitischen ÖGK-Strategen dirigiert die 4. größte Krankenversicherung Europas, mit 13.000 Mitarbeitenden und einem 21 Milliarden Budget, wie ihr privates Brettspiel.“
Ärztekammerpräsident Steinhart bemängelt, dass die ÖGK in Bezug auf die Vereinheitlichung der Leistungen versagt habe. Der Leistungskatalog der Ärztekammer liege seit Jahren vor, doch es sei kaum etwas geschehen. Auch die dringend notwendigen Strukturreformen in der Gesundheitskasse würden weiterhin aufgeschoben, was nicht hinnehmbar sei. Steinhart unterstreicht, dass die ÖGK ihre Arbeit auf Scheindiskussionen über einzelne Leistungen reduziere, während wichtige Themen wie ein einheitliches Immobilienkonzept oder Synergieeffekte ignoriert würden.
Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer, fordert die ÖGK auf, ihre Kernaufgabe ernst zu nehmen und die Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Statt über Wahlärzt:innen oder Zwangsmaßnahmen zu diskutieren, müsse die Gesundheitskasse den niedergelassenen Bereich stärken und die Attraktivität des Kassensystems erhöhen. Steinhart fordert zudem, dass ÖGK-Obmann Huss endlich konkrete Schritte unternehme und die Vorschläge der Ärztekammer umsetze. Sollte die ÖGK weiterhin versagen, müsse die Politik korrigierend eingreifen, um die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sicherzustellen, heißt es von Seiten der Standesvertretung. (kagr)