„Sexistischer Umgangston im Gesundheitswesen üblich“

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Gewerkschafterin Martina Reischenböck, Betriebsratsvorsitzende der Vinzenz Gruppe, spricht im RELATUS-Interview über Sexismus und Sensibilisierung im Gesundheitssystem.

Wie haben Sie die MeToo-Debatte innerhalb der Ärzt:innenschaft der vergangenen Wochen mitbekommen? Es war natürlich Thema, sowohl bei uns im Haus als auch in der Gewerkschaft. Bei der Vinzenz Gruppe ist es zum Glück so, dass ähnliche Fälle nach wie vor Einzelfälle sind. Vor allem in der Gewerkschaft merke ich aber, dass immer wieder ein sexistischer Umgangston im Gesundheitsbereich angeprangert wird.

Denken Sie, dass das Gesundheitswesen generell und die Ärzt:innenschaft hier besonders vorbelastet sind? Patriarchale Strukturen gibt es überall in der Gesellschaft. Aber im Gesundheitswesen sind die Schlüssel- und Führungspositionen nach wie vor männlich dominiert. Es war früher extremer, durch den Mangel an Personal geht das nicht mehr, aber Elternteilzeit für Ärztinnen ist trotz allem noch nicht selbstverständlich. Das kommt mir tatsächlich öfter unter als sexualisierte Gewalt zum Beispiel. Ich merke eher eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Was mich ebenfalls sehr ärgert. Im Jahr 2023 sollten wir so weit sein, dass Menschen aufgrund ihrer Qualifikation gewählt werden und nicht aufgrund des Geschlechts. Es ist traurig, dass wir nach wie vor Quoten oder spezielle Gremien brauchen. Aber es ist so.

Sie wünschen sich also mehr Frauen in Schlüsselpositionen? Absolut. Grundsätzlich ist Diversität wichtig, egal ob es ums Geschlecht, die Herkunft oder Hautfarbe geht.

Sie haben von „veralteten Rollenbildern“ gesprochen – denkt die jüngere Generation genauso? Hier sehe ich zum Glück einen anderen Zugang. Nachwuchsmediziner unter 35 Jahren gehen ganz selbstverständlich in Karenz und nehmen sich den Papamonat. Grundsätzlich ist die jüngere Generation selbstbewusster, das merke ich vor allem in der Pflege. Es ist vorwiegend die ältere Männergeneration, die hier nachhinkt. Unterschiede merke ich aber auch zwischen Stadt und Land, was möglicherweise mit einem konservativeren Familienbild in stark ländlichen Regionen zu tun hat.

Abgesehen von mehr Diversität in Schlüsselpositionen – was muss jetzt getan werden? Bei der vida werden schon länger Schulungen angeboten, wo es um Sensibilisierung für solche Themen geht. Ich war selbst noch nicht, denke aber, dass sie eine gute Option sind, um Bewusstsein zu schaffen. In manchen Organisationen sind sie schon verpflichtend, was allerdings leider nach wie vor oft auf Ablehnung trifft. Ich hoffe, daran ändert sich bald etwas. (Das Interview führte Katrin Grabner)