Die ÖGK will die für heuer erwarteten Verluste von über 900 Millionen Euro um 650 Millionen drücken. Jetzt wächst die Kritik am Management der vergangenen Jahre.
Wie sehr sind Rahmenbedingungen wie Wirtschaftsflaute, Inflation, Demographie und medizinischer Fortschritt für das Minus der ÖGK verantwortlich und wie viel ist hausgemacht? Nach der Kritik der Österreichischen Ärztekammer am Kassenmanagement, kommen nun auch erste Vorwürfe aus der Politik. Die Kassenfusion habe wenig gebracht, vielmehr seien in der Verwaltung die Kosten in nur fünf Jahren um 38 Prozent stark angestiegen, berichtet das Nachrichtenmagazin Profil. Diese Steigerung liege deutlich über der Inflation und widerspricht den ursprünglichen Zielen der Fusion, nämlich Einsparungen und eine effizientere Verwaltung zu erreichen, bemängelt in der Folge Ralph Schallmeiner, Gesundheitssprecher der Grünen.
„Es kann nicht sein, dass wir die ÖGK weiterhin mit Steuergeld aus dem Budget unterstützen, während die Kasse agiert, als gäbe es keine Probleme. Besonders die immer unverhältnismäßiger steigenden Verwaltungskosten sind ein Alarmsignal. Die ÖGK muss endlich ihre Hausaufgaben machen“, sagt Schallmeiner. „Statt der versprochenen Patientenmilliarde sehen wir heute massive Mehrkosten, die auf Kosten der Versicherten gehen. Das ist in höchstem Maße ineffizient und widerspricht dem Versprechen der Kassenfusion.“ Die Recherchen würden zeigen, dass die Fusion der neun Gebietskrankenkassen zur ÖGK faktisch nicht umgesetzt wurde: Unter dem Dach der ÖGK würden weiterhin neun eigenständige Krankenversicherungen mit unterschiedlichen Leistungsverträgen und Abrechnungssystemen agieren. „Das ist ein organisatorischer Fleckerlteppich, der dringend aufgelöst werden muss. Die versprochene Vereinheitlichung ist ausgeblieben – das kostet nicht nur Geld, sondern auch Effizienz und Transparenz“, kritisiert Schallmeiner.
Die ÖGK meldete sich am Dienstag mit einem erneuten Sparaufruf an Gesundheitsberufe. Diesmal im Bereich Physiotherapie. Die Nachfrage nach Physiotherapie sei in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Ursachen dafür seien die alternde Bevölkerung, kürzere Krankenhausaufenthalte sowie der wachsende Therapiebedarf vor und nach Rehabilitationsmaßnahmen. „Die ÖGK verzeichnet sowohl im Vertrags- als auch im Wahlbereich einen deutlichen Anstieg. Besonders auffällig: Im Wahlbereich stieg die Zahl der Therapiestunden von 2019 bis 2024 um 58,7 %.“ Vertragsärzt:innen seien deshalb ersucht worden, bei physiotherapeutischem Behandlungsbedarf generell eine Erstverordnung von 6 × 30 Minuten auszustellen – sofern medizinisch gerechtfertigt. Längere Behandlungszeiten, etwa 45 oder 60 Minuten, blieben „selbstverständlich“ möglich. „Die Verantwortung für medizinisch erforderliche Anpassungen liegt weiterhin bei Therapeut:innen und Ärzt:innen – im Sinne einer qualitätsgesicherten Versorgung“, schreibt die Kasse. Diese Maßnahme des verantwortungsvollen Mitteleinsatzes bewirke eine faire Ressourcenverteilung, damit möglichst viele Versicherte rechtzeitig eine Behandlung erhalten. „Es handelt sich nicht um eine Änderung oder Kürzung der Leistungen, sondern um eine gezielte Steuerung der Patientenversorgung“, so die ÖGK.
Auch bei Vitamin-D-Tests fährt die ÖGK eine strengere Linie: 2022 machten sie zehn Prozent des gesamten Laboraufwands aus. Künftig sollen Hausärzt:innen nur noch bei bestimmten Erkrankungen wie Niereninsuffizienz oder Adipositas testen – nicht mehr zum allgemeinen Screening. Noch deutlicher wurde die Kasse in einem Brief an Ärzt:innen über stark steigende MRT-Untersuchungen. „Wir bitten schon jetzt um Verständnis dafür, dass wir zukünftig das Zuweisungsverhalten sehr genau beobachten werden und Kontakt aufnehmen, wenn unserer Einschätzung nach die Anforderungen nicht erfüllt werden.“ Kassenobmann Peter McDonald begründete die Vorgangsweise zuletzt im RELATUS-Gespräch mit den gesetzlichen Vorgaben. Die Kasse sei verpflichtet, nicht mehr auszugeben als sie einnimmt. Die Behandlung muss entsprechend den gesetzlichen Vorschriften ausreichend und zweckmäßig sein, darf jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. (rüm)