Warum Schmerzmittel für Frauen gefährlich sein können

Die Österreichische Schmerzgesellschaft stellte den heurigen Fokus der Schmerzwochen vor und forderte erneut konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Schmerzversorgung.

Zum Auftakt der 23. Schmerzwochen informierte die Österreichische Schmerzgesellschaft (ÖSG) zu aktuellen Schwerpunkten in der österreichischen Schmerzversorgung. Das Fazit der ÖSG: „Die Schmerzversorgung in Österreich ist nicht gut, es gibt großen Aufholbedarf.“ Die Schmerzwochen selbst haben heuer, im Einklang mit der internationalen Kampagne der International Association for the Study of Pain (IASP) und der Europäischen Schmerzföderation (EFIC), Gender Pain im Fokus. Denn: Frauen leiden generell öfter unter Schmerzen und Schmerzerkrankungen. Chronische Schmerzen treten bei ihnen schätzungsweise sechsmal so häufig auf wie bei Männern. Sie haben intensivere und länger andauernde Schmerzen und mehr von Schmerzen betroffene Körperstellen. Im Durchschnitt weisen sie eine schlechtere endogene Schmerzhemmung auf und es gibt Hinweise, dass die Schmerzverarbeitung im zentralen und peripheren Nervensystem bei Frauen deutlich sensibler ist. Verstärkt werden die Schmerzen bei Frauen auch dadurch, dass sie häufiger unter depressiven Symptomen leiden.

„Für die Schmerztherapie ist wichtig, dass einige Schmerzmittel nachweislich geschlechtsspezifische Unterschiede in der Wirkung und sogar gegensätzliche Effekte haben. Die Nebenwirkungsmeldungen von Medikamenten sind bei Frauen fast doppelt so hoch wie bei Männern. Bei acht von zehn Arzneimitteln, die aufgrund von toxischen schweren Nebenwirkungen aus dem Handel genommen wurden, sind diese bei Frauen aufgetreten. Dafür wollen wir sensibilisieren. Die Schmerztherapie muss sich noch viel deutlicher weg von einer Unisex-Medizin hin zu geschlechterspezifischen Behandlungen entwickeln“, betonte Waltraud Stromer, Past-Präsidentin der ÖSG.

Gendermedizin spielt auch bei chronischen Schmerzen eine wichtige Rolle. „Frauen haben aufgrund physiologischer Gegebenheiten ein höheres Chronifizierungsrisiko als Männer“, erklärte Generalsekretär Rudolf Likar, der es daher für „umso wichtiger“ hält, dass die Internationale Klassifikation der Krankheiten in 11. Revision (ICD-11) auch bald in Österreich in Kraft tritt. Denn: Rund 1,8 Millionen Menschen leiden in Österreich an chronischen Schmerzen, bisher wurden Schmerzen allerdings nur als Symptom gesehen. In der ICD-11 nahm die WHO allerdings chronische Schmerzzustände (≥ 3 Monate) als eigenständige Krankheitsgruppe (MG30) auf. „Auch hinsichtlich Long/Post COVID 19 ist die Diagnose ,chronischer Schmerz‘ von äußerster Wichtigkeit, denn die Diagnostik von Long/Post COVID 19 Schmerzen sollte gemäß schmerzmedizinischer Standards durchgeführt werden“, ergänzte Likar.

Laut ÖSG-Präsident Wilhelm Eisner verursachen die 1,8 Millionen Schmerzpatient:innen hochgerechnet in Folge jährlich insgesamt bis zu acht Milliarden Euro an direkten wie indirekten Kosten“. Eisner fordert unter anderem auch aus diesem Grund von der Politik einen gesetzlichen Anspruch auf eine medizinische Zweitmeinung – für mehr Patient:ensicherheit, weniger medizinische Fehleinschätzungen oder unnötige Eingriffe. Die Zweitmeinung sollte seiner Meinung nach von den Kassen übernommen werden. Erfreut zeigt sich Eisner darüber, die integrative Schmerztherapie bis zum Sommer 2024 im österreichischen Strukturplan für Gesundheit (ÖSG) verankert werden soll, so ist auch die Basis für die Strukturpläne der einzelnen Bundesländer (RSGs) gelegt. „Das Ziel ist, dass es für jedes Bundesland mindestens ein Schmerzzentrum geben wird“, erklärte der ÖSG-Präsident.

Im Rahmen der Pressekonferenz zu den 23. Schmerzwochen forderte die ÖSG außerdem erneut die Einführung eines vertiefenden Schmerzdiploms mit 400 Stunden Praxis und 80 Stunden Theorie – zusätzlich zu dem Diplom für Spezielle Schmerztherapie der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), das aus 120 Stunden Theorie und 80 Stunden Praxis besteht. Ein entsprechender Entwurf wurde – erneut – bei der ÖÄK eingereicht. Zusätzlich wurde noch auf die ÖSG-Initiative „BEWEG DICH!/move4you“, die auf die Wichtigkeit von Bewegung zur Vorbeugung chronischer Schmerzen aufmerksam machen will, hingewiesen. (kagr)