Alkoholsucht: Wege aus der Abwärtsspirale

Zwei von drei Alkoholsüchtigen leiden an Depressionen, Angststörungen oder Burnout. Das wurde nun im Rahmen der „Dialogwoche Alkohol“ bekannt. Oft wird  nur das eine oder andere Problem behandelt, das senkt die Chancen auf Heilung und steigert zudem das Risiko für eine Medikamentensucht.

Menschen, die an Depressionen, Angstzuständen oder Burnout leiden, greifen häufig zu Alkohol. Gleichzeitig löst Alkohol in größeren Mengen Depressionen erst aus. Eine Abwärtsspirale beginnt. Wie diese durchbrochen werden kann, darüber informierte Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael Musalek, ärztlicher Leiter des Anton Proksch Instituts, bei einem Pressegespräch. Es fand anlässlich der „Dialogwoche Alkohol“ statt, einer Initiative der Arge Suchtvorbeugung, die die Frage stellt: Wie viel ist zu viel?

Alkohol sei das „am häufigsten eingesetzte Psychopharmakon“, sagte Musalek, der Österreichs größte stationäre Einrichtung für Suchtkranke seit 2004 leitet. Etwa 70 Prozent jener Patienten, die wegen Alkoholsucht behandelt werden, leiden auch an Depressionen oder Angststörungen. Für depressive Menschen fungiert Alkohol oft als Spannungs- und Angstlöser, er kann sogar als euphorisierend empfunden werden. Alkohol wirkt aber höchstens kurzfristig, mittel- und langfristig verschlimmert er das der Sucht zu Grunde liegende Problem. Aufgrund seiner depressiogenen Eigenschaften verstärkt er depressive Zustände. Auch Patienten, die am Beginn eines Burnouts stehen, nehmen Alkohol zuerst als vermeintlichen Helfer wahr, letztlich verstärkt er aber das Überlastungssyndrom.

Hinzu kommt die soziale Komponente, so Musalek: „Viele Menschen trinken, um dazuzugehören. Bei uns in Österreich ist Alkoholkonsum Teil des Alltags, das Problembewusstsein ist sehr gering. Der Sprung von einer hohen Alkohol-Dosis zur Sucht wird vor allem von Menschen vollzogen, die besonders sensibel sind, eben weil sie an Depressionen und Angststörungen leiden.“ Führt die psychische Erkrankung zur Sucht oder die Sucht zur psychischen Erkrankung? Diese Frage lässt sich oft nicht ganz eindeutig beantworten. „Sie ist aber letztlich unerheblich“, betonte Prof. Musalek, „denn beides muss behandelt werden.

Das Anton Proksch Institut richtet bei der Therapie den Fokus auf die gesunden Anteile, die jedem Menschen innewohnen – sei er auch noch so (psychisch) krank. Musalek: „Jeder Mensch hat Schwächen, aber auch Stärken. Ich sehe es als unsere therapeutische Aufgabe, die individuellen Ressourcen jedes Menschen freizulegen und zu schauen: Worin findet dieser Mensch, der vor mir sitzt, Kraft und Lebensfreude? Denn wenn Suchtkranke neue Perspektiven für ein gelungenes, erfülltes Leben finden, dann können Suchtmittel dauerhaft ihren Reiz verlieren.“ (red)