Fälschungsrichtline mit neuen Verzögerungen – und neuem „Chef“

Seit der zweiten Februarwoche des Vorjahres sollte jede für die EU produzierte Packung rezeptpflichtiger Medikamente fälschungssicher sein. Mit der Prüfung gab es allerdings Probleme und einen Aufschub um ein Jahr. Der wird jetzt verlängert und heißt „Startphase Echtbetrieb“.

Die EU-weit eingeführten Sicherheitsvorkehrungen der Fälschungsrichtlinie umfassen drei Bestandteile: Jede Packung eines rezeptpflichtigen Arzneimittels trägt einen eigenen zweidimensionalen Code – somit eine Seriennummer, über die der Weg vom Produzenten zur Abgabestelle lückenlos nachverfolgt werden kann. Jede Arzneimittelpackung muss zudem so gestaltet sein, dass eine etwaige Manipulation an ihr für den Konsumenten erkennbar ist. Über einen EU-Datenspeicher mit Subspeichern in den EU-Mitgliedsländern wird jede einzelne Arzneipackung vom Hersteller eingebucht und dann vom Abgeber – öffentliche Apotheken, Krankenhausapotheken, in Österreich auch ärztliche Hausapotheken – wieder ausgebucht. Und das alles sollte seit dem Februar des Vorjahres funktionieren. Das System ist gigantisch: Auf EU-Ebene geht es um 10,5 Milliarden Arzneimittelpackungen pro Jahr. Nicht zuletzt deshalb gab es Anlaufschwierigkeiten, weil international nicht alle Hersteller die Packungen ins System speisen, die Software nicht einwandfrei funktionierte und einiges mehr. Also wurde der Start zu einem Testbetrieb – zuerst für ein halbes Jahr, dann bis Februar 2020. „Stabilisierungsphase“ nannte man das.

Die Bilanz nach einem Jahr: Seit dem Start wurden 220 Millionen Medikamentenpackungen von Arzneimittelherstellern in das neue digitale Sicherheitssystem hochgeladen. Rund 140 Arzneimittel-Großhändler, 1.450 öffentliche Apotheken und Krankenhausapotheken sowie 807 hausapothekenführende Ärzte und 19 In-Vitro-Fertilisations-Zentren sind aktuell an das System angebunden „und gewährleisten einen reibungslosen Ablauf bei der Verifizierung und Abgabe der gekennzeichneten Medikamente“, teilt die AMVS mit, die Betreibergesellschaft der Austrian Medicines Verification System Organisation (AMVO), die für die Umsetzung der EU-Arzneimittel-Fälschungsrichtlinie (2011/62 EU) zuständig ist. Doch genau dieser reibungslose Ablauf scheint noch nicht ganz zu funktionieren. Es gibt zwar immer weniger Alarme, aber dennoch zu viele, die auf Prozess- oder Anwenderfehler zurückzuführen sind, hört man. Also gibt es nun eine neue Phase mit dem Namen „Startphase Echtbetrieb“. „Das neue digitale Sicherheitssystem läuft einwandfrei. Die Startphase des Echtbetriebs ist eine Phase, in der alle alarmierten Arzneimittelpackungen registriert und analysiert werden. Sind die verdächtigen Packungen augenscheinlich in Ordnung, dürfen sie an die Kunden bzw. Patienten abgegeben werden. Die Systemakzeptanz ist dank der Unterstützung aller Beteiligten an der Arzneimittel-Lieferkette bereits auf sehr hohem Niveau. Es gilt nun, eine lückenlose Nutzung des Systems sicherzustellen, und gleichzeitig die Versorgung der österreichischen Bevölkerung aufrecht zu erhalten“, sagt Christoph Lendl. Er hat mit 1. Februar die Alleingeschäftsführung der AMVS übernommen. Der studierte Betriebswirt führte die Geschäfte bereits seit Juli 2019 gemeinsam mit dem Juristen Mag. Andreas Achrainer. Nach dessen Engagement im bundesnahen Bereich ist Lendl nun alleinverantwortlich für die weitere Umsetzung des EU-weiten, digitalen Sicherheitssystems in Österreich. „Ich übernehme ein Best-Practice-Projekt im europäischen Vergleich und werde mit meinem Team alle Beteiligten dabei unterstützen, die letzte Projektphase zügig abzuschließen“, sagt er. (rüm)

Christoph Lendl hat am 1. Feburar 2020 die Alleingeschäftsführung der AMVS übernommen.