Inflation und globale Krisen treffen Gesundheitsversorgung

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Die Hersteller von Arzneimitteln und Medizinprodukten warnen im RELATUS-Rundruf vor den Folgen von Gas- und Energiekrise, Inflation und Lieferketten-Problemen.

„Die steigenden Kosten sind eine große Herausforderung für die heimischen Pharmabetriebe. Preistreiber sind vor allem Kosten für Energie, Logistik und inflationsgetriebene Lohnerhöhungen. Diese Entwicklung verschärft noch das Problem der geringen Erstattung im Generikabereich in Österreich. Damit reduziert sich die Wirtschaftlichkeit der österreichischen Produktionsstandorte und auch die die Zahl der Anbieter im Handel dünnt sich immer mehr aus“, warnt Sylvia Hofinger, Geschäftsführerin des Fachverbands der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) im RELATUS-Interview. Es sei zu beobachten, dass Arzneimittel vom Markt verschwinden. „Dies ist vor allem auf die Einkaufspolitik seitens des öffentlichen Beschaffungssystems bei Medikamenten zurückzuführen, die sich am billigsten Anbieter orientiert und Preiserhöhungen de facto nicht zulässt. Steigende Kosten verschärfen diese Situation und wir fürchten, dass sich der Trend nicht zuletzt auf Grund des weiter gestiegenen Preisdrucks nach der letzten ASVG-Novelle noch verschärfen könnten.“

Die Produktionskosten seien durch mehrere Faktoren drastisch gestiegen, berichtet Wolfgang Andiel, Präsident des heimischen Generikaverbandes: „Der Krieg in der Ukraine hat die Energiepreise in der EU um 65 % für Gas und 30 % für Strom erhöht, und es besteht zudem die Gefahr, dass Gaslieferungen rationiert werden. Die Transportkosten stiegen aufgrund der durch die Covid-19-Pandemie und den Krieg in der Ukraine verursachten Engpässe drastisch an – um bis zu 500%. Die gestiegenen Preise für Rohstoffe, kritische Ausgangsmaterialen und für Wirkstoffe lassen die Herstellkosten derzeit um 60 bis 150% ansteigen“, rechnet er vor. Dies alles wirke sich auf die Produktion und die Lieferung von Arzneimitteln in ganz Europa aus und „könnte unmittelbare Folgen für die Versorgung Europas mit Arzneimitteln haben.“

Ähnlich argumentiert auch Philipp Lindinger, Geschäftsführer des Medizinprodukteverbandes Austromed: „Wir gehen grundsätzlich davon aus, dass die aktuellen Entwicklungen einen deutlichen Impact auf die Branche haben werden, wobei die Folgen derzeit nicht abschätzbar sind.“ Hinsichtlich der Kostensteigerungen von Rohstoffen, Transport und Energie komme es je nach Produktbereich und anteiliger Kostenauswirkung wohl zu entsprechenden Preissteigerungen. „Kostensteigerungen wie etwa bei Frachtcontainern, die innerhalb der vergangenen beiden Jahre um 385% gestiegen sind, können nicht ignoriert werden.“ Da der Preisdruck auf Medizinprodukte in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten sehr hoch war, würden sich Kostensteigerungen und eine steigende Inflation deutlich spürbar aus auswirken. Über etwaige resultierende Lieferengpässe würden der Austromed aber noch keine Informationen vorliegen, sagt Lindinger. Auch Hofinger betont, dass sich derzeit noch kaum vermehrte Lieferengpässe bei Arzneimitteln beobachten lassen.

Sie warnt aber wie Andiel vor Erdgas-Engpässen. „Erdgas wird in der Herstellung von pharmazeutischen Produkten vor allem für die Dampferzeugung benötigt. Obwohl die Unternehmen seit mehreren Monaten nach Lösungen mit alternativen Energieträgern suchen und Umrüstungen ihrer Anlagen planen, eine komplette Substitution von Erdgas wird kurzfristig nicht möglich sein. Es ist daher entscheidend, dass im Falle eines Gaslieferstopps aus Russland die Arzneimittelproduktion bei der Zuteilung von Erdgas von der Bundesregierung priorisiert wird“, fordert Hofinger. (rüm)