Kommentar: ÖGK braucht Sicherheit und Planbarkeit

Martin Rümmele ist Chefredakteur von Relatus.

Deutschland will den öffentlichen Gesundheitssektor als Lehre aus der Coronakrise massiv ausbauen. In Österreich wird herumdiskutiert, wie viel die Gesundheitskasse wirklich als Coronahilfe braucht. Was es vor allem braucht ist rasche Klarheit.

Bund und Länder in Deutschland wollen den öffentlichen Gesundheitssektor als Lehre aus der Coronakrise massiv ausbauen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte diese Woche an, dass der Bund für den Ausbau vier Milliarden Euro in den kommenden Jahren bereitstellen werde. Damit sollen etwa Gesundheitsämter personell aufgestockt werden. Auch Deutschlands Krankenhäuser sollen zusätzliche Milliarden für Investitionen bekommen. Ein Krankenhauszukunftsfonds soll mit insgesamt 4,3 Milliarden Euro dotiert werden. So viel zu unserem Lieblingsnachbarn.

Und Österreich? Hier ist am Mittwoch die zweite Verhandlungsrunde über finanzielle Coronahilfen des Bundes für die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) ergebnislos verlaufen. Fix ist, dass der Staat die Kasse wegen der Corona-bedingten Ausfälle unterstützen wird, nur genauere Prognosen möchte man noch abwarten. Der nächste Termin wurde für Mitte Oktober vereinbart. Die ÖGK hatte in ihrer Gebarungsvorschau zuletzt einen Verlust von 447 Millionen Euro für 2020 vorausgesagt. „Noch liegen deutlich unterschiedliche Prognosen über den Finanzierungsbedarf der ÖGK 2020 und 2021 vor“, sagte Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne). Zuletzt hieß es, dass das Finanzministerium bremse. Es bestehe ein „gravierender Unterschied“ bei den Prognose-Einschätzungen, sagte ÖGK-Obmann Andreas Huss. Im Moment seien die Zahlen des Finanzministeriums für ihn „nicht nachvollziehbar“.

Hatte es nicht einmal geheißen, dass man alles tut, um die Coronakrise zu meistern – „koste es was es wolle“? Und hatte es davor nicht geheißen, dass die Reform der Krankenversicherung und die Zusammenlegung der Gebietskrankenkasse eine Patientenmilliarde bringen werde? Es geht hier allerdings nicht um die Frage, wie viel Geld die Gesundheitskasse nun wirklich braucht, es geht um viel mehr. Es geht auch um die Finanzierung der Spitäler, denn die ÖGK muss pauschal etwa ein Drittel ihrer Einnahmen an die Landesfonds abliefern. Fehlt der ÖGK Geld, fehlt es den Spitälern. Und es geht auch um Prioritäten. Wie viel sind der Regierung Gesundheit und eine optimale Versorgung wert? Wie viel sind der Regierung aber auch die hunderttausenden Menschen wert, die im Gesundheitswesen arbeiten und gerade in den vergangenen Monaten einen enormen Druck hatten und immer noch haben? Und wie viel sind der Regierung die Unternehmen wert, die das Gesundheitswesen mit den nötigen Produkten versorgen und den Bedarf planen müssen?

Als der Pharmakonzern Novartis vor einigen Wochen in den Raum gestellt hat, die Penizilinproduktion von Tirol nach Asien zu verlagern, wurden binnen kürzester Zeit 50 Millionen locker gemacht, um den Standort zu sichern. Es geht deshalb nicht um die Frage, ob die ÖGK heuer 300 oder 400 Millionen braucht – auch wenn das zugegeben viel Geld ist. Es geht um Wertschätzung für das was die Menschen und Unternehmen im Gesundheitswesen tagtäglich leisten – vor, während und hoffentlich auch noch nach der Corona-Krise. (rüm)

  • 12345