„Reformer“ sind mit sich selbst beschäftigt

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Wartezeiten, Lieferengpässe, Wahlärzt:innen-Boom, unversorgte Krankheiten und eine stockende Umsetzung der Gesundheitsreformen. Warum so wenig weitergeht im Gesundheitswesen.

Was ist los im Gesundheitswesen? Die Probleme häufen sich: Im Radiologiebereich explodieren die Wartezeiten – vor allem bei Großgeräten. Lieferengpässe bei Medikamenten bekommt das System seit Jahren nicht in den Griff. Die Zahl der Wahlärzt:innen und damit die Mehr-Klassenmedizin wächst. An allen Ecken und Enden fehlt Personal. Krankheiten wie ME/CFS und andere sind unversorgt. Und jetzt scheint es, als würde auch die Umsetzung der zum Jahreswechsel fixierten Reformen in der zuständigen Bundeszielsteuerungskommission scheitern.

Die Antwort auf all diese Probleme ist gleich: die wichtigen Akteure im Gesundheitswesen sind vor allem mit sich selbst beschäftigt. Allen voran die Sozialversicherungen, die seit der von türkis-blau 2017 gestarteten Zusammenlegung, vor allem mit der eigenen Umorganisation beschäftigt sind. Sichtbar wird das etwa in der aktuellen MRT-Debatte. Die gab es bereits 2017 – noch vor türkis-blau. Die damalige Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner verhandelte längere Öffnungszeiten und vor allem ein Monitoring durch die Kassen, ob die Reform wirkt. Wo sind die Ergebnisse dieses Monitorings und wie sehen sie aus? Auch dass Kassenverträge so unattraktiv sind, dass die Zahl der Wahlärzt:innen stark steigt, ist kein Ruhmesblatt für die Krankenversicherung.

Auch die Bundesländer bremsen, wo es geht. In der aktuellen Bundeszielsteuerungskommission legen sie sich gegen die im Finanzausgleich fixierten Reformen quer. Sie hätten doch schon längst alles umgesetzt, man soll ihnen einfach das versprochene Geld geben, ist das Argument. Das Prinzip ist nicht neu: im März 2022 wurde vom Nationalrat das Hospiz- und Palliativfondsgesetz verabschiedet, um den flächendeckenden Aus- und Aufbau einer spezialisierten und qualitativ hochwertigen Hospiz- und Palliativversorgung sicherzustellen. Dafür haben die Länder bis heuer 108 Millionen Euro erhalten – zweckgebunden. Was die Länder wirklich umgesetzt haben, ist unklar. Die Vermutung drängt sich auf, dass das Geld zum Stopfen von Löchern irgendwo im System verwendet worden ist – auf dem Rücken der Patient:innen und der Beschäftigten. Das passiert übrigens auch bei anderen schlecht versorgten Krankheiten, wie ME/CFS. Es ist mehr als ein Armutszeugnis für ein reiches Land mit einem guten Sozialsystem, dass politische Akteure und Krankenversicherungen erst dann auf Lücken reagieren, wenn sich engagierte Personen und selbst betroffene Sponsoren finden, die diese Lücken öffentlichkeitswirksam anprangern. Was ist mit den vielen bedürftigen Menschen, die sich diesen Lobbyismus nicht leisten können? Es wird Zeit, dass alle Stakeholder im Gesundheitswesen sich wieder um ihre eigentlichen Aufgaben kümmern: die Versorgung sicherzustellen und zu verbessern. (rüm)