Bernd Grabner ist Präsident des Europäischen Pharmagroßhandelsverbandes GIRP und Geschäftsführer von Jacoby GM. Im RELATUS-Interview spricht er über Arzneimittelengpässe und Lösungen.
Aus EU-Ebene wird seit Monaten ein Arzneimittel-Paket diskutiert, das unter anderem Lieferengpässe verhindern soll. Wie ist da der Stand und wie geht es weiter? Die großen Diskussionen finden jetzt im EU-Ministerrat statt. Die entsprechenden Arbeitsgruppen tagen im Wochentakt. Allerdings haben die Mitgliedsstaaten sehr unterschiedliche Ansichten. Das Pharmapaket ist deshalb noch lange nicht fertig. Und wenn das Rat hier eine Lösung findet, muss das Paket noch einmal in einen Dialog mit der Kommission und dem Parlament. Durch die Wahlen wird es aber dauern bis es wieder ein Parlament gibt, das arbeitet. Dazu kommt, dass durchaus sein kann, dass das Paket auch noch völlig aufgeschnürt wird.
Wo liegen die Knackpunkte? Eines der Probleme ist das Subsidiaritätsprinzip: die EU muss Regeln machen, Gesundheit ist aber Ländersache. Dazu kommen inhaltliche Differenzen. Der Vollgroßhandel soll etwa eine umfassende Lieferverpflichtung bekommen – die wir auch anstreben – es gibt aber nicht die Pflicht, dass die Hersteller uns auch beliefern müssen. Wenn ein Hersteller aber Apotheken direkt beliefert, unterliegt er nicht den zeitlichen Lieferverpflichtungen wie wir. So eine Lösung bringt dann aber nichts. Dazu kommt die Initiative für Bevorratungen für Engpässe und Krisen – das ist aber auch noch nicht koordiniert. So wie es jetzt ist, wird das für die Versorgungssicherheit wenig bringen, auch weil sich die Grundprobleme der Globalisierung und der Konzentration nicht ändern. Was mir massiv fehlt, ist die Koordinierung auf EU-Ebene und die Abstimmung mit den Mitgliedsländern. Das findet zu wenig statt.
Warum ist das so? Es besteht die Gefahr, dass es zu viele Initiativen gibt – auf EU-Ebene und innerhalb der Mitgliedsländer: Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten ECDC, die Behörde für Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen HERA, die Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit DG Sante und die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA sind Einheiten, die sich teilweise mit den gleichen Dingen beschäftigen. Diese Kompetenzzersplitterung auf EU-Ebene ist fürchterlich. HERA hat zudem die Critical medicines alliance geschaffen – als Diskussionsplattform für Stakeholder.
Also nichts Gutes in Sicht? Doch, natürlich. Es wird Vorschriften geben, die Transparenz bringen. Die Frage ist dann aber, was man mit der ganzen Information macht. Das Problem ist, dass die Mitgliedsländer ganz unterschiedliche Lösungen in der Arzneimittelversorgung haben. Italien hat viel mehr Großhändler, die Finnen sehen vor, dass jedes Arzneimitten jeweils einen Großhändler hat. Hier Lösungen zu finden, die für alle Sinn machen, ist schwer. Dazu kommt, dass die Fronten zwischen den Stakeholdern in der Lieferkette massiv verhärtet sind. Ich bin überzeugter Europäer, aber es braucht ein koordiniertes europäisches Regelwerk mit Umsetzungsmöglichkeiten in den Mitgliedsstatten. (Das Gespräch führte Martin Rümmele)