Therapeutische Entdeckung feiert 100. Geburtstag

Nur wenige neue Erkenntnisse haben die Medizin so verändert wie die Entdeckung, welche die kanadischen Forscher Frederick Banting und Charles Best am 27. Juli 1921 machten.

Die beiden Forscher isolierten bei Hunden das Blutzucker senkende Stoffwechselhormon Insulin und injizierten es Tieren ohne Bauchspeicheldrüse. Schon im Jahr darauf konnte der erste Diabetiker mit Insulin behandelt, die Zuckerkrankheit wurde beherrschbar. „Die Entdeckung von Insulin veränderte das Leben von Menschen, die Zugang dazu hatten (…), schrieb jetzt Amy Moran-Thomas vom Programm für Anthropologie des Massachusetts Institute of Technology (USA) im New England Journal of Medicine. Man schätzt, dass es weltweit rund 500 Millionen Erkrankte gibt, von denen rund zehn Prozent Typ-1-Diabetiker sind. Hinzu kommt, dass etwa ein Drittel der Patienten mit nicht-insulinabhängigem Typ-2-Diabetes im Laufe ihrer chronischen Erkrankung ebenfalls Insulin benötigen. Längst ist laut Experten noch nicht sichergestellt, dass alle Diabetiker weltweit ausreichend Zugang haben. Dazu gibt es aber keine wirklich aussagekräftigen Daten.

An sich erfolgte die Entwicklung der Insulintherapie in den 1920er-Jahren blitzschnell. Schon am 11. Jänner 1922 verabreichten Banting (1891 bis 1941) und Best (1899 bis 1978) in Toronto erstmals einem Menschen Insulin zur Behandlung von Diabetes. Der erste Versuch mit einem Bauchspeicheldrüsenextrakt von Kälberföten schlug zwar noch fehl, doch mit einem verbesserten Extrakt klappte es zwölf Tage später: Mit täglich zwei Injektionen besserte sich der Zustand des 14-jährigen Patienten. Hatte der bereits schwerkranke Bub zuvor unter starkem Gewichtsverlust, Schwäche, plagendem Durst und dauerndem Wasserlassen gelitten, so blühte er plötzlich förmlich auf.

Banting erzählte später: „Der Bub wurde munter, aktiver, sah besser aus und fühlte sich kräftiger.“ Sein Blutzuckerspiegel normalisierte sich, im Urin konnte bald kein Zucker mehr festgestellt werden. Das verabreichte „Insulin“ wirkte offenbar. Schon 1923 erhielten Banting und der Physiologieprofessor John Mcloed (Toronto) den Medizinnobelpreis für ihre Arbeiten. Sie teilten die Auszeichnung mit Best bzw. mit John Collip, der ebenfalls zu dem Team gehört hatte. Trotz aller Missstimmungen und Eifersüchteleien rang sich das Team zur Gründung eines Joint Venture mit dem US-Pharma-Unternehmen Eli Lilly im US-Bundesstaat Indiana durch. Schon Anfang 1923 postulierte man, „die ganze zivilisierte Welt mit Insulin“ versorgen zu können.

In den Jahrzehnten seither hat sich die „Insulin-Landschaft“ völlig verändert. Anfang der 1980er-Jahre wurde gentechnisch hergestelltes Human-Insulin zugelassen. Gleichzeitig erlaubte die gezielte molekulare Veränderung des Insulin eine genaue Steuerbarkeit für unterschiedliche Verwendungszwecke: extrem kurzfristig wirkende Insulin-Analoga und extrem lang wirksame Insuline. Über die vergangenen Jahrzehnte hinweg haben aber auch die immer besser werdenden Methoden zur Blutzuckermessung bis hin zur konstanten Bestimmung des Blutzuckers die Behandlung des Diabetes ebenso drastisch verbessert. Hinzu kommen noch Insulinpumpen. (red/APA)