Unnötige Amputationen statt Wundversorgung

v.l.: Philipp Lindinger (Wund?Gesund!), Raffael Himmelsbach (Ludwig Boltzmann Forschungsgruppe Alterung und Wundheilung), Martina Laschet (Wund?Gesund!), Peter Kurz (AWA, Wund Pflege Management) © Initiative Wund? Gesund!/APA-Fotoservice/Schedl

Expert:innen aus dem Wundmanagement schlagen Alarm: Wegen einer ineffizienten Wundversorgung komme es teils zu unnötigen Amputationen vor allem bei Diabetiker:innen.

Die Amputationsrate ist in Österreich vergleichsweise hoch: Laut Peter Kurz von der Austrian Wound Association und der WPM Wund Pflege Management GmbH liegt die Amputationsrate für den diabetischen Fuß in Deutschland bei 2,4 Prozent und in Österreich bei 13 Prozent. Kurz hält viele der Amputationen für „nicht notwendig“, das System sei „anzuprangern“. Schuld daran ist laut Expert:innen der Initiative „Wund? Gesund!“ ein intransparentes und unstrukturiertes Wundmanagement. So gäbe es in Österreich etwa zu wenige Wundambulanzen, der niedergelassene Bereich sei grundsätzlich „finanziell nicht für das Wundmanagement aufgebaut“, befindet Kurz bei einem Pressegespräch.

Für eine funktionierende Versorgung chronischer Wunden braucht es seiner Meinung nach immer ein Team aus Pflege und Medizin, die gemeinsam einen Behandlungsplan erstellen und in weiterer Folge Therapieberufe und weitere Gesundheitsberufe für eine ganzheitliche Analyse miteinbeziehen. Auch die Ausbildung sollte angepasst werden. Sowohl in der Pflege als in der Medizin sind Aus-, Fort- und Weiterbildungen im Bereich Wundmanagement „sehr marginal“, meint Kurz. Eine Ausbildung zum Facharzt oder einer Fachärztin gibt es in diesem Bereich nicht, Interessierte müssten selbst nach Mentor:innen suchen und aus eigener Kraft dranbleiben.

Ralf Himmelsbach von der Ludwig Blotzmann Forschungsgruppe für Alterung und Wundheilung ergänzt, dass es darüber hinaus ein Kompetenzvertrauensproblem zwischen Medizin und Pflege gäbe. Einerseits, weil es eben keine Spezialisierung gäbe und Wundversorgung als niedrig-Status-Problem angesehen wird. Andererseits weil die Weiterbildung noch nicht normiert ist und Wundversorgung daher viel Beziehungsarbeit zwischen den einzelnen Gesundheitsberufen verlangt. Hinzu kommt, dass die Kosten für einen Verbandswechsel laut Himmelsbach in Wien bei ungefähr sechs Euro liegen – wenig Geld für einen großen Zeitaufwand. Martina Laschet und Philipp Lindinger, Sprecher:innen von „Wund? Gesund!“ plädieren daher für eine Verbesserung der Situation – sie wünschen sich einen offenen Diskurs mit den Stakeholdern, ein „einheitliches, zentrales, transparentes und verpflichtendes Erstattungssystem für Heilmittelbehelfe“ und fordern von der Politik, dass der Fortschritt in der Wundversorgung auch tatsächlich bei den Patient:innen ankommen soll. (kagr)