Wettbewerbshüter nahmen erneut Pharmaversorgung ins Visier

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Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) hat ihren mit Spannung erwarteten dritten Bericht zu Apotheken und Pharmahandel vorgelegt. Dabei gab es nicht nur Kritik an Entwicklungen der jüngsten Jahre, sondern auch Reformvorschläge – etwa zur Behebung von Lieferengpässen.

Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) hat erneut den Pharmahandel in Österreich unter die Lupe genommen und kommt zum Schluss, dass die Arzneimittelversorgung unter der steigenden Marktkonzentration leiden könnte. In den vergangenen 30 Jahren sei die Anzahl der Handelsfirmen (darunter viele Apotheken) durch Übernahmen von 110 auf ungefähr 30 gesunken, wie es in dem Bericht heißt. Bedenklich aus Wettbewerbssicht sei auch, dass sich Pharmagroßhändler vermehrt an Apotheken beteiligen und so Einfluss auf Preise und Absatz haben. Aufgrund der hohen Logistikosten würden die öffentlichen Apotheken durchschnittlich 50 bis 90 Prozent des Gesamtbedarfes von einem einzigen Arzneimittelgroßhändler beziehen. „Die Marktkonzentration im Pharmabereich ist mit Sorge zu sehen, da diese Wissenskonzentration zu höheren Preisen und Angebotsverknappung von Arzneimitteln führen kann“, sagt BWB-Chef Theodor Thanner. Im internationalen Preisvergleich seien die Ausgaben in Österreich trotz einem unterschiedlichen Preisniveaus mit knapp 600 Euro pro Kopf hoch. „Österreich lag im Vergleich mit 16 anderen Ländern auf Platz 4 bei den Kosten.“

Auch Lieferengpässe wurden genauer untersucht. Das Risiko, dass ein Medikament nicht verfügbar ist, ist laut BWB in den vergangenen 20 Jahren deutlich gestiegen. Aktuell sind im Register für Vertriebseinschränkungen des Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen rund 300 Arzneimittel als nicht oder nur eingeschränkt verfügbar. Die Preisgestaltung bei Medikamenten ist aufgrund nationaler Regelungen in Europa stark unterschiedlich. Dabei können die Preisunterschiede zwischen den Ländern bis zu 300 Prozent betragen. Dadurch haben Arzneimittelhändler nach Ansicht der Wettbewerbshüter einen erhöhten Anreiz, Parallelhandel zu betreiben und Produkte in Ländern mit höheren Arzneimittelpreisen vermehrt zu vertreiben. Dies könne dazu führen, dass in Ländern mit niedrigeren Preisen, wie in Österreich, Medikamente nicht ausreichend zu Verfügung stehen, so die BWB. Sie hat neun Empfehlungen erarbeitet, die für ein wettbewerbsfreundlicheres Umfeld sorgen sollen und einer Arzneimittelknappheit entgegenwirken sollen:

  • Evaluierung der Preisbestandteile von Arzneimitteln, insbesondere hinsichtlich der gesetzlichen Aufschläge (Großhandels- und Apothekenaufschlag).
  • Neben klassischen standortpolitischen Maßnahmen, wie etwa der Forcierung von eHealth-Anwendungen und Digitalisierung oder Verbesserung der medizinischen Infrastruktur, sollten in diesem Sinne auch Maßnahmen wie europarechtskonforme finanzielle Anreizsetzungen zB Preiserstattungen für nachweislich in der Europäischen Union produzierte Arzneimittel oder Wirkstoffe gesetzt werden. In diesem Zusammenhang sollten etwa GMP-Konformität, Ökologie und faire Arbeitsbedingungen berücksichtigt werden.
  • Erarbeitung eines transparenten Kriterienkatalogs für unentbehrliche Arzneimittel oder Wirkstoffe, auf die im Rahmen einer standortpolitischen Anreizsetzung ein besonderer Fokus hinsichtlich einer Produktion in der Europäischen Union gesetzt werden sollte.
  • Grundsätzlich sollte die Abhängigkeit von einzelnen Zulieferern reduziert und der Bezug auf mehrere Zulieferer ausgeweitet werden. Im Ergebnis wird mehr Wettbewerb in diesem Bereich zu einer höheren Versorgungssicherheit führen. Eine Evaluierung der Wirksamkeit der Zusammenschlussanmeldungen bei der BWB anhand der Überschreitung der Transaktionswertschwelle, welche insbesondere im Hinblick auf die Übernahme von Start-up-Unternehmen unter dem Aspekt des Schutzes von Innovationspotenzialen und Innovationswettbewerb abzielt, kann für weitergehende rechtspolitische Überlegungen eine Unterstützung bieten.
  • Bessere Abstimmung und Vereinheitlichung der Parallelexportregelungen in den Mitgliedstaaten.
  • Anpassungen von Rechtsvorschriften, etwa hinsichtlich der Ausdehnung des meldeberechtigten Adressatenkreises in der VO-Arzneimittelversorgung, Vereinfachung der RL-Fälschungsschutz für Arzneimittel und Vereinheitlichung der Kriterien für Zertifizierungen.
  • Erhöhung der Transparenz der Produzenten bei der Festlegung länderspezifischer Arzneimittelkontingente auf der Basis eines Kriterienkatalogs.
  • Weitere Fokussierung der bestehenden Initiativen im Zusammenhang mit Arzneimittelversorgung, etwa durch Taskforces auf nationaler und europäischer Ebene.
  • Beschränkung der höchst zulässigen Eigentumsanteile des Arzneimittelgroßhandels öffentlichen Apotheken. (rüm)