Wie sich der Arzneimittelmarkt gerade massiv ändert

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Der Hype um Diätspritzen sorgte an den Börsen für massive Kursgewinne. Auch aus dem Krebsbereich gibt es Erfolgsmeldungen. Gleichzeitig kommen traditionelle Massensegmente unter Druck.

Spricht man mit Expert:innen aus dem Pharmabereich, fällt eine Aussage immer wieder: die Zeit der Blockbuster ist vorbei. Arzneimittel mit Milliardenumsätzen durch breite Indikationen mit Hunderttausenden Patient:innen in der Kassenerstattung gehen zurück. Personalisierte Medizin – vor allem in der Onkologie – nimmt zu, und mit ihr auch biotechnologische gegenüber chemischen Produkte. Im Massenmarkt boomen derzeit noch Abnehmspritzen, hier sind aber öffentliche Finanzierungen unklar. All das verändert auch die Vertriebsstrukturen in den Unternehmen.

Umgekehrt kommen Generikahersteller und mit ihnen Großhandel und Apotheken durch den wachsenden Preisdruck und neue Auflagen wie die EU-Abwasserrichtlinie in Schwierigkeiten. Massenmedikamente, die für Hunderttausende Menschen (lebens)notwendig sind wie Metformin für Diabetiker:innen, sind so billig, dass es sich bald nicht mehr lohnt sie zu produzieren, oder sie flächendeckend in Apotheken zu anzubieten. Geht es so weiter, werden auch Apotheken verschwinden. Zu sehen ist das Systemversagen schon in den USA und auch in Deutschland. Dazu kommt die Konkurrenz durch Onlinehandel und Discounter. Aus Deutschland wird bereits eine Welle an Apothekenschließungen gemeldet: 2015 gab es noch mehr als 22.000 Apotheken, heuer sinkt ihre Zahl auf unter 17.000. In den USA kündigen Apothekenketten wie Walgreens, CVS und Rite Aid an, heuer mehr als 2.500 Filialen zu schließen. Aus Österreich werden erste Insolvenzen gemeldet, andere Apotheken kämpfen mit der Ertragslage.

„Wir befinden uns in einem Prozess des Marktwandels, der auch geprägt ist durch die Digitalisierung – mit positiven und negativen Effekten. Einerseits bringt sie den Apotheken Effizienzsteigerungen und Hilfe, andererseits hilft sie Onlineapotheken, die nicht die Standards der Apotheken erfüllen müssen“, sagte Thomas Veitschegger, Präsident des Österreichischen Apothekerverbandes, zu Wochenbeginn bei einer Veranstaltung des Marktforschungsunternehmens IQVIA. „Die OTC-Branche und die Apotheken finden aktuell ein schwieriges wirtschaftliches Umfeld vor. Zum Teil liegt das an der rezessiven Situation der Gesamtwirtschaft, zum Teil auch an den Marktstrukturen“, betonte Frank Wartenberg, President Central Europe von IQVIA. Europa habe den größten Anteil am weltweiten OTC-Markt – gefolgt von der Asia-Pazifik-Region. Das Marktwachstum sei durchaus gegeben und stark getrieben von Innovationen. „Das Wachstum in Europa kommt aber vor allem aus Zentral- und Osteuropa. In Österreich war das Wachstum mit +3,4 % eher unterdurchschnittlich.“

Doch es gibt auch Hoffnung: Einen Trend ortet Wartenberg in der Prävention und dem Thema Longevity. Gerade die Generationen der Millennials und Gen Z würden sich für Gesundheit, Langlebigkeit und Präventive Care interessieren und danach trachten, dass sich der Unterschied zwischen Lebenszeit und gesunder Zeit ausgeglichen entwickle. „Medizin 3.0 ist Prävention. 2.0 ist das Behandeln von Krankheiten.“ Dadurch seien unter anderem Nahrungsergänzungen, Vitamin-Präparate und Supplements gefragt. Hier gebe es Innovationen, die auch das Geschäftsmodell der Apotheken erweitern können. Allerdings gebe aus auch wachsende Konkurrenz nicht nur im Bereich der ePharmacy wie von Amazon, sondern auch Drugstores und den Lebensmittelhandel, die in dieses Segment drängen. (rüm)