Wirkstoffverschreibung: Apotheker machen Druck, Ärzte wollen kontern

Die Apotheker erhalten vom Sprecher der Patientenanwälte Hilfe bei der Forderung, dass Ärzte nur Wirkstoffe verschreiben und Apotheken das verfügbare Produkt abgeben. Die Ärztekammer sieht die Therapiehoheit in Gefahr und will am Mittwoch zum Gegenschlag ausholen.

Bereits Anfang Juli hatte RELATUS PHARM über den Vorstoß der Apothekerkammer berichtet, das Apothekengesetz dahingehend ändern zu lassen, dass Apotheken bei Lieferproblemen eines Produktes auch ein wirkstoffidentes Produkt abgeben können. Der Widerstand von Ärzten und Pharmaindustrie kam umgehend. Nun bekommen die Apotheker Schützenhilfe vom Sprecher der Patientenanwälte, Gerald Bachinger. Er fordert, dass Ärzte überhaupt nur noch den Wirkstoff verschreiben und Apotheken dann abgeben können, was gerade verfügbar ist. Bachinger und Apothekerkammerpräsidentin Ulrike Mursch-Edelmayr argumentierten mit den seit vielen Monaten immer wieder bestehenden Lieferengpässen bei vielen Medikamenten. Eine Aut idem-Regelung könne das mildern.

Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres bezeichnet das als „scheinheilig“. Hier würden Interessen der Patienten vorgeschoben, tatsächlich ginge es aber nur um finanzielle Vorteile für die Apotheken. Die Problematik: „Der Wirkstoff von Originalpräparat und Generika ist zwar völlig ident, Unterschiede gibt es aber in der Füllstärke und den Zusätzen“, sagt Szekeres. Er vermutet hinter dem Vorstoß vielmehr pekuniäre Interessen: „Lagerhaltungen sind mit Kosten verbunden, und Apotheker ersparen sich viel Geld, wenn sie nicht mehr alle Arzneimittel lagernd haben, sondern eben nur noch einzelne Generika.“

Scharf reagiert auch der Vizepräsident und Obmann der Kurie der niedergelassenen Ärzte, Johannes Steinhart: „Dass sich Patientenanwalt Bachinger vor den Karren der Apothekerinteressen spannen lässt, ist ein Ärgernis mehr in seiner Amtsführung.“ Dass zahlreiche Medikamente nicht lieferbar sind, sei ein Argument für eine bessere Lagerhaltung und nicht für eine Änderung der Gesetzeslage. „Dass als Bioäquivalenz gilt, wenn die Bioverfügbarkeit eines Generikums innerhalb von 80 bis 125 Prozent jener des Originalpräparates liegt, zeigt die enormen Unterschiede zwischen den einzelnen Produkten, die hier vom Apotheker nach Belieben – und nach der Zufälligkeit und Maßgabe der Lagerbestände – verkauft werden können sollen. Allerdings wissen nur Ärztinnen und Ärzte, was ihre Patienten im Einzelfall brauchen, und nicht der Verkäufer dieser Medikamente.“

Die Ärztekammer will am Mittwoch den Spieß umdrehen: Wenn die Versorgung mit Medikamenten von Apotheken nicht gewährleistet werden könne, müsse man über andere Versorgungsstrukturen nachdenken, formuliert Steinhart: „Wir fordern mehr ärztliche Hausapotheken im Sinne einer One-Stop-Shop-Lösung und Änderungen im Gebietsschutz der Apotheken. In Gemeinden mit nur einem Arzt beziehungswiese dort wo Ärzte das wollen, sollen sie die Möglichkeit haben eine Hausapotheke führen zu können.“ (rüm)