Die EU hat eine umfassende Life Science-Strategie vorgestellt. So soll Europa bis 2030 zum weltweit führenden Standort in der Forschung werden.
Während die USA unter der Regierung von Donald Trump der Wissenschaft eher skeptisch gegenübersteht, will die EU den Life Science-Sektor ausbauen und hofft auch auf die Abwanderung von Wissenschafter:innen aus den USA in die EU. Unter dem Motto „Choose Europe for Life Sciences“ hat die Europäischen Kommission nun die neue EU Life Sciences-Strategie vorgestellt – eine von insgesamt 13 Flagship Aktionen im Rahmen des „Competitiveness Compass“ der EU. Ziel ist es, Forschung und Innovation nachhaltig zu stärken und Europa bis 2030 zur globalen Spitze der Life Sciences zu führen. Dafür sollen zehn Milliarden Euro investiert werden.
Die EU-Strategie verfolgt einen holistischen und multi-stakeholder Ansatz und basiert auf drei eng miteinander verknüpften Säulen: der Stärkung des F&I-Ökosystems für einen global wettbewerbsfähigen Life Sciences-Sektor, einem raschen und sicheren Marktzugang für Innovationen und ein breiter Zugang der Gesellschaft zu deren Nutzen, sowie die Förderung von Anwendung, Vertrauen und Nutzung von Innovationen und neuen Technologien.
Die EU sieht die Life Sciences als Basis und Motor für Innovationen in der Medizin(forschung), Ernährung und nachhaltigen Produktion. Sie generieren jährlich knapp 1,5 Billionen Euro an Wertschöpfung, sichern rund 29 Millionen Arbeitsplätze und tragen mehr als 9 % zum EU-BIP bei. Damit seien sie ein zentrales Element für eine prosperierende europäische Wirtschaft und ein essenzieller Faktor für das Wohlergehen der Menschen. „Life Sciences sind eine Schlüsseltechnologie für Innovationen in Gesundheit, Ernährung, nachhaltiger Produktion und Umwelt. Die exzellente Grundlagenforschung der österreichischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen ist eine essentielle Voraussetzung für die Life Sciences Innovationen von morgen – wie sie etwa durch die Forschung der neuen Wittgenstein-Preisträgerin Elly Tanaka sichtbar wird“, sagt Eva-Maria Holzleitner, Bundesministerin für Frauen, Wissenschaft und Forschung (SPÖ).
Weitestgehend positiv beurteilt der europäische Pharmaindustrieverband EFPIA die Life Sciences-Strategie. Diese sei „ein höchst willkommener Schritt für die in Europa tätigen Unternehmen“. Die Strategie fokussiere richtigerweise darauf, die Durchführung klinischer Studien zu erleichtern. Ferner begrüßt der Verband das noch für heuer geplante EU-Biotech-Gesetz, mit dem der Kommission zufolge „ein innovationsfreundlicherer Rahmen für alle Biotech-Sektoren“ geschaffen werden soll. Auch die Ankündigung, eine „Koordinierungsgruppe für Biowissenschaften“ (Life Sciences Coordination Board) zu etablieren, „um Politik und Finanzierung sektorübergreifend aufeinander abzustimmen und die Zusammenarbeit mit wichtigen Interessenträgern, einschließlich der Industrie und der Bürgerinnen und Bürger, zu unterstützen“, stößt bei der EFPIA auf Zustimmung. Dies könne helfen, die Strategie in „schnelle, greifbare“ Handlungen umzusetzen.
EFPIA-Generaldirektorin Nathalie Moll konstatierte, es sei „außerordentlich ermutigend, dass die EU-Gesetzgeber die Notwendigkeit erkennen, negative Trends umzukehren und dass sie aktiv nach neuen Investitionen suchen“. Um seine führende Rolle im Pharmasektor zu behaupten, müsse Europa selbst in neuartige Arzneimittel investieren, private Investoren anziehen, sicherstellen, dass die Investitionen rascher zu neuen Behandlungsmöglichkeiten sowie zu Wirtschaftswachstum führen und den Patient:innen in der EU den Zugang zu den Präparaten ebenso rasch gewährleisten wie in anderen Regionen. Notwendig sind der EFPIA zufolge ein „funktionierender einheitlicher Markt für klinische Studien“ sowie eine Strategie für die gleichzeitige Durchführung solcher Studien in mehreren EU-Staaten.
Insgesamt könnte Europa auch von den Entwicklungen in den USA profitieren, sagt Pavol Dobrocky, Präsident des Österreichischen Pharmaverbandes Pharmig im Relatus-Interview. „Die Entwicklungen in den USA – etwa politische Unsicherheiten oder Einschränkungen bei der Forschungsfreiheit – könnten dazu führen, dass sich Forschende nach stabileren Standorten umsehen. Das ist eine Chance für Europa und auch für Österreich, wenn wir aktiv handeln.“ Nachsatz: Derzeit sei Österreich als Forschungsstandort solide, aber international nicht führend. „Genehmigungsverfahren dauern zu lange, und es fehlt an gezielten Anreizen für forschungsstarke Unternehmen. Auch beim Zugang zu Risikokapital für Start-ups gibt es strukturelle Schwächen. Was es braucht, ist ein forschungsfreundliches Gesamtpaket: schnellere Verfahren, eine gestärkte Forschungsprämie, gezielte Talentförderung und mehr Risikokapital. Nur so kann aus einem möglichen Brain-Drain ein echter Brain-Gain werden.“ (rüm)