Focus Andrologie: Erektile Dysfunktion: Aktuelles zur Diagnostik und Therapie

Erektile Dysfunktion (ED) ist die anhaltende Unfähigkeit, eine Erektion zu erreichen oder aufrechtzuerhalten, die für einen befriedigenden Geschlechtsverkehr ausreichend ist. Das Thema erektile Dysfunktion ist zunehmend enttabuisiert und somit verstärkt Thema in der urologischen Praxis. Der vorliegende Artikel soll die aktuelle Situation der Diagnostik und Therapie darstellen.

Ursachen: Da für den Erektionsmechanismus eine ganze Kaskade von Vorgängen notwendig ist, sind die Ursachen unterteilt in organische Ursachen (vaskulär, neurogen, anatomisch, endokrin, iatrogen [operativer Eingriff im Becken]), psychogene Ursachen und Mischformen.

Diagnostik: Im Rahmen der Diagnostik kommt der Anamnese eine entscheidende Bedeutung zu. Als Unterstützung ist ein validierter Fragebogen (z.B. IIEF [Index of Erectile Function]) hilfreich. Natürlich ist der urologische Status zu erheben (inkl. Body Mass Index, um den diätetischen Aspekt zu erfassen). Ergänzend sollte eine Laboruntersuchung (inkl. PSA, Blutfette, Zucker und Gesamttestosteron und Prolaktin) vorgenommen werden. Selten ist eine weitere Abklärung erforderlich: nocturnal penile tumescence and rigity (NPTR) – Einstufung der nächtlichen Erektionshäufigkeit und -härte; SKIT (Pharmakotestung mittels Injektion von Prostaglandin E1 oder Papaverin/Phentolamin in den Schwellkörper); Duplexsonographie (Messung im flakziden Zustand und mit SKIT – eine maximale systolische Flussgeschwindigkeit > 30 cm/s erlaubt den Ausschluss einer arteriellen Erkrankung, hohe enddiastolische Flussgeschwindigkeiten weisen auf ein venöses Leak hin). Zuletzt steht in ausgesuchten Fällen auch noch die Angiographie und Kavernosographie zur Verfügung.

ED als Hinweis auf kardiovaskuläre Probleme

Während der frühzeitige Samenerguss besonders von Männern in jüngeren Jahren berichtet wird, treten Störungen der erektilen Funktion mit zunehmendem Alter auf. Ursächlich verantwortlich zeichnen dafür neben dem Alter als wesentlichem Risikofaktor die Akkumulation von Risken wie Diabetes, KHK, Hypertonie, Fettstoffwechselstörungen, Medikamenteneinnahme, operative Eingriffe im kleinen Becken etc. Die Prävention insbesondere des metabolischen Syndroms hat nicht nur positive Auswirkungen auf die Gesundheit, sondern auch auf die sexuelle Funktion. Mehrere Studien berichteten über den direkten Zusammenhang sexueller Funktionsstörungen mit dem metabolischen Syndrom sowie der koronaren Herzerkrankung und dem Insultrisiko. Bei normaler Erektion ist das Risiko, eine KHK oder einen Insult zu erleiden, geringer als bei Vorliegen einer Erektionsstörung. Der Begriff der erektilen Funktion als window to the heart wurde bereits vor Jahren geprägt und bezieht sich auf die Erektionsstörung als Frühsymptom einer KHK oder eines bis dato nicht entdeckten Diabetes.
Wiederholt wurde darauf hingewiesen, Männer nicht nur nach kardialen Beschwerden, sondern auch nach dem Erhalt der erektilen Funktion zu befragen, da diesbezügliche Beeinträchtigungen bereits frühzeitig auf Gefäßstenosen hinweisen können. Neben der steigenden Inzidenz der Hypertonie, des Diabetes sowie von Fettstoffwechselstörungen im Alterungsprozess steigt somit auch jene der erektilen Dysfunktion.
Als weitere Ursache einer erektilen Dysfunktion stehen mannigfaltige psychische Faktoren zur Diskussion. Oft sind es partnerschaftliche Probleme, wie auch Leistungsdruck im Berufs-, aber auch Sexualleben.

Therapieoptionen bei Erektionsstörungen

Medikamentöse Therapie: Die Therapie der erektilen Dysfunktion ist mehrstufig, wobei die gute Ansprechrate der PDE-5- Hemmer (Sildenafil, Tadalafil, Vardenafil) in zahlreichen Studien belegt wurde. In der Regel werden diese Medikamente bei Bedarf ca. ein bis eineinhalb Stunden vor der sexuellen Aktivität eingenommen, je nach Therapeutikum beträgt die Wirkzeit 4-8 oder 20-36 Stunden. Die Wirkung erfolgt direkt am Schwellkörper, wobei sie nur dann eintritt, wenn sexuelle Stimulation erfolgt. Die Sorge vor einer prolongierten Erektion (Priapismus) ist aufgrund der alleinigen Einnahme von PDE-5-Hemmern wissenschaftlich nie berichtet worden und somit nicht gerechtfertigt. Wesentliche neue Erkenntnisse zu den PDE-5-Hemmern haben sich innerhalb der letzten Jahre nicht ergeben, es wurde nur eine weitere Darreichungsform zugelassen. Die tägliche Einnahme von Tadalafil in einer niedrigen Dosierung (5 mg) kann bei Männern mit geringer Beeinträchtigung der Erektion eingesetzt werden und wird von manchen, zumeist jüngeren, Männern durch Entkoppelung der Einnahme von der sexuellen Aktivität präferiert. Diese Therapieoption eignet sich vor allem auch bei häufiger sexueller Aktivität. In vielen Fällen aber wird die Einnahme bei Bedarf vorgezogen. Am Nebenwirkungsprofil (Kopfschmerz, Sodbrennen, schnupfenähnliches Gefühl, Gesichtsrötung; alle insgesamt unter 10%) der PDE-5-Hemmer hat sich keine Neuigkeit ergeben, sie gelten als sichere Präparate, die nur wenige Kontraindikationen (Nitrate, NO-Donatoren) haben. Auch der kardiale Patient kann PDE-5-Hemmer einnehmen. 2005 wurden im Rahmen der 2nd Princeton Consensus Conference kardiale Risikogruppen definiert, bei denen eine kardiologische Begutachtung vor der Einnahme von PDE-5-Hemmern erfolgen sollte. Falls Männer keine PDE-5-Hemmer einnehmen wollen oder dürfen, beziehungsweise der Therapieversuch nicht erfolgreich verlief, darf die intrakavernöse Schwellkörperinjektion oder Anwendung von Vakuumpumpen nicht vergessen werden.

Bei der intrakavernösen Schwellkörperinjektion gibt es ebenfalls einige am Markt befindliche Präparate mit unterschiedlicher Zusammensetzung. Der wesentliche Wirkstoff ist das gefäßaktive Prostaglandin.

Die Verwendung der Vakuumpumpe ist eine weitere Therapieoption. Es wird unmittelbar vor dem Geschlechtsverkehr ein Zylinder aus Plastik über den Penis gestülpt. Durch Pumpen wird ein Unterdruck im Zylinderinneren erzeugt, womit Blut in den Schwellkörper gesaugt wird. Ein Gummiring, der an der Wurzel des Penis übergestreift wird, hält die Erektion auch nach Abnahme des Plexiglaszylinders aufrecht.

Penisprothesen: Sprechen Patienten auf Grund einer starken Schädigung ihres Schwellkörpergewebes nicht mehr auf medikamentöse Behandlungen an, besteht noch die Möglichkeit, die paarig angelegten Penisschwellkörper durch Implantate (Penisprothesen) zu ersetzen. Es stehen dafür semirigide und Mehrfachkomponentensysteme mit Reservoir und Pumpe zur Verfügung. Die gefäßchirurgischen Verfahren (Arterialisierung der A. penis profunda bzw. Behebung des venösen Leaks) haben aufgrund mangelnder Langzeiterfolge an Bedeutung verloren.

Gentherapie bei ED die Zukunft?

Gen-Transfer in der Behandlung der erektilen Dysfunktion hat die Phase-I-Testphase abgeschlossen und geht in die weiteren Studienphasen. Ob dies die Therapie der Zukunft sein wird? Wir werden es in der nächsten Zeit erfahren.

Take-Home-Message

 Die erektile Dysfunktion stellt bei der immer älter werdenden Bevölkerungsschicht zunehmend ein Thema dar, das, anders als noch vor einigen Jahren, durchaus auch bei Männern untereinander viel offener angesprochen wird. Es gibt viele Diagnose- und Therapieoptionen, und diese erfordern eine entsprechend fundierte andrologische Anamnese, Untersuchung und Betreuung.

Dr. Michael Lamche, FEBU
Abteilung für Urologie und Andrologie, KH Barmherzige Brüder Wien