Nahrungsmittelergänzungen zur Prävention des Prostatakarzinoms

Erkrankungen der Prostata (gutartige Prostatavergrößerungen, Prostatakarzinom) sind bekannterweise in Asien wesentlich seltener als in der westlichen Welt. Dass nicht nur Gene eine Rolle bei der Entstehung des Prostatakarzinoms spielen, zeigen Migrationsstudien: Wandern Asiaten in die Vereinigten Staaten oder nach Europa aus, entwickeln sie, sobald sie sich der dortigen Ernährung angepasst haben (spätestens in der nächsten oder übernächsten Generation), ein sehr ähnliches Risikoprofil verglichen mit der einheimischen Bevölkerung. Der Grund dafür dürfte in der Ernährung liegen. Wir fokussieren unsere Analyse auf Substanzen, für die qualitativ hochwertige Studien vorliegen.

Prostatakarzinom und Vitamin E bzw. Selen

Selen: Eine breit angelegte amerikanische Studie (Nutritional Prevention of Cancer Trial), bei der 1.312 Teilnehmer untersucht wurden, ergab, dass bei täglicher Gabe von 200 µg Selen die Karzinominzidenz im Verum-Arm um 2/3 gesenkt werden konnte. Die stärkste Reduktion bezüglich der Inzidenz konnte bei jenen Patienten gefunden werden, die ein PSA < 4 ng/ml hatten und die die niedrigsten Selen-Serum-Spiegel zu Studienbeginn hatten. Waters et al. wiesen nach, dass Selen über 7 Monate oral zugeführt die DNA-Zerstörung in Prostatazellen signifikant reduzieren kann.

Vitamin E ist als starkes fettlösliches Antioxidans bekannt. Eine große Studie (The Alpha-Tocopherol, Beta-Carotene Cancer Prevention Trial, ATBC) untersuchte die Effekte von α-Tocopherol und ß-Carotin allein oder in Kombination bei 29.133 männlichen Rauchern zwischen 50 und 69 Jahren. Es konnte eine 32%ige Reduktion in der PC-Inzidenz und eine 41%ige Reduktion bezüglich der Mortalität gefunden werden. Diese ermutigenden Studiendaten führten zum SELECT-Trail. Am “Selenium and Vitamin E Cancer Prevention Trial” nahmen unter der Leitung der Southwest Oncology Group (SWOG) an mehr als 400 Orten in den USA, Puerto Rico und Kanada rund 35.000 Männer im Alter ab 50 Jahren teil. Sie waren auf vier Studienarme randomisiert worden, in denen sie mit 400 mg Vitamin E oder 200 /µg Selen oder beiden Präparaten oder mit Placebo behandelt wurden. Das Ergebnis dieser qualitativ sehr hochwertigen Studie (n = 35.000) war leider ernüchternd: Vitamin E oder Selen können nicht zur Prostatakarzinomprävention empfohlen werden.

Prostatakarzinom und Pflanzeninhaltsstoffe

Grüner Tee: Vor allem in Regionen, in denen häufig grüner Tee getrunken wird, beobachtet man eine niedrige Inzidenz des Prostatakarzinoms. Im grünen Tee sind zudem große Mengen an Polyphenolen bzw. Katechinen enthalten, insbesondere Epigallocatechin-3-Gallat (EGCG). Gupta untersuchte in einem Maus-Versuch mögliche Zusammenhänge mit Prostata-Karzinom-Zelllinien1. EGCG induzierte in höherem Maße eine Apoptose der Prostatakarzinomzellen. In Verbindung mit weiteren Substanzen war der Effekt sogar potenzierbar.

Lykopene sind Substanzen, die vor allem in Tomaten enthalten sind. Giovanucci zeigte anhand von Daten der Health-Professional-Follow-up-Study, dass der regelmäßige Konsum von Lykopenen mit einem geringeren Risiko verbunden ist, an Prostatakarzinom zu erkranken (RR des Fünftels an Patienten mit der höchsten Aufnahme an Lykopenen vs. des Fünftels mit der niedrigsten Aufnahme an Lykopenen – 0,84; Cl = 0,73-0,96; p = 0,003). Der regelmäßige Konsum von Tomatensauce senkte das Risiko noch etwas mehr (RR der Patienten mit einem Konsum von zwei Tomatensaucegerichten/Woche vs. unter einem Gericht/Monat = 0,77; Cl = 0,660,9; p < 0,001). Interessanterweise enthalten frische Tomaten weniger Lycopene als vergleichsweise verarbeitete Tomaten im Sinne von Saucen oder Ketchup.

Phytoöstrogene (Genistein): Die typische Pflanze, bekannt für ihren hohen Gehalt an Phytoöstrogenen, ist die Sojabohne. In der Gruppe der Phytoöstrogene spielt das Genistein die wichtigste Rolle. Morton maß 1999 den Serumgehalt an Phytoöstrogenen bei englischen und japanischen Männern und fand bedeutend höhere Werte bei den Japanern. Adlercreutz stellte die These auf, dass das Phytoöstrogen Genistein extrem fest an Beta-Östrogen-Rezeptoren bindet, die auch im Prostata-Gewebe nachgewiesen werden. In der Folge kommt es zu einer Hemmung des Östrogen-alpha-Rezeptors und damit zu einer Downregulation der Rezeptoren.
Weiters beschreiben hochwertige Metaanalysen einen Effekt im Sinne einer Karzinomreduktion durch sojareiche Nahrung2. In einer weiteren Studie wurden 14.200 Männer über durchschnittlich 12,8 Jahre beobachtet3. Eine Studie an österreichischen Männern beschreibt einen Trend höherer Phytoöstrogenspiegel im BPH-Gewebe verglichen mit Karzinomgewebe4. Insgesamt ist das Thema Genistein und Prostatakrebs intensiv beforscht. Gibt man in die “medline” den Suchbegriff “Genistein, prostate, cancer” ein, erscheinen derzeit 351 Studien zu diesem Thema. Der überwiegende Teil dieser Studien (qualitativ bis EBM-Level 1 reichend) zeigt einen signifikanten Zusammenhang zwischen Genistein und dessen hemmender Wirkung auf Prostatakrebs. Leider bleibt aber eine entscheidende Frage unbeantwortet: Wie lange müssen diese Substanzen eingenommen werden (ab der Kindheit, Jahrzehnte, Jahre oder kürzer?), um einen Effekt zu erzielen?

Sonneneinstrahlung/Vitamin D

Die altersstandardisierte Inzidenz des Prostatakarzinoms ist weltweit unterschiedlich. In Europa zeigt sich ein Nord-Süd-Gefälle. Für Schweden liegen Inzidenzen von 90,9 Erkrankte/100.000 Männer vor, für Spanien werden 35,9 Erkrankte/100.000 Männer angegeben. Die weltweit höchste beschriebene Inzidenz findet sich in den USA (124,8/ 100.000), insbesondere bei afroamerikanischen Männern (185,4/100.000). Die Krebsmortalität ist im Norden der Vereinigten Staaten eindeutig höher als im südlichen Florida oder Texas. Genau umgekehrt verhält es sich mit der UV-Einwirkung. Eine mögliche Erklärung für einen direkten Zusammenhang von UV-Strahlung und Prostatakarzinom ist im Einfluss von Vitamin D zu sehen. Denn erst durch die Einwirkung der UV-Strahlung wird die Vorstufe des Vitamins D zum aktiven Metaboliten umgewandelt, der dann protektiv auf die Entstehung des Prostatakarzinoms wirkt. Ahonen zeigte im Rahmen einer großen finnischen Studie (n = 19.000, Beobachtungszeit 13 Jahre), dass Patienten mit einem verminderten 25-Hydroxy-Vitamin D3 im Serum ein erhöhtes Risiko für die Entstehung eines Prostatakarzinoms aufweisen. Bei 25-OH-Vit-D3-Werten unterhalb des Medianwertes erhöhte sich das relative Risiko auf 1,7, bei unter 52-jährigen Patienten verdoppelte sich dieses zusätzlich.

Take-Home-Message

Qualitativ sehr hochwertige Studien weisen auf eine Wirksamkeit von Phytoöstrogenen (Genistein) in der Prävention des Prostatakarzinoms hin. Für die anderen besprochenen Substanzen ist die Datenlage nicht so signifikant. Unklar bleibt nach wie vor die Frage, wie lange man diese Substanzen zu sich nehmen muss, um einen präventiven Effekt zu erzielen.

Prim. Doz. Dr. Clemens Brössner
KH Göttlicher Heiland, Wien

1) Gupta S et al., Oncogene 2004; 23(14):2507-22
2) Yan L, Spitznagel EL, Am J Clin Nutr 2009; 89(4):1155-63
3) Kurahashi J et al., J Clin Oncol 2008; 26(36):5923-9
4) Brössner C et al., Urology 2004; 64:707-11