Update Nierenzellkarzinom

Trends in der Chirurgie, Fragezeichen in der medikamentösen Therapie

Folgender Beitrag stellt eine Zusammenfassung von Neuerungen in Diagnostik, Prognose und Behandlung des Nierenzellkarzinoms dar, präsentiert am 25. Kongress der European Association of Urology (EAU) in Barcelona sowie auf der 36. gemeinsamen Tagung der Bayerischen Urologenvereinigung und der Österreichischen Gesellschaft für Urologie und Andrologie in München.

Epidemiologie und Diagnostik

Bisher verfügbare Daten zeigten eine jährliche Zunahme der Inzidenz des Nierenzellkarzinoms um etwa 2%. Haben diese Zahlen in Bezug auf US-amerikanische Patienten (noch) Gültigkeit, so verzeichnet man in einigen westeuropäischen Ländern eine Stabilisierung bzw. einen Rücklauf der Inzidenz- wie auch Mortalitätsraten. Ein solches Bild zeichnet sich auch in Österreich ab, wo die Mortalität – und seit der Jahrtausendwende auch die Inzidenz – von Nierentumoren rückläufig ist und sich vor allem in frühen Tumorstadien ein Überlebensvorteil für Frauen zeigt (Bundesanstalt Statistik Austria; Marszalek et al.). Mehr als 80% aller Nierentumoren werden heute als Zufallsbefund einer bildgebenden Diagnostik im Rahmen der Abklärung einer z.B. Hypertonie oder anderen Erkrankung entdeckt. In diesem Zusammenhang sind und bleiben Sonographie und Schnittbildverfahren wie Computertomographie und Magnetresonanztomographie die bewährten Standarduntersuchungsmethoden. Insbesondere für Patienten mit Röntgenkontrastmittelallergie oder eingeschränkter Nierenfunktion stellt die kontrastmittelunterstützte Sonographie eine interessante Alternative dar, nicht nur bei soliden Raumforderungen. Auch bei zystischen Läsionen war eine mit der Computertomographie im Einklang stehende Klassifikation (Bosniak) möglich (Garcia-Rojo et al.), wobei zu berücksichtigen ist, dass gerade die Bosniak-Klassifikation zystischer Raumforderungen eine beträchtliche untersucherabhängige Variabilität aufweist (Weibl et al.). Eine prognostische Bedeutung für das Gesamt- wie auch rezidivfreie Überleben dürfte das leicht verfügbare C-reaktive Protein (CRP; ein Akute-Phase-Protein) haben. Wie von mehreren Autoren gezeigt, korrelierte der präoperative CRP-Serumspiegel mit dem Gesamt- wie auch dem rezidivfreien Überleben und war bei Patienten mit ungünstigem Verlauf signifikant erhöht (Johnson et al., Rom et al.). Im Bereich des klarzelligen Nierenzellkarzinoms bleibt die Carboanhydrase IX (CAIX) weiterhin im Fokus experimenteller diagnostischer Methoden. Einerseits konnte gezeigt werden, dass es, im Unterschied zum Gesunden, bei Patienten mit klarzelligem Nierenzellkarzinom zu einer deutlichen Serumexpression von
CAIX mRNA kommt und somit CAIX mRNA möglicherweise als molekularer Marker für diese Tumorentität dienen könnte (Li et al.). Andererseits eröffnet die Immuno-Positronenemissionstomographie mit dem radioaktiv markierten, gegen das CAIX-Antigen gerichteten monoklonalen Antikörper cG250, neue und verbesserte Möglichkeiten für Staging und Monitoring von Patienten mit klar-zelligem Nierenzellkarzinom (Stillbroer et al.).
Ebenfalls von Bedeutung für Prognose und Nachsorge könnte das Vorhandensein tumorassoziierter Makrophagen im Operationspräparat sein, wie für die Subgruppe des papillären Nierenzellkarzinoms gezeigt werden konnte: Der Nachweis solcher tumorassoziierter Makrophagen durch den Pathologen war mit einer signifikant besseren tumorspezifischen 5-Jahres-Überlebensrate verbunden (Chromecki et al.).

Chirurgische Technik

Das überraschendste Studienergebnis waren die von Prof. Van Poppel präsentierten Resultate des EORTC Trials 30904, in welchem das Outcome von Patienten nach radikaler Tumornephrektomie bzw. Nierenteilresektion bei Tumoren bis 5 cm Durchmesser verglichen wurde. Das unerwartete Ergebnis: Der in der bisherigen Literatur postulierte Überlebensvorteil, den Patienten nach Nierenteilresektion durch den Erhalt von funktionstüchtigem Nierengewebe erfahren sollten, konnte in dieser einzigen prospektivrandomisierten Studie zu dieser Fragestellung nach einem Beobachtungszeitraum von über 9 Jahren nicht bestätigt werden. Die Ergebnisse beider Methoden waren vielmehr vergleichbar, wenn sie nicht in einigen Überlebensanalysen, eben unerwartet, zu Ungunsten der Nierenteilresektion ausfielen. “Minimalinvasiv” bleibt weiterhin der Trend in der chirurgischen Behandlung von Nierentumoren. Nach konventioneller Laparoskopie präsentieren nun immer mehr Autoren ihre Ergebnisse mit verschiedenen modifizierten Techniken der Single-Site-Laparoskopie (LESS). Grundtenor dieser Arbeiten ist, dass LESS wohl noch in einem selektionierten Patientengut angewendet wird, aber mit akzeptablen und reproduzierbaren Ergebnissen durchführbar ist (Nagele et al., Park et al., Chan et al.). NOTES (Natural Orifice Translumenal Endoscopic Surgery) darf noch als Zukunftsmusik bezeichnet werden, wenn sich auch Einzelberichte und Fallpräsentationen (transvaginale Oberpolheminephrektomie in Hybridtechnik) häufen (De Andrade et al.). Bei der laparoskopischen Nierentumorchirurgie (Abb.) wird der trans- oder retroperitoneale Zugang in Abhängigkeit von der Tumorlokalisation gewählt. Präparationsbedingt zeigt sich beim transperitonealen Zugang eine längere Gesamtoperationsdauer. Davon abgesehen sind jedoch bei beiden Zugängen vergleichbare chirurgische und funktionelle Ergebnisse wie auch Komplikationsraten zu erwarten (Marszalek et al.). Im Vergleich zu anderen Subgruppen wird mit papillären Nierenzellkarzinomen eine höhere Multifokalität assoziiert. In einer österreichischen, multizentrischen Analyse konnte gezeigt werden, dass auch bei dieser Tumorentität die Nierenteilresektion, offenchirurgisch oder laparoskopisch, exzellente Ergebnisse hinsichtlich des tumorspezifischen und des Gesamtüberlebens bringt (Özsoy et al.).
Eine interessante Methode, um dem Problem der warmen Ischämie während der laparoskopischen Nierentumorresektion zu begegnen, wurde von einer italienischen Arbeitsgruppe präsentiert: Präoperativ wurde die Perfusion des späteren Resektionsareals mittels superselektiver transarterieller Embolisation unterbunden und anschließend eine laparoskopische Tumorexzision ohne Klemmung der Nierenarterie durchgeführt. Durch diese Vorbehandlung konnten sowohl Blutungskomplikationen als auch ein Ischämieschaden der Niere vermieden werden (Simone et al.). Eine weitere, allerdings experimentelle, Methode zur Vermeidung eines iatrogenen Ischämieschadens ist die perioperative Applikation von renoprotektivem Alpha-Melanozyten-stimulierendem Hormon (AP214). Dadurch konnte im Tierversuch eine deutliche Verbesserung der postoperativen Nierenfunktion erreicht werden (Simmons et al.).

Medikamentöse Behandlung

Mit der Einführung der Targeted Therapies von einigen Jahren ist neuer Schwung in die systemische Therapie des metastasierten Nierenzellkarzinoms gekommen. Die anfängliche Euphorie ist angesichts der ausbleibenden Komplettremissionen und der unbeantworteten Fragen in Bezug auf die Behandlungssequenz nach Versagen der Erstlinientherapie jedoch abgeebbt. Auch die enormen Behandlungskosten sind ein Thema, vor allem in der Sequenz- und Kombinationstherapie, wo der Nutzen für den Patienten noch nicht klar definiert ist und antwortgebende Studienergebnisse ausständig sind. Zu alledem wurde mit der neoadjuvanten Verabreichung von Thyrosinkinaseinhibitoren vor zytoreduktiver Tumornephrektomie beim metastasierten Patienten ein weiteres Anwendungsgebiet eröffnet. Hier wird über die erfolgreiche, präoperative Reduktion der Tumorgröße berichtet (Finelli et al., Powles et al.).
In einer, zwar vom Herstellerunternehmen präsentierten, aber dennoch nicht uninteressanten Studie wurde die therapeutische Anwendung von Zoledronsäure bei Patienten mit Knochenmetastasen analysiert. Die Verzögerung beziehungsweise Reduktion von Skeletal-related Events durch die Anwendung von Bisphosphonaten bei Knochenmetastasen gilt als gesichert. Umso überraschender ist die Tatsache, dass nach der Analyse von über 28.000 Tumorpatienten mit Knochenmetastasen nur 14% aller Nierentumorpatienten mit Zoledronat behandelt wurden – und dann auch erst 4 Monate nach Diagnose der ossären Metastasierung (Kaura et al.): ein Ergebnis, das uns zu denken geben sollte.

Take-Home-Message

• Inzidenz und Mortaliät von Nierentumoren in Österreich nehmen ab.

• Sonographie und Computertomographie sind Standardverfahren in der Diagnostik von Nierentumoren. Die Kontrastmittel-sonographie bietet sich als Alternative bei Kontrastmittelallergie oder reduzierter Nierenfunktion an.

• Das präoperative CRP kann als Prognoseparameter für das rezidivfreie wie auch für das Gesamtüberleben bei Patienten mit Nierenzellkarzinom dienen.

• Nierenteilresektion und radikale Tumor-nephrektomie liefern vergleichbare onkologische Ergebnisse. Rezente Daten zeigen jedoch einen Trend zu besserem Überleben nach radikaler Tumornephrektomie.

• Die Datenlage zur Sequenz- und Kombinationstherapie des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms ist derzeit inkonklusiv.

• Bisphosphonate reduzieren bzw. verzögern das Auftreten von Skeletal-related Events und sollten bei Vorliegen von Knochenmetastasen zum Einsatz kommen. 

Dr. Martin Marszalek
Abteilung für Urologie, Sozialmedízinische Zentrum Süd, Kaiser Franz-Josef-Spital, Wien