Was tun angesichts der BCG-Knappheit?

Die Behandlung des nichtinvasiven Harnblasenkarzinoms (NMIBC), das den Hauptanteil der Harnblasenkarzinomfälle stellt, gestaltet sich weiterhin schwierig. Bisherige Studien haben den klinischen Einsatz von Bacillus Calmette-Guérin (BCG) validiert, um eine Reduktion der Rezidiv- und Progressionsrate zu erreichen. Die übliche BCG-Therapie sieht wöchentliche Instillationen der Harnblase vor und wird von EAU, AUA und SIU empfohlen. Die Grad-I-Evidenz spricht für eine Erhaltungstherapie mit BCG über den 6-wöchigen Behandlungszyklus hinaus. Die empfohlene Erhaltungstherapie stützt sich auf das SWOG-Protokoll und sieht 3 Instillationen im wöchentlichen Abstand in den Monaten 3, 6, 12, 18, 24, 30 und 36 vor 1. Basierend auf den Ergebnissen der EORTC-(European Organization for the Research and Treatment of Cancer-)Studie 30911, werden durch die 3-wöchentliche BCG-Erhaltungstherapie selbst bei Patienten mit intermediärem Risiko die Metastasierungsrate und die allgemeine und krebsspezifische Mortalitätsrate, die bei diesen Patienten sogar höher als bei Hochrisikopatienten ausfällt, erheblich reduziert.

Gründe für die BCG-Knappheit

Im Juli 2012 kündigte Sanofi Pasteur an, die Produktion von ImmuCyst® (dem Connaught-Stamm von BCG) einzustellen, nachdem die Inspektoren nach einem Hochwasser auf Schimmel in der sterilen Produktionsanlage von Toronto gestoßen waren. Dies führte zu einer massiven weltweiten Knappheit von BCG, wobei auch andere Produzenten dem steigenden Bedarf nicht mehr nachkommen konnten. Auch wenn sich das Problem langsam zu lösen schien, hat MSD, der Hersteller und mittlerweile Marktführer von OncoTICE® (dem TICE-Stamm von BCG) angekündigt, dass erheblich reduzierte Lieferungen von OncoTICE® für das gesamte Jahr 2015 zu erwarten sind, zum einen bedingt durch den größeren Bedarf und zum anderen aufgrund von Produktionsproblemen. Schließlich wurde auch die Produktion des RIVM-BCG-Stammes von Medac vorübergehend eingestellt. Die laufenden Herstellungsprobleme spiegeln die großen Schwierigkeiten in der Produktion von BCG wider.
Seit der Beschreibung des Fermentationsprozesses von Calmette und Guérin im Jahr 1921 hat sich das Wissen in den letzten nahezu 100 Jahren kaum geändert und ist höchst unzuverlässig1. Angesichts all dessen ist die aktuelle BCG-Knappheit für die Behandlung des Blasenkarzinoms nicht allzu überraschend und wird auch in Zukunft ein Problem darstellen.

BCG für jene Patienten reservieren, die am meisten davon profitieren

In der Zwischenzeit schlagen wir vor, für Patienten mit niedrigem Risiko eine intravesikale Chemotherapie als Alternative einzusetzen und jenen Patienten den BCG-Vorzug zu geben, die am meisten von der Therapie profitieren (z. B. „High grade“-NMIBC ohne vorheriges BCG-Versagen). Dazu sollten zuallererst die Patienten mit Hochrisiko-NMIBC in einem multidisziplinären onkologischen Board für Blasenkrebs besprochen werden.
Die Wichtigkeit von wiederholten trans­urethralen Resektionen (TUR) innerhalb einer selektionierten Patientenpopulation darf nicht unterschätzt werden. Ein „Upstaging“ vom nichtmuskelinvasiven zum muskelinvasiven Status wurde nach wiederholter TUR bei 24–29 % der Fälle berichtet2. Eine Re-TUR bringt Aufschluss darüber, welche Patienten (sowohl mit muskelinvasivem Harnblasenkarzinom als auch mit Hochrisiko-NMIBC) von einer radikalen Zystektomie mehr als von intravesikalen Therapien profitieren würden.
Die Krebshistologie kann auch Aufschluss über die Patientenselektion für BCG geben. Pathologische Hochrisikomerkmale sind die lymphovaskuläre Invasion und die Tiefe der Lamina-propria-Invasion. Viele Experten warnen vor der Verwendung von BCG bei nichturothelialer Histologie (inklusive Plattenepitheldifferenzierung, glandulärer Differenzierung, Nested-Variante und mikropapillärer Variante), da schlechtere progressionsfreie Intervalle nach BCG berichtet wurden3. Trotz der Anwendung mehrerer für die BCG-Therapie gebräuchlicher Selektionskriterien sehen sich die Urologen dem Umstand gegenüber, BCG nicht zur Verfügung zu haben.
Zusätzlich kann die BCG-Erhaltungstherapie nach einem Jahr gestoppt werden. Die Patienten im 2. und 3. Jahr der Erhaltungstherapie ohne Carcinoma in situ können sicher sein, dass dies in Bezug auf das Fortschreiten der Tumorerkrankung der Fall ist4, obwohl ein leicht erhöhtes Risiko eines Rezidivs besteht.
Patienten mit CIS kann eine reduzierte Dosis von BCG im 2. und 3. Jahr angeboten werden.
Eine Option wäre es, reduzierte BCG-Dosen zu verabreichen. Oddens et al. haben herausgefunden, dass eine Dritteldosis für 3 Jahre einer vollen Dosis für 1 Jahr zumindest statistisch nicht wesentlich nachsteht (rezidivfreies Überleben bei 62,6 % mit einer Dritteldosis im Vergleich zu 58,8 % mit einer vollen Dosis)4. Dieses Vorgehen würde ein Jahr lang die Behandlung der dreifachen Anzahl an Patienten zulassen, ohne dabei das Risiko eines Schadens einzugehen, solange nur die Dritteldosisbehandlung im Anschluss auch weiter fortgesetzt werden kann. Zudem kann Interferon alpha hinzugefügt werden, um die Zyto­kinantwort zu „boosten“, sofern Bedenken zur immunologischen Effektivität des niedrig dosierten BCG bestehen.

Welche Alternativen zu BCG sind möglich?

  1. Wöchentliche Mitomycin-C-Instillationen (40 mg/20 ml normaler Kochsalzlösung) über 6 Wochen, gefolgt von einer monatlichen Erhaltungstherapie über ein Jahr, sind eine Option.
  2. Hochrisiko-NMIBC-Patienten mit T1 oder CIS konnte eine intravesikale Chemotherapie mit gerätegestützter Therapie und einer Thermotherapie, wie z. B. Synergo® angeboten werden5. Wenn diese Option vor Ort nicht gegeben ist, sollte der Patient in das nächstgelegene Zentrum überwiesen werden, wo die entsprechende Therapie zur Verfügung steht.
  3. Gemcitabin (1 bis 2 g/50 ml sterilem Wasser für 90 Minuten) über 6 Wochen einmal wöchentlich intravesikal verabreicht ist eine weitere Alternative. Gemcitabin wird oftmals der Gabe von Mitomycin C vorgezogen, da es weniger toxisch ist und bei hochgradigen Tumoren besser wirken soll. Außerdem kann der durch die Säurewirkung entstehenden Blasenirritation bei Gemcitabin mittels Einnahme von 1.300 mg Natriumbikarbonat am Abend zuvor und am Morgen desselben Tages entgegengesteuert werden. Einige Studien haben diesen Induktionskurs mit monatlicher Erhaltungstherapie verfolgt, wobei das bisher zumeist für die Fälle nach BCG-Versagen vorbehalten war6.
  4. Valrubicin wurde für Carcinomata in situ in den USA zugelassen. Allerdings sind die Daten zur Wirkung nicht aufschlussreich, und die Behandlung verursacht außerdem beträchtliche Kosten.
  5. Für jene Fälle mit höherem Risiko oder BCG-Versagen, die für eine radikale Zystektomie nicht infrage kommen, empfehlen wir die sequenzielle intravesikale Instillation von Gemcitabin (1 g/50 ml steriles Wasser), plus Mitomycin (40 mg/20 ml steriles Wasser) mit einer Verweildauer von 60–90 Minuten. Im Falle einer kompletten Remission empfehlen wir eine monatliche Erhaltungstherapie. Präliminare publizierte Studien zeigen hohe Ansprechraten, die nach 2 Jahren noch anhielten7.
    Wir haben auch mit einer Kombination aus intravesikalem Gemcitabin und Docetaxel behandelt, was besser vertragen wird als eine Kombination aus Gemcitabin und Mitomycin. Diese Medikamentenzusammensetzung steht auch mit gut akzeptablen Salvage-Raten nach Versagen von BCG-Therapie oder anderen intravesikalen Medikamenten in Zusammenhang. Lightfoot et al. berichteten über initiale Ansprechraten von 75 %, wobei die Hälfte dieser Patienten ein anhaltendes Ansprechen über 2 Jahre verzeichneten6. Das Protokoll sieht eine intravesikale Verabreichung von Gemcitabin (1 g/50 ml steriles Wasser) über 90 Minuten vor. Unmittelbar nach der Blasendrainage wird Docetaxel intravesikal verabreicht (37,5 mg in 50 ml steriler Kochsalzlösung). Anschließend wird der Foley-Katheter entfernt, und der Patient uriniert ungefähr 2 Stunden später. Die Induktionstherapie inkludiert 6-wöchentliche Instillationen, gefolgt von einer mona­tlichen Erhaltungstherapie über 2 Jahre. Der geringen, durch die Säurewirkung von Gemcitabin verursachten Toxizität der Blasenirritation kann durch das oben erwähnte Schema entgegengewirkt werden. Andere Nebenwirkungen können Übelkeit und (selten) Alopezie sein; diese Nebenwirkungen sind aber reversibel.
  6. Die radikale Zystektomie wird für Patienten mit NMIBC und Hochrisikomerkmalen (z. B. tiefem T1, den Histologievarianten, lymphovaskulärem Einbruch, T1/„high grade“ mit CIS in der prostatischen Harnröhre) und/oder einem „High grade“-T1-Rezidiv empfohlen, welche für einen chirurgischen Eingriff geeignet sind. Diese Vorgehensweise führt zu den besten onkologischen Ergebnissen und ist mit verlängertem Überleben bei über 90 % der Patienten assoziiert3, 6. AUA, EAU und SIU empfehlen die radikale Zystektomie als die bevorzugte Option für Patienten nach BCG-Versagen, wobei die nächstbesten blasenerhaltenden Therapien nur einen geringen Evidenzlevel aufweisen können.

Der derzeitige BCG-Lieferengpass spiegelt ein allgemeines Problem mit der pharmazeutischen Industrie wider, welche die Versorgung mit solchen Substanzen nur mangelhaft unterstützt. Wir müssen auf diese komplexen Herausforderungen vorbereitet sein, die in der Zukunft häufiger auftreten werden. Darüber hinaus sind weitere vergleichende Effektivitätsstudien erforderlich, welche die Angemessenheit der Therapien verifizieren können.