Arrhythmien – Antikoagulation, ICD und Telemonitoring, mechanische Sondenextraktion, elektrodenfreie Stimulation

Grundlagenforschung: Eine Mutation am „Alpha myosin heavy chain“-Gen (MYH6) zeigt eine Verbindung zum Sinusknotensyndrom („sick sinus syndrome“). Dabei wurden in einer genomweiten Assoziationsstudie 792 isländische Fälle mit Sinusknotensyndrom und 37.592 Kontrollpatienten untersucht. Es ergab sich bei den von der Mutation betroffenen Patienten eine erhöhte OR (Odds-Ratio) von 12,53 bei einem „life time risk“ von ca. 50 % (vs. 6 %), am Sinusknotensyndrom zu erkranken (H. Holm).

Mechanismen des Vorhofflimmerns: Thelie und Gjesdal präsentierten neue Daten, die die Evidenz stützen, dass höhergradige („vigorous“) physische Belastung mit Vorhofflimmern verbunden ist. Dabei wurde in einer populationsbasierten Umfrage bei > 400.000 Patienten als Surrogat („proxy“) für das erstmalige Auftreten von Vorhofflimmern die Verschreibung von Flecainid für einen bestimmten Patienten gewertet. Dabei zeigte sich auch nach Korrektur hinsichtlich Alter, Größe, Body Mass Index und Bildungsniveau sowohl bei Männern als auch bei Frauen eine klare Beziehung zum Auftreten von Vorhofflimmern, je höher die sportliche Belastung (graduiert nach 4 Klassen) war.

Antikoagulation: Die größte Aufmerksamkeit beim ESC nahm zweifellos die Präsentation der ARISTOTLE-Studie ein. Dabei wurden mehr als 18.000 Patienten mit Vorhofflimmern (mittleres Alter 70 Jahre, CHADS2-Score 2,1) entweder mit einem Vitamin-K-Antagonisten oder mit Apixaban 2 x 5 mg/die antikoaguliert. Die Zeit im therapeutischen INRBereich (TTR, time in therapeutic range) lag für Vitamin-K-Antagonisten im Median bei 66 %. Dabei konnte unter dem Faktor-XAnta gonisten Apixaban bei einer Ereignisrate für Schlaganfälle/systemische Embolien von 1,27 %/Jahr (vs. 1,60 %/Jahr für Warfarin) eine relative Risikoreduktion (RRR) von 21 % gezeigt werden: Damit wurde nicht nur die Non-Inferiority (p < 0,001), sondern auch eine Überlegenheit (p = 0,011) gegenüber Warfarin erreicht. Zusätzlich kam es – erstmalig im Rahmen der bislang publizierten Studien mit den neuen Antikoagulantien – zu einer signifikanten Reduktion der Gesamtmortalität (p = 0,047, relative Risikoreduktion 11 %). Ein Hauptgrund für dieses Ergebnis war sicherlich die hochsignifikante Reduktion der größeren Blutungen („major bleedings“) von 3,09 %/Jahr (Warfarin) auf 2,13 %/Jahr (Apixaban, RRR 31 %, p < 0,001). Eine weitere Neuigkeit war zudem, dass Apixaban in allen Subgruppen überlegen war, auch bei den Patienten, die eine hohe TTR aufwiesen (C. Granger, L. Wallentin). Diese Studie wird meines Erachtens die Einführung der neuen Antikoagulantien bei Vorhofflimmern (inklusive Rivaroxaban, Dabigatran) in die klinische Routine weiter vorantreiben.

Dronedaron: R. Nieuwlaat präsentierte präliminäre Ergebnisse der PALLAS-Studie, die vom „data and safety monitoring board“ vorzeitig abgebrochen wurde. Dronedaron wurde als Zusatztherapie („on top“) zur Standardmedikation bei Patienten mit permanentem Vorhofflimmern (> 6 Monate und zusätzlichen Risikofaktoren) zur alleinigen Frequenzsenkung vs. Placebo eingesetzt. Die Studie wurde nach 3.149 Patienten (von geplanten 10.800 Patienten) abgebrochen, da sich unter Dronedaron eine erhöhte Rate an kardiovaskulär bedingten Hospitalisierungen (Hazard-Ratio [HR] 1,43), Schlaganfällen (HR 2,44), Herzinsuffizienz (HR 2,53) und Gesamtsterblichkeit (HR 2,31) zeigte. Die Unterschiede waren im Vergleich zu Placebo (mit Ausnahme der Gesamtsterblichkeit) jeweils hochsignifikant (p < 0,05). Diese Ergebnisse haben nicht zuletzt dazu geführt, dass sich die Europäische Arzbeimittelbehörde EMA im September 2011 noch einmal mit der Substanz auseinandersetzte, um Nutzen und Risiko (auch bei nicht-permanentem Vorhofflimmern) zu reevaluieren. Aktuell ist Dronedaron (Multaq®) in Europa bei Patienten mit nicht-permanentem (paroxysmalen bzw. persistierenden) Vorhofflimmern zur Rhythmus – erhaltung indiziert, wenn keine höhergradige Herzinsuffizienz (NYHA III/IV) und kein Zustand nach jüngst dekompensierter Herzinsuffizienz vorliegt. Zusätzlich empfiehlt sich die engmaschige Überprüfung von INR- und Leberfunktionswerten unter laufender Therapie.

Katheterablation: Nach wie vor gibt es keine Daten für die Langzeiteffekte dieser Behandlungsmodalität in Hinblick auf Morbidität und Mortalität, die Ergebnisse laufender Studien (EAST, CABANA) stehen noch aus. J. Brugada präsentierte jedoch ein „ESC Pilot Survey“ zur Katheterablation, in das 1.410 Patienten aus 10 EU-Ländern eingeschlossen wurden (median 60 Jahre, 28 % weiblich, 38 % „lone AF“, 67 % paroxysmales Vorhofflimmern). Der berichtete Akuterfolg lag bei 70 %, die Komplikationsrate für jedweden Zwischenfall wurde mit 7,7 % angegeben, die Rate schwerer Komplikationen (inkl. Tamponade, Hämato – thorax, Myokardinfarkt, Schlaganfall, Schrittmacher, Sepsis, Ösophagusläsion und Phrenikusparese) lag bei 2,0 %.

ICD-Therapie/Telemonitoring: Zwei Untersuchungen aus Frankreich konnten zeigen, dass die Zeit der durch Telemonitoring unterstützten Nachsorge von implantierbaren Geräten längst angebrochen ist, wenn auch immer noch mit unterschiedlicher Penetranz in verschiedenen Regionen. Sowohl die EVATEL-Studie (1.500 Patienten, VVI oder DDD-ICD, Erstimplantation, alle Hersteller) als auch die ECOST-Studie (433 Patienten, VVI oder DDD-ICD, 85 % Erstimplantation, Einzelhersteller) belegen, dass die Fernnachsorge genauso sicher wie die direkte Nachsorge am Zentrum ist (gleiche Rate an Ereignissen wie Tod + kardiovaskuläre Hospitalisierung + ineffektive oder inappropriate Therapie), zudem konnte eine signifikante Reduktion an inappropriaten Schocks (–37 % bis –52 %, p = 0,03) und eine signifikan te Reduktion an ICD-Entladungen (–76 %, p < 0,05) und an Batterieverbrauch (p = 0,02) beobachtet werden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind allerdings noch keine Daten hinsichtlich der Kosteneffizienz bekannt (Ph. Mabo, S. Kacet). Dies erklärt auch die oben erwähnte unterschiedliche Penetranz dieser Technologie in verschiedenen Regionen und Ländern Europas.

Mechanische Sondenextraktion: Zwei große und konkordante Studien aus Einzelzentren deuten auf eine Rehabilitierung dieses Verfahrens hin (im Vergleich zu kostenträchtigeren Methoden unter Zuhilfenahme der Laser- Technologie). Bei 551 und 841 Patienten wurden jeweils 941 bzw. 1.453 Elektroden (15–20 % ICD-Elektroden) im Median 5 bis 6 Jahre (max. 30–42 Jahre) nach der Implantation extrahiert. Dabei lag der klinische Erfolg einer gelungenen Extraktion zwischen 98–99 % (kein Unterschied zwischen Schrittmachern und ICD), eine chirurgische Unterstützung war lediglich in ca. 0,5 % nötig. Die Rate an schweren Komplikation (1,1–2%, inkl. Tod [0,2 %], akuter chirurgischer Eingriff, Schlaganfall, Tamponade) bzw. leichteren Zwischenfällen (1–1,7 %, Hämoperikard, Hämothorax, Blutung, PE) war jeweils niedrig. Die Autoren schließen aus den Daten, dass es sich bei der mechanischen Sondenextraktion um eine schnelle, effektive, sichere und kos – tengünstigere Alternative zur Laser-Extraktion handelt (A. Kutarski, E. Platou).

Elektrodenfreie Stimulation („leadless pacing“): P. Vardas präsentierte zwei verschiedene Techniken zu einer Zukunft ohne Schrittmacherelektroden. Der eine Ansatz verwendet eine subkutane Spule, die Energie (Ultraschall, magnetisch) zum Empfänger/Stimulator im Herzen sendet. Die andere Methode sieht einen Batterie-betriebenen miniaturisierten Schrittmacher innerhalb der Herzkammer vor, entweder einzeln oder in Kombination. Die ersten Implantationen am Menschen wurden bereits heuer in der EU (Deutschland, Holland) durchgeführt. In den nächsten Jahren darf man eine perkutane Katheter-gestützte Implantation und eine präzise Platzierung an verschiedensten Orten (epi- und endokardial, „multisite pacing“) erwarten, die die bekannten (und leider nicht seltenen) chronischen Sondenkomplikationen (Infektionen, Gefäßverschlüsse) vermeiden. Es verbleiben jedoch aktuell noch viele Unbekannte (Verlässlichkeit des Energietransfers, Stabilität bzw. Embolierisiko, Interferenzen).