Gewicht, Blutdruck und Lipide

Gewichtszunahme ist neben der Hypoglykämie die relevanteste Nebenwirkung einer Insulintherapie, die unbedingt bei der individuellen Auswahl der Therapie berücksichtigt werden muss. Nachfolgende Kasuistik illustriert klar die Gewichtszunahme als zentrales Problem einer Insulintherapie.

Fall 3: Deutliche Gewichts­zunahme innerhalb weniger ­­Monate

Die hier vorgestellte Patientin ist 73 Jahre alt und seit 2004 an Diabetes mellitus Typ 2 erkrankt (Manifestationsgewicht: 96,5 kg, Body Mass Index: 34,2 kg/m2). Bislang liegt keine diagnostizierte koronare Herzkrankheit vor. Seit etwa 10 Jahren besteht eine arterielle Hypertonie, welche zum Zeitpunkt der Erstvorstellung mit Tenormin 50 mg behandelt war. Darüber hinaus sind zum Vorstellungszeitpunkt bis auf eine Mikroalbuminurie (Albumin-Kreatinin-Quotient: 88 mg/g, eGFR: 93 ml/min/ 1,73 m2) keine weiteren Spätkomplikationen (Neuro- oder Retinopathie) bekannt.

Mittels einer oralen antidiabetischen Therapie konnten HbA1c-Werte zwischen 6,8 % und 7,5 % erreicht werden. Da es seit April 2010 zu einem Anstieg des HbA1c auf 9,9 % gekommen war und die Patientin prinzipiell jede komplexere Insulintherapie ablehnte, wurde eine basal unterstütze orale antidiabetische Therapie (BOT) mit Insulin glargin und Metformin begonnen. Begleitend erhielt die Patientin eine ausführliche Diätberatung hinsichtlich einer Kohlenhydrat- und fettmodifizierten Diät und wurde wiederholt auf die dringende ­Notwendigkeit einer Gewichtsreduktion hingewiesen.

Im Rahmen der regelmäßig durchgeführten Visiten musste die Insulindosis von August 2011 bis November 2011 regelmäßig gesteigert werden. Unter dieser Therapie lagen die Blutzuckerwerte im akzeptablen Bereich, das HbA1c nach 4 Monaten bei 8,2 %. Innerhalb des relativ kurzen Beobachtungszeitraumes von 4 Monaten kam es zu einer weiteren Gewichtszunahme von 5 kg.

Vor dem Beginn der Insulintherapie hatte die Patientin unter einer bereits laufenden, lipostatischen Therapie mit Simvastatin 40 mg folgende Lipidwerte: Triglyzeride: 166 mg/dl, Gesamtcholesterin: 167 mg/dl, LDL-Cholesterin: 85 mg/dl, HDL-Cholesterin: 56 mg/dl). Im weiteren Verlauf kam es zu einem Absinken der Triglyzeride auf 131 mg/dl, die restlichen Lipidparameter blieben unverändert.

Ursachen der Gewichtszunahme

Da die Patientin aufgrund einer ausgeprägten Insulinresistenz einen sehr hohen Insulinbedarf hatte, kam es innerhalb kürzester Zeit trotz begleitender Metformintherapie zu einer deutlichen Gewichtszunahme. Generell kann nach dem Beginn einer Insulintherapie von einer Gewichtszunahme von etwa 5 kg ausgegangen werden. Die wesentlichste Ursache für die Gewichtszunahme ist eine durch die optimierte Glukosekontrolle bedingte Reduktion der Glukosurie. Patienten nehmen zur Prävention von Hypoglykämien auch häufig kalorienreiche Snacks zu sich, welche ebenfalls nicht unwesentlich an der Gewichtszunahme beteiligt sind.

Typischerweise besteht eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen der Menge des applizierten Insulins und der Gewichtszunahme. Entsprechend der aktuellen Datenlage ist die Gewichtszunahme bei allen heute verfügbaren Insulinen beinahe gleich ausgeprägt, lediglich Insulin detemir kann bei 1-mal täglicher Gabe zu einer signifikant geringeren Gewichtszunahme als Insulin glargin oder NPH-Insulin führen.

Ein variabler Teil des zugenommenen Gewichts lässt sich oft auch durch eine vermehrte Flüssigkeitseinlagerung erklären. Generell kann eine Insulintherapie zu moderater bis generalisierter Ödembildung führen. Typischerweise sind die insulinbedingten Ödeme meist gering ausgeprägt und werden kaum bemerkt. Die Inzidenz dieser Nebenwirkung liegt etwa bei 10–20 %. Generell erhöht Insulin die Natriumrückresorption, ohne aber dabei die glomeruläre Filtrationsleistung zu beeinflussen. Der genaue Ort der Insulinwirkung am Tubulus ist jedoch bis heute nicht bekannt.

Metabolische Folgen

Über ähnliche Pathomechanismen lässt sich darüber hinaus ein Zusammenhang zwischen der Insulintherapie und Hypertonie herstellen: Bei unserer Patientin lagen die Blutdruckwerte unter einer Therapie mit Tenormin 50 mg bei maximal 170/90 mmHg. In Zusammenschau mit der vorliegenden diabetischen Nephropathie und des metabolischen Syndroms wurde daher die Therapie auf Enalapril 10 mg umgestellt. Weiterführend musste die Therapie mit Amlodipin 10 mg erweitert werden.

Antihypertensive Therapie: Ist bei Patienten mit Diabetes mellitus eine antihypertensive Therapie erforderlich, so stellen ACE-Hemmer oder (bei ACE-Hemmer-Unverträglichkeit) Angiotensinrezeptorblocker (ARB) die wichtigste Therapiesäule dar. Mit Hilfe dieser Therapie kann eine ausgezeichnete Reduktion kardiovaskulärer Komplikationen erreicht werden. Darüber hinaus bewirkt eine Therapie mittels ACE-Hemmer bzw. ARB eine reduzierte Inzidenz der diabetischen Nephropathie. Demnach konnte Ramipril im Rahmen der MICRO-HOPE-Studie das Risiko für eine neu aufgetretene Mikroalbuminurie um 30 % reduzieren.

Gegenüber den etablierten ACE-Hemmern bzw. ARB ist die Gabe des direkten Renininhibitors Aliskiren differenzierter zu betrachten. Basierend auf Daten der rezent abgebrochenen ALTITUDE-Studie ist bei Patienten mit Diabetes mellitus bzw. bei Patienten mit einer eingeschränkter Nierenfunktion die Kombinationstherapie von Aliskiren mit ACE-Hemmer oder ARB) aufgrund der erhöhten Rate an renalen Endpunkten kontraindiziert.

Lipidsenkende Therapie: Im Sinne einer multifaktoriellen Diabetestherapie müssen unbedingt die Lipide berücksichtigt werden. Entsprechend den aktuell gültigen Leitlinien der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (2009) soll das LDL-Cholesterin zwischen 70 mg/dl und 100 mg/dl (bei Hochrisiko 40 mg/dl (Männer) bzw. > 50 mg/dl (Frauen) liegen. Empfohlen wird der Beginn mit einer Statintherapie in evidenzbasierten Dosierungen (äquivalent zu 40 mg Simvastatin). Diese kann nach Zielwerten gesteigert oder falls notwendig erweitert werden. Pro Senkung des LDL-Cholesterins um 1 mmol/l durch eine Statintherapie können schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse um 22 % reduziert werden (Cholesterol Treatment Trialists’ Collaboration; Kearny et al.; Lancet 2008).

FACT-BOX

  • Nach Beginn einer Insulintherapie ist mit einer Gewichtszunahme von durchschnittlich 5 kg zu rechnen:
  • Hypoglykämien stellen die gefährlichste Nebenwirkung einer Insulintherapie dar.
  • Im Sinne einer multifaktoriellen Therapieansatzes ist eine Optimierung des Lipid- und Blutdruckprofils angezeigt.