Die idiopathische pulmonale Fibrose – Neue Richtlinien für Diagnose und Management

Die seit 2002 gültige Klassifikation der interstitiellen Lungenerkrankungen (American Thoracic Society, Respiratory Society – International Multidisciplinary Consensus Classification) unterscheidet 4 große Untergruppen der interstitiellen Lungenerkrankungen:

  • idiopathische interstitielle Pneumonien (IPF, Acute Interstitial Pneumonia, Nonspecific Interstitial Pneumonia, Lymphocytic Interstitial Pneumonia, Desquamative Interstitial Pneumonia, Respiratory Bronchiolitis, Interstitial Pneumonia, Crypto – genetic Organizing Pneumonia )
  • granulomatöse Erkrankungen (z. B. Sarkoidose, Berylliose, exogen-allergische Alveolitis)
  • diffuse Lungenparenchymerkrankungen bei Kollagenosen, Vaskulitiden, Umweltnoxen und als Medikamentennebenwirkung (z. B. Amiodaron-Lunge)
  • „orphan diseases“ der Lunge (z. B. Alveolarproteinose, pulmonale Langerhanszell- Histiozytose, Lymphangioleiomyomatose, alveoläre Mikrolithiasis etc.)

 

Wenn auch namhafte Autoren diese Einteilung kritisieren, da bei einigen der idiopathischen interstitiellen Pneumonien sehr wohl auslösenden Faktoren wie z. B. Tabakrauch in Frage kommen bzw. die Lungenarchitektur erhalten bleibt und daher nicht alle als „idiopathisch“ bezeichnet werden können, ist bislang eine Revision der zitierten Klassifikation noch nicht erfolgt.

Späte Diagnose, kaum behandelbar

Die idiopathische pulmonale Fibrose (IPF) als Hauptvertreter der idiopathischen interstitiellen Pneumonie ist eine progrediente Erkrankung des Lungenparenchyms, welche häufig wegen des schleichenden Beginns und des Fehlens von Allgemeinsymptomen erst in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert wird. Sie führt klinisch, radiologisch und funktionell zu einer progredienten Verschlechterung und ist mit einer schlechten Prognose behaftet, d. h. die Patienten versterben am Atemversagen: die mittlere Überlebenszeit beträgt 2–5 Jahre nach Diagnosestellung, die IPFMortalitätsrate ist höher als bei vielen Malignomen.
Dies bedeutet, dass das Zeitfenster zwischen klinisch-radiologischer Erstmanifestation und IPF-Diagnose sehr lange ist; häufig wird die IPF nicht in die Differenzialdiagnosen einbezogen, internationale Empfehlungen für die Diagnostik werden nicht angewendet und es gibt eine große Interobserver-Diskrepanz bezüglich Computertomografie und/oder Pathologie. Die genaue Prävalenz und Inzidenz der IPF kann nur geschätzt werden: Einige Daten weisen jedoch auf eine Prävalenz von 13–20/ 100.000 und eine Inzidenz von 7–11/ 100.000/Jahr hin. Man nimmt an, dass in der EU bis zu 40.000 Patienten pro Jahr neu als IPF-Patienten diagnostiziert werden. Die aktuell durchgeführten medikamentösen Therapieoptionen sind von fraglichem Benefit und scheinen den natürlichen Verlauf der Erkrankung kaum positiv zu beeinflussen, ja können diesen sogar fallweise negativ beeinflussen. Insgesamt besteht eine sehr geringe Ansprechrate auf Steroide, wobei ein Kortison- Trial für 3 Monate zulässig ist.
Eine zusätzliche Problematik ergibt sich aus dem Umstand, dass es interindividuell große Unterschiede im zeitlichen Verlauf der Progression gibt, was jedoch im Einzelfall nicht vorhersagbar ist. Akute Exazerbationen der Erkrankung können zu einer dramatischen Verschlechterung der Erkrankung bis hin zur akuten respiratorischen Insuffizienz und Ventilatorpflichtigkeit führen, welche trotz Beatmungstherapie und hochdosierter Steroidtherapie eine sehr hohe Mortalität aufweisen.

Diagnostik der IPF – alt und neu

Die Diagnose einer IPF ist nur in Kooperation von erfahrenen Pneumologen, Radiologen und Pathologen möglich und sollte in spezialisierten Zentren durchgeführt werden.

Anamnestisch berichten Patienten mit IPF, die meist das 50. Lebensjahr überschritten haben, über eine langsam zunehmende Belastungsdyspnoe (> 6 Monate) und Reizhusten.

Klinisch typisch, aber nicht spezifisch für die IPF ist auskultatorisch ein bilaterales basales Knisterrasseln (Sklerisophonie); Trommelschlegelfinger und Uhrglasnägel sind nur in 50 % festzustellen.

Lungenfunktionell können im Frühstadium normale Lungenvolumina und normale pO2-Werte in Ruhe gemessen werden; das Vorliegen einer Oxygenierungsstörung kann jedoch durch eine Belastungs-Blutgasanalyse und Messung der CO-Diffusionskapazität demaskiert werden. Mit zunehmender Progression der IPF entwickelt sich funktionell eine Restriktion durch Schrumpfung des Lungengewebes und Ruhehypoxämie.

Histopathologisch muss bei einer IPF das Muster einer UIP (= Usual Interstitial Pneumonia) vorliegen: diese weist ein heterogenes Bild in fleckiger Verteilung mit subpleuralen Fibrosearealen, „honeycombing“, sehr geringer interstitieller zellulärer Inflammation mit Lymphozyten, Plasmazellen und Histiozyten sowie typischerweise so genannten Fibroblasten- Foci auf. Daneben findet sich jedoch auch normales, in seiner Architektur erhaltenes Lungengewebe auf. Diese Fibroblasten-Foci werden als pathognomonisch und hauptverantwortlich für die Progression der IPF angesehen.

Neuer Stellenwert der radiologischen Diagnostik: Bisher war zur Gewinnung von histologischem Material die chirurgische Lungenbiopsie, welche in den letzten Jahren per videoassistierter Thorakoskopie (VATS) durchgeführt wurde, der so genannte Goldstandard in der Diagnostik einer IPF. Im 2011 publizierten ATS/ERS/JRS/ALAT-Statement „IPF: Evidencebased Guidelines for Diagnosis and Management“ wird die chirurgisch gewonnene Pathohistologie jedoch nicht mehr als Goldstandard angesehen, da sie ohnedies in nicht allen Fällen zumutbar war und der Stellenwert der hochauflösenden Computertomographie (HRCT) weiter zugenommen hat. Laut diesem Statement werden sowohl die transbronchiale bronchoskopische Lungenbiopsie als auch die BAL (bronchioloalveoläre Lavage) wegen der geringen diagnostischen Ergiebigkeit nicht mehr empfohlen. Die Radiologie mit HRCT hat somit laut dem zitierten Statement enorm an Stellenwert in der Diagnostik der IPF dazugewonnen.

4 Merkmale sind typisch für eine IPF (d. h. UIP-Muster):

  • retikuläres subpleurale Verschattungs – mus ter (Verdickung der Interlobulär – septen)
  •  subpleurale basale Prädominanz
  • „Honeycombing“ +/– Traktionsbronchioloektasien (als Ausdruck der Zerstörung der Lungenarchitektur und der zunehmenden Schrumpfung)
  • Fehlen von „nicht passenden“ Merkmalen für eine IPF (wie z. B. Konsolidierungen)

Bei Vorliegen aller 4 Merkmale kann mit hoher Sicherheit von dem Vorliegen einer IPF ausgegangen werden und auf weitere invasive Diagnostik verzichtet werden.

 Medikamentöse Therapie

Prinzipiell gibt es verschiedene Therapiekonzepte, die bisher auch in Kombination angewendet wurden:

  • antiinflammatorisch
  • antifibrotisch
  • antioxidativ

Hauptziel jeder Therapie ist die Aufrechterhaltung der Lungenfunktion, da viele Studien gezeigt haben, dass Vitalkapazität und die DLCO wichtige Prognosefaktoren für das Überleben sind. Es wird daher empfohlen, das Ansprechen auf diese unterschiedlichen Therapien in 3–6 Monaten nach Therapieeinleitung zu evaluieren, wobei die Messung der FVC (forcierte Vitalkapazität) allgemein als wichtigster Parameter angesehen (Abnahme der FVC um > 10 % innerhalb von 6 Monaten bedeutet 5-fach erhöhtes Mortalitätsrisiko).

Derzeit keine evidenzbasierte Therapie:Wenn man das rezente bereits zitierte Statement der ATS/ERS/JRS/ALAT zusammenfasst, so kann derzeit keine Mono- oder Kombinationstherapie zur „evidence-based therapy“ als effektiv in der Therapie der IPF angesehen werden. Auch die bisher in vielen Zentren durchgeführte und seit dem Jahr 2000 von der ATS/ERS empfohlene Therapie mit Steroiden und Immunsuppressiva kann aufgrund fehlender positiver Datenlage bzw. rezenten negativen Daten zum Einfluss auf die Progression der Erkrankung nicht mehr empfohlen werden. Generell kann keine Therapieempfehlung in der Therapie der IPF für folgende Medikamente aufgrund der schwachen Datengrundlage ausgesprochen werden: Steroid-Monotherapie, Colchicin, Cyclosporin A, Steroid + Azathioprin oder Cyclophosphamid, Steroid + Azathioprin + NAC, NAC, Interferon gamma, Bosentan, Etanercept, Antikoagulantien. Insgesamt haben die bisherigen Therapiekonzepte den natürlichen Verlauf einer IPF nicht beeinflussen können, wenn auch teilweise positive Trends in Studien abzulesen waren (z. B. NAC – IFIGENIA-Studie).

Als größter Hoffnungsträger gilt zur Zeit Pirfenidon, eine Substanz, die die extrazelluläre Matrix beeinflusst, antiproliferativ auf Fibroblasten wirkt, TNF-alpha, IL-6 und TGF-beta vermindert und antioxidativ wirksam ist. In mehreren randomisierten Studien (z. B. Lancet 2011; 377:1760-69) konnte die güns – tige Wirkung von Pirfenidon auf die Aufrechterhaltung der Lungenfunktion bei einem vertretbaren Nutzen-Risiko-Verhältnis gezeigt werden. Es ist möglicherweise damit zu rechnen, dass Pirfenidon in der Zukunft eine breit angewendete Therapieoption der IPF darstellen wird.

Supportive Maßnahmen und Lungentransplantation

Zu den supportiven Maßnahmen zählen die Langzeitsauerstofftherapie in Ruhe oder Belastung und die Aufrechterhaltung der körperlichen Fitness im Sinne einer pulmonalen Rehabilitation, weil diese erwiesenermaßen das Überleben günstig beeinflussen können. Die Lungentransplantation (LTX) ist bei ausgewählten und vor allem jüngeren Patienten eine Therapieoption, die zur Verbesserung der Überlebensrate von IPF-Patienten beiträgt.

FACT-BOX

  • HRCT essenziell in der Diagnostik der IPF
  • chirurgische Lungenbiopsie – kein Goldstandard mehr
  • BAL und transbronchiale bronchologische Lungenbiopsie nicht empfohlen
  • bisherige Therapien nicht empfohlen (schwach „evidence-based“)
  • supportive Therapien und LTX sinnvoll
  • Therapie mit Pirfenidon als Hoffnungsträger

 

Literatur beim Verfasser