Überblick Medizintechnik

Insulin ist nicht nur für das Management des Typ-1-Diabetes von wesentlicher Bedeutung. Auch bei Typ-2-Diabetes ist es, obwohl sich die therapeutischen Optionen vergrößerten, zu einem stetigen globalen Zuwachs der Insulintherapie gekommen. Um die Lebensqualität und die Lebenserwartung von Menschen mit Diabetes zu verbessern, war und ist die Entwicklung von innovativen neuen Technologien ein wichtiger Faktor.

Pens und Blutzuckermessgeräte

Seit nunmehr 90 Jahren verbessern Ärzte und Industrie die Möglichkeiten und die Genauigkeit der Insulinapplikation. Insulinpens spielen dabei eine wichtige Rolle. Abgesehen von der Verbesserung der Lebensqualität durch die Pens zeigen Studien, dass mit Pens genauer dosiert werden kann – insbesondere, wenn Dosen von unter 5 IE verabreicht werden. Die Verwendung von Pens führt im Vergleich zur Spritze zwar zu keiner HbA1c-Verbesserung, aber zu einer Verbesserung der Nüchternblutzuckerwerte. Pens, die wieder mit einer Patrone ausgestattet werden können, wurden in den letzten 10 Jahren weiter verbessert. Zusätzlich gibt es nun eine Reihe von „Einmal-Pens“, die insbesondere bei älteren Typ-2-Dia­betikern verwendet werden. Die unterschiedlichen Produkte helfen die Unabhängigkeit von Patienten zu stärken, da auch ohne professionelle Hilfe weiter durch den Patienten selbst Insulin gespritzt werden kann.

Bei den Blutzuckermessgeräten wurde in den letzten Jahren keine Diskussion zur Messgenauigkeit geführt, vielmehr konzentrierte sich die Entwicklung auf eine Verkleinerung der Geräte, Geräte für Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen (z. B. Display) und darauf, dass bei immer weniger Blut immer schneller Messwerte zur Verfügung stehen. Letzte Beispiele sind die Entwicklung von „No coding“-Messgeräten, welche das Risiko von Fehlern bei der Kalibrierung verhindern (in Österreich verfügbar) oder von Blutzucker-Monitor-Systemen basierend auf einem Handy für das weitere Diabetes-Management. Erst im letzten Jahr wurde die Messgenauigkeit wieder zum Thema, da mit der Sensortechnologie exakte Werte für die Kalibrierung benötigt werden.

Insulinpumpentherapie

Die Therapie mit einer Insulinpumpe stellt mittlerweile eine etablierte Routinebehandlung dar. Rezente Metaanalysen zeigen eine verbesserte glykämische Kontrolle bei gleichbleibender Hypoglykämie-Frequenz und einem reduzierten Insulinbedarf. Die kontinuierliche subkutane Insulininfusion (CSII) verbreitete sich in den letzten 10 Jahren besonders in den USA deutlich. Am deutlichsten nahm und nimmt weltweit die Insulinpumpentherapie unter Kindern und Jugendlichen zu. Der Einsatz erfolgt mittlerweile in allen Altersgruppen, unabhängig vom Diabetestyp und damit auch oft außerhalb der klassischen Indikationen.

Die Insulinpumpen wurden technisch kontinuierlich weiter entwickelt. Zu den bereits bekannten Möglichkeiten, wie der temporären Absenkung und Anhebung der Basalraten und der Möglichkeit, mehrere Basalratenprofile zu programmieren, sind neue gekommen. So waren die letzten 10 Jahre durch Entwicklungen im Bereich des Bolusmanagements geprägt: Unterschiedliche Bolus-Arten können durch eine an die Mahlzeiten angepasste Abgabe des Bolusinsulins die postprandialen Werte verbessern. Boluskakulationsprogramme erlauben raschere postprandiale Korrekturen, ohne das Hypoglykämierisiko zu erhöhen. In ersten Studien zeigt sich auch, dass damit die glykämische Variabilität verringert werden kann.

Strukturierte Datenanalyse

Vergleiche von Blutzucker-Tagebüchern mit den Speichern der verwendeten Blutzuckergeräte offenbaren oft falsche zeitliche Zusammenhänge und Werte, die sich nicht im Speicher oder im Tagebuch befinden. Daraus kann man ableiten, dass die diabetologische Therapieempfehlung oft auf falschen Voraussetzungen beruht. Die strukturierte Datenanalyse (Auslesen von Pumpen und Messgeräten und das Generieren von Berichten) erweist sich dabei als hilfreich in der Beurteilung der Einstellungsqualität und in der Adaptierung der Therapiealgorithmen.

Kontinuierliche Glukosemessung

Seit ca. 10 Jahren ist das kontinuierliche interstitielle Glukosemonitoring (CGM) im Einsatz. Wurden am Beginn die Daten „verblindet“ erhoben und retrospektiv analysiert (z. B. zum Sichtbarmachen von nächtlichen Hypoglykämien), so können sie nun auf einem Monitor abgelesen und zu unmittelbaren Therapieveränderungen herangezogen werden. Alarme warnen bei den Real-Time-Systemen vor Hyper- und Hypoglykämien. Trends bei der interstitiellen Glukosemessung sind für die Änderung der Blutglukosewerte repräsentativ. Erstmals steht nun auch eine Insulinpumpe mit CGM zur Verfügung, welche auf Glukosewerte reagieren kann. Dabei schaltet sich die Pumpe bei einem von Arzt und Patienten definierten Wert ab und nach 2 Stunden wieder an, falls der Zuckerwert angestiegen ist. Dies dient dem Schutz vor Hypoglykämien, welche der Patient nicht wahrnimmt, und resultiert auch aus der Erfahrung, dass Alarme nach einer bestimmten Zeit vor allem in der Nacht nicht mehr gehört werden („alarm burn-out“). Obwohl bei den meisten CGM-Systemen ein Alarmsystem für Hypoglykämie integriert ist, zeigten Buckingham et al. (Diabetes Care 2010), dass 71 % der Alarme während des Schlafs nicht beachtet werden.

Als eine Weiterentwicklung testeten Buckingham et al. (Diabetes Technol Ther 2009) einen von E. Dassau evaluierten HPS-Algorithmus (Hypoglycemic Predictive Algorithm) unter klinischen Bedingungen. In den HPS-Algorithmus wurden insgesamt 5 mathematische Kalkulationen implementiert, welche wechselweise genutzt und miteinander verglichen wurden, um eine sichere Voraussage der zu erwartender Glukosewerte zu erreichen.

Der Nutzen des retrospektiven Einsatzes von CGM in Hinblick auf eine HbA1c-Verbesserung ist zurzeit anhand der vorliegenden Studienergebnisse nicht belegt. Ganz anders ist die Evidenz aber in Hinblick auf seine therapeutische Anwendung. Der kontinuierliche Einsatz von CGMS, verwendet bei der funktionellen Insulintherapie, führt bei Erwachsenen (Alter > 25 Jahre) zu einer signifikanten HbA1c-Senkung. Der Nutzen dieser Therapie konnte auch bei Patienten mit einem befriedigenden Ausgangs-HbA1c (eine signifikante Reduktion des HbA1c) gezeigt werden, ohne dass es zu einer Zunahme schwerer Hypoglykämie kam. Die Verbesserung der Glykämie hing von der Tragedauer des Sensors ab.

Trotz erheblicher wissenschaftlicher Fortschritte in Hinblick auf einen biologischen Betazellenersatz steht insbesondere für Kinder und Jugendliche aufgrund des z. B. hohen Nebenwirkungsprofils einer immunsuppressiven Behandlung keine geeignete Therapie zur Verfügung. Ein alternativer Ansatz ist die Verwendung von kontinuierlicher Glukosemessung in Kombination mit einer Insulinpumpe unter der Kontrolle von Algorithmen, welche die Insulinzufuhr regulieren. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Entwicklung von so genannten Patch-Pumpen. Patch-Pumpen sind unauffällig, leicht und ohne Katheterschlauch. Mit Hilfe eines Kontrollers wird die Pumpe unter Verwendung individualisierter Algorithmen gesteuert. Die bereits zur Verfügung stehenden Technologien sind durchaus alltagstauglich und werden weiter verbessert, z. B. Verringerung der Zeitdifferenz zwischen interstitiellen Zucker- und Blutzuckerwerten bei Mahlzeiten und Bewegung durch bessere Sensoren. In verschiedenen Arbeiten wurden mehrere Algorithmen zur Sensor-gesteuerten Insulinabgabe vorgestellt. Das erstmals von Steil et al. (Diabetes Technol Ther 2003) vorgestellte PID-Model berücksichtigt die physiologischen Effekte der Insulinsekretion einer Betazelle. Eine interessante Arbeit von Weinzimer et al. (Diabetes Care 2008) verglich eine vollständige „Closed Loop mit einer „Hybrid Closed Loop“ auf Basis des PID-Modells. In der Hybrid-Closed-Loop-Gruppe gaben die Patienten zusätzliche Informationen (z. B. Kohlenhydrate) in das System ein, was zu geringeren postprandialen Glukoseschwankungen führte. Die Arbeitsgruppe evaluierte auch die Gabe eines „Pre-meal Priming“-Insulinbolus und konnte die Leistung des Systems weiter verbessern. Ein anderes mathematisches Modell mit dem Namen MADLAB (Zisser et al., J Diabetes Sci Technol 2008) berechnet auf Basis der aktuellen Glukosetrends und unter Einbeziehung des im Körper noch wirksamen Insulins die zu erwar
tenden Glukosewerte. Die basale Insulininfusion wird darauf ausgerichtet. Mit dem MPC (Model Predictive Controller) wird ein weiteres Modell von Hovorka et al. (Physiol Meas 2004) diskutiert. Anwendung fand das Modell in einer Studie, welche über Nacht die subkutane Insulinversorgung mit einer Insulinpumpe im Closed-Loop-Mode steuerte. Dabei zeigte sich, dass die mittlere Glukosekonzentration geringer und der Anteil normoglykämischer Werte höher war als mit der herkömmlichen CSII-Methode. Gemeinsame Patches für CGM und Insulininfusion und Zweikammersysteme für mehr als ein Therapeutikum sind ebenfalls Thema in der Entwicklung. Weiters könnte die Verwendung von ultrakurz wirksamen Insulinen den Fortschritt in Bezug auf ein „artificial pancreas“ beschleunigen.

Die Herausforderung

Die Betreuung der Patienten, welche hochtechnische und auch teure Geräte verwenden, ist eine Herausforderung für unsere Diabeteszentren. Dabei sind Erfahrung und Kenntnis in Bezug auf die Nutzung der Systeme Voraussetzung. Dies betrifft sowohl die technische Seite wie auch die Interpretation der Daten in Hinsicht auf Optimierung der Therapie. Die Patienten müssen eine strukturierte Schulung erhalten und lernen, selbstständig Mess­ergebnisse zu interpretieren und ihre Therapie anzupassen.