Neue IGEPHA-Präsidentin will Self-Care zum Megatrend machen

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Die neue Präsidentin der österreichischen Self-Care-Interessenvertretung IGEPHA will den OTC-Markt in Österreich forcieren. Im RELATUS-Interview sieht Mirjana Mayerhofer enormes Wachstumspotenzial, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.

Wie sehen Sie die Entwicklung des OTC-Marktes in Österreich in der jüngsten Vergangenheit? Aus Sicht des Self-Care-Bereiches ist die Bilanz nicht sehr positiv. Self-Care könnte ein grandioser Megatrend sein, wenn die Politik dafür die richtigen Rahmenbedingungen schaffen würde. Immer mehr Menschen interessieren sich für Gesundheit, Fitness, Prävention und gutes Aussehen. Sie nützen die Fülle an frei verfügbaren Gesundheitsinformationen und bedienen sich digitaler Gesundheitstools, um ihr Wohlbefinden und ihre Leistung zu optimieren. Was fehlt, ist eine österreichweite Self-Care-Strategie, ein gemeinsames Bekenntnis zu mehr Eigenverantwortung in Gesundheitsfragen, ein „Mitdenken“ von Self-Care-Lösungen in allen Lebensbereichen und allen Lebensphasen. Wir leisten uns ein teures Gesundheitssystem, können unserer Bevölkerung aber trotzdem nicht mehr als 57 gesunde Lebensjahre bieten. Eine beschämende Zahl, wenn man bedenkt, dass im EU-Durchschnitt Frauen 64,2 und Männer 63,5 beschwerdefreie Jahre erwarten dürfen.

Was sind Ihre Pläne für die IGEPHA im neuen Jahr? Als neu gewählte IGEPHA-Präsidentin freue ich mich, gemeinsam mit einem neuen Team und unserer erfahrenen Geschäftsführerin Christina Nageler ambitionierte Ziele ansteuern zu dürfen. Seit zirka einem Jahr leisten Profis aus der Self-Care-Industrie mit ihrem Engagement im Rahmen der IGEPHA-Arbeitsgruppen zu den Schwerpunkten „rezeptfreie Arzneimittel“, „Nahrungsergänzungsmittel“, „Medizinprodukte“ und „Homöopathie“ hervorragende fachliche Arbeit auf höchstem Niveau. Unterstützt von unserer Regulatory-Managerin Reka Szathmary – wir sind, wie man sieht, ein echtes Frauen-Power-Team – befassen sich die Arbeitsgruppen mit dem aktuellsten Wissenstand zu den produktspezifischen Regulatory-Fragen. Sie erarbeiten Empfehlungen für die IGEPHA-Mitglieder und treten bei Bedarf mit der Behörde in Kontakt, um im Interesse der Self-Care-Industrie offene Aspekte zu klären. In diesem Stil werden wir weiterarbeiten und unseren Mitgliedern eine Fülle an Services anbieten. Zusätzlich zu unseren Regulatory-Arbeitsgruppen werden 2020 vier neue Arbeitsgruppen frischen Input zu Marketing- und Vertriebsthemen liefern, damit unsere Mitglieder rundum zukunftsfit ins neue Jahrzehnt starten können.

Welche Ihrer Anliegen konnten im Vorjahr umgesetzt werden? Die IGEPHA hat ein arbeits- und ergebnisreiches Jahr hinter sich. Ich möchte nur zwei der vielen Projekte herausgreifen: Mein Vorgänger Gerhard Lötsch hat sich sehr erfolgreich für das Thema Switch engagiert. Dank der wissenschaftlich fundierten Aktivitäten der IGEPHA hat sich das Switch-Klima in Österreich spürbar verbessert, sodass die Rezeptpflichtkommission schließlich dem Antrag auf Entlassung von topischem Hydrocortison aus der Verschreibungspflicht zugestimmt hat. Im Herbst 2019 ist es dank des Engagements unserer sehr aktiven Homöopathie-Arbeitsgruppe gelungen, die Behörde davon zu überzeugen, dass homöopathische Arzneimittel generell von der Verpflichtung zu Periodic Safety Update Reports (PSUR) befreit werden sollen. Damit können unsere Mitglieder wertvolle Ressourcen sparen.

Welche Erwartungen und Wünsche haben Sie an die neue Regierung? Die IGEPHA appelliert an die künftige Regierung, die Prävention in den Mittelpunkt ihres Gesundheitsprogramms zu rücken und die Menschen stärker zu ermächtigen, selbst Verantwortung für ihre Gesundheit zu übernehmen. Das Gesundheitssystem würde durch enorme Einsparungen profitieren, gleichzeitig sinkt der Druck auf Spitäler, Ambulanzen und Arztordinationen, wenn die Menschen über das Wissen und die Mittel verfügen, um selbst so viel wie möglich für ein langes Leben in Gesundheit beitragen zu können. Man darf nicht vergessen, dass wir heutzutage einen viel breiteren Zugang zu kostenlosen Informationen haben, um Prävention oder auch die Behandlung von leichteren Beschwerden in die Hand zu nehmen.

Was sind die wichtigsten Punkte, die heuer Ihrer Meinung nach auf jeden Fall umgesetzt werden müssen? Arzneimittel und Gesundheitsprodukte sind sensible Waren, an die hohe Sicherheitsansprüche gestellt werden und die einer professionellen Beratung bedürfen. An der Politik wird es liegen, den vernünftigen Umgang mit Self-Care-Produkten und den Zugang zu selbigen zu fördern, ohne Abstriche bei Beratung und Sicherheit machen zu müssen. Wichtig ist mir auch, dass die Chancen der Digitalisierung positiv für den Self-Care-Markt genützt werden. Digitale Technologien können, wenn man sie sinnvoll einsetzt, den niedrigschwelligen Zugang zur Gesundheitsversorgung erleichtern und das individuelle Gesundheitsmanagement verbessern. Mein dritter Wunsch betrifft die Umsetzung der EU-Medizinprodukteverordnung: Da wird es einer gemeinsamen Kraftanstrengung bedürfen, um einen gleitenden Übergang in den neuen Gesetzesrahmen zu schaffen. Wichtig ist vor allem, dass so rasch wie möglich ein Notified Body für Medizinprodukte in Österreich tätig werden kann.

Das Interview führte Martin Rümmele