Bericht über die bvU-Sommertagung. Corona zum Trotz!

Letzteres war im Fall der bvU-Sommertagung besonders prädominant, haben sich doch alle Teilnehmer im Vorfeld einer PCR-Testung unterzogen, die nicht älter als 4 Tage sein durfte. Überdies wurde vor Ort ein neuartiger COVID-19-AK-Schnelltest für alle Teilnehmer kostenlos angeboten. Das Testkontingent war bald aufgebraucht, viele Teilnehmer erwarben auch Testkits für die Testung ihrer Angehörigen und Mitarbeiter. Unter den über 50 durchgeführten Tests war ein einziger positiver AK-Test zu verzeichnen. Die betroffene Person war durchaus überrascht, hatte sie doch in den ver­gangenen Monaten keinerlei Symptome wahrgenommen. Ob dadurch tatsächlich Immunität und Schutz vor einer Reinfektion gegeben ist, wird noch intensiv von den Virologen und Epidemiologen untersucht. Dieses Beispiel zeigt aber auch, dass man dieses Virus ernstnehmen muss und nicht zu rasch in die gewohnten Verhaltensmuster zurückfallen sollte, um die erneute Ausbreitung und vielfach zitierte „zweite Welle“ zu vermeiden.

Besonders hat es uns gefreut, dass mehrere der Vortragenden aus dem benachbarten Deutschland angereist waren, um ihre Expertise mit den interessierten Zuhörern zu teilen. Die Tagung begann mit einem Seminar zum Thema Arzt-Patienten-Kommunikation unter der Leitung von Mag. Karin Isak, die trotz oder gerade wegen der Corona-bedingt geringen Zahl an Teilnehmern ein sehr spannendes, interaktives Meeting gestalten konnte. Viele Vorurteile bezüglich der Kommunikation zwischen Patienten und Behandlern wurden aufgearbeitet und geeignete Lösungsansätze für den Dialog dargestellt und intensiv diskutiert. Von der Überbringung von „schlechten Nachrichten“ bis zur zeitgemäßen onkologischen Rehabilitation spannte sich der Bogen der Diskussion mit angeregtem Feedback der Teilnehmer.

Nach der jährlichen Mitgliederversammlung stand der spannende Festvortrag von Prim. Dr. Wolfgang Loidl über künstliche Intelligenz und Ärztemangel in der Medizin von morgen am Programm. Weit über den urologischen Tellerrand hinaus zeichnete Dr. Wolfgang Loidl ein spannendes, nicht unkritisches und nachdenklich stimmendes Bild der künstlichen Intelligenz im Anwendungsfeld der Hightech-Medizin im 21. Jahrhundert.
Den Abschluss des ersten Kongresstages bildete der Empfang im Congress Center Villach mit einem stimmungsvollen Abend am Ufer der Drau bei angenehmen Temperaturen, alles natürlich im Rahmen der aktuellen COVID-19-Bestimmungen, welche von den Teilnehmern ohne Schwierigkeiten umgesetzt wurden.

Das nächste Highlight der Sommertagung bildete ein Überblick über aktuelle Therapiestandards und -sequenzen beim fortgeschrittenen Prostatakarzinom von Univ.-Prof. Dr. med. Axel Merseburger aus Lübeck, der die gesamte Bandbreite der aktuellen Therapiekonzepte mit Chemotherapie, Hormonentzug und Immuntherapie (PARP-Inhibitoren) und deren Kombination bzw. sequenzielle Abfolge übersichtlich darstellte. Es folgte ein Vortrag von Dr. med. Henning Plage aus der Charité in Berlin über den Hochfrequenz-Ultraschall in der Prostatadiagnostik. Das Referat und die Diskussion wurden wegen der COVID-19-Einschränkung an der Charité als vertonte Präsentation mit anschließender Live-Diskussion via Onlinezuschaltung von Dr. Plage ganz problemlos durchgeführt, womit auch diese Form des elektronischen Wissensaustausches ihre Feuerprobe erfolgreich bestehen konnte. Die Hochfrequenzsonografie steht demnach erst am Anfang ihrer Entwicklung, wird aber wohl in Zukunft eine zusätzliche diagnostische Schiene im Bereich der Prostatadiagnostik darstellen. Sie bietet eine bisher nicht gekannte Genauigkeit in der Darstellung anatomisch-pathologischer Veränderungen in der Prostata, hat aber aus physikalischen Gründen eine Limitation bei besonders großen Drüsen.

Ein weiterer Höhepunkt war der ungewöhnliche, sehr erhellende Vortrag von Prof. Dr. med. Gerald Mickisch aus Bremen, der das komplexe Thema der Immunologie des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms in Form von selbst gezeichneten Karikaturen klar und leicht verständlich präsentierte. Dabei wies er auf die Vielzahl therapeutischer Ansätze im Zeitalter der Tyrosinkinase- und Checkpoint-Inhibitoren hin. Aus heutiger Sicht wird es das Schema „One fits all“ wohl nicht geben, vielmehr kann eine Abfolge verschiedener therapeutischer Ansätze das progressionsfreie Überleben um derzeit bis zu 15 Monate verbessern.

Prim. Univ.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Marcus Säemann von der nephrologischen Abteilung der Klinik Ottakring in Wien berichtete in sehr strukturierter und klarer Weise über funktionseinschränkende, chronische Nierenerkrankungen, die immerhin nach der KDIGO-Klassifikation ca. 10–15% der Gesamtbevölkerung betreffen. Je nachdem ob Proteinurie oder Hämaturie überwiegen, wird klinisch zwischen nephritischen und nephrotischen Krankheitsbildern unterschieden. Dabei räumte er sogleich mit den traditionellen, aber wissenschaftlich unbegründeten Ratschlägen der salzarmen Diät und hohen Trinkmengen für Patienten mit Niereninsuffizienz auf und stellte moderne Therapiekonzepte mit dem Ziel der Progressionsverzögerung dieser chronischen Erkrankung vor.

Sehr interessant war auch der Vortrag von Prof. Dr. med. Ralf Rieker aus Erlangen über die histologischen Subtypen beim Urothelkarzinom, von denen manche eine deutlich schlechtere Prognose aufweisen. Um die gefährlichen von den weniger malignen Formen differenzieren zu können, sind neben der klassischen Hämatoxylin-Eosin-Färbung zusätzliche Spezialfärbungen erforderlich. Neben dieser histologischen Subtypanalyse stellten Invasionstiefe, CIS-Anteile, entzündliche Infiltrate sowie das Wachstumsmuster an der Invasionsfront wichtige Beurteilungskriterien dar. Hinzukommen der quantitative Rezeptornachweis für Checkpoint-Inhibitoren und weitere molekulare Untersuchungen, um die Aggressivität und Therapieoptionen des vorliegenden Urothelkarzinoms zu klären.

Im Anschluss sprach Dr. Alexandra Fuchs-Samitz aus Klagenfurt über die kindliche Harninkontinenz. Sie gab praktische Einblicke in ihre Behandlungsmethoden und die Möglichkeiten der Therapie bei den verschiedenen Varianten der Enuresis.

Den andrologischen Abschluss der Fortbildungstagung bildete Prim. PD Dr. Florian Wimpissinger aus Mistelbach mit einem didaktisch perfekten und interessanten Vortrag über den Zusammenhang zwischen Hypogonadismus und Kinderwunsch. Er betonte dabei die essenzielle Unterscheidung zwischen hypergonadotropen und hypogonadotropen Erscheinungen der Hodenfehlentwicklung für die erfolgreiche Behandlung. Auch er wies auf einen nicht seltenen Irrweg bei der Behandlung hin, nämlich bei hypogonadalen Kinderwunschpatienten eine exogene Testosteronersatztherapie durchzuführen; vielmehr sollte die Behandlung mit Unterstützung der Hypo­physen-Gonaden-Achse erfolgen.

Insgesamt war die Tagung von einer sehr positiven und zuversichtlichen Stimmung getragen. Die durchwegs positiven Rückmeldungen auf den Evaluationsbögen ließen die Erleichterung über die gebotene Gelegenheit zum persönlichen Gespräch und Erfahrungsaustausch unter den bvU-Mitgliedern erkennen.

Es freut uns ganz besonders, dass mit Abhaltung dieser Tagung gezeigt werden konnte, dass mit einem geeigneten Sicherheitskonzept auch in Tagen der Coronapandemie eine Fortbildungstagung sicher und effektiv abgehalten werden kann!

Im Namen des Berufsverbandes der Österreichischen Urologen gebührt an dieser Stelle unser besonderer Dank den MitarbeiterInnen der Kongressorganisation Hennrich.PR, die eine wirklich herausfordernde und engagierte Kongressorganisation umsetzen konnten, und vor allem auch allen mitwirkenden Firmen (A. Menarini Pharma GmbH, Astellas Pharma Ges.m.b.H., Bayer Austria GmbH, bk medical Medizinische Systeme GmbH, Canon Medical Systems Gesellschaft mbH, Climed GmbH, Genericon Pharma Gesellschaft m.b.H., Gerot Lannach G.L. Pharma GmbH, Ipsen Pharma GmbH, Janssen Cilag Pharma GmbH, Karl Storz Austria GmbH, Lörper Medizintechnik GmbH, Montavit GmbH, Sandoz GmbH, Takeda Austria GmbH, Thermo Fisher Scientific GmbH, Wellspect HealthCare GmbH), die mit ihrer großzügigen Unterstützung die Durchführung dieser Tagung erst ermöglichten. Besonderer Dank gilt auch dem Team von Semmily, einem jungen Start-up, das die Tagung mit Foto- und Videoaufnahmen begleitet und die Online-Live-Konferenz mit der Charité in Berlin mit Bravour über die Bühne gebracht hat. Sie werden bald mehr davon hören und sehen!

Vielen Dank Ihnen allen!